Die ökosoziale Steuerreform soll Österreich helfen, die Klimaziele zu erreichen. Doch die darin enthaltenen Maßnahmen sind halbherzig. Dafür dürfen sich große Unternehmen über eine Senkung der Körperschaftssteuer freuen.
TEXT: Christian Bunke
FOTO: Michael Bigus
Die schwarz-grüne Bundesregierung bringt mit Beginn dieses Jahres ein als «ökosoziale Steuerreform» bezeichnetes Gesetzespaket auf Schiene. Ab Mitte 2022 sollen dessen Maßnahmen greifen. Erklärtes Ziel der Reform ist es, Österreich auf Ziellinie zum Erreichen der Klimaziele zu bringen und den Weg dorthin sozial gerecht auszugestalten.
Ökosozial oder wettbewerbsfähig?
Auffällig ist, dass der ökologische Aspekt bei der Bewerbung der Reform nur eine untergeordnete Rolle spielt. So spricht das Finanzministerium von einem «Entlastungspaket» und der «größten Steuerentlastung der 2. Republik». Die Wirtschaftskammer schreibt in ihrer Analyse des Reformpakets vom 16. Dezember 2021 zwar von einer «Ökologisierung des Steuersystems durch den Einstieg in eine CO2-Bepreisung», hebt anschließend aber hervor: «Durch die Steuerreform wird die Steuer- und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent gesenkt und die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft gestärkt.»
Bei der CO2-Bepreisung geht es nicht um eine Steuer im eigentlichen Sinne, sondern um den Aufbau eines nationalen Emissionszertifikatehandels, der den bereits existierenden europäischen auf innerösterreichischer Ebene ergänzen soll. Ab 1. Juli müssen Energielieferant_innen Emissionszertifikate bei einer noch einzurichtenden Behörde kaufen. Diese Zertifikate ermächtigen dann zum «Inverkehrbringen von fossilen Kraft- und Treibstoffen», wie im neu eingeführten «Nationalen Emissionszertifikatehandelsgesetz» geregelt ist.
Die so gesteuerte CO2-Bepreisung soll schrittweise erfolgen. Sie startet Mitte 2022 mit einem Einstiegspreis von 30 Euro pro Tonne CO2-Equivalent. Bis 2025 soll dieser Preis auf 55 Euro pro Tonne CO2-Equivalent steigen. Ab 2026 wird diese Bepreisung laut WKO durch «eine freie Preisbildung in einer Marktphase unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf europäischer Ebene» ersetzt.
Übersetzt bedeutet das, dass ab dann ein österreichweiter Zertifikatehandel stattfinden wird. Dessen genaue Ausgestaltung ist noch nicht geregelt. Da der europäische Emissionshandel bislang nicht zu einer drastischen Reduzierung der Treibhausemissionen geführt hat, scheint bezüglich der zu erwartenden ökologischen Auswirkungen auf Österreich Skepsis angebracht. Ob hier nicht durch die Hintertür eine grün angemalte Spekulationsblase mit frei gehandelten Zertifikaten als eine Form von «Aktienpapieren» geschaffen wird, gilt es in den kommenden Jahren zu beobachten.
Klimabonus-Gießkanne.
Fest steht, dass das Befüllen von Fahrzeugen an Tankstellen und das Heizen mit fossilen Brennstoffen ab Sommer für Privatpersonen teurer wird, da die Energielieferant_innen durch das neue Gesetz ermächtigt sind, die ihnen durch den Zertifikatehandel entstehenden Mehrkosten an die Verbraucher_innen weiterzugeben. Laut einer Berechnung des Momentum-Instituts wird mit Beginn der ersten Stufe (30 Euro CO2-Bepreisung pro Tonne) Diesel um 8,8 Cent pro Liter teurer, Benzin um 7,6 Cent pro Liter, Heizöl um 9,7 Cent pro Liter und Gas um 0,7 Cent pro Kilowattstunde. «Auf das Jahr gerechnet bedeutet das für Haushalte, die mit Gas oder Heizöl heizen, eine durchschnittliche Mehrbelastung von rund 130 Euro für die CO2-Steuer auf Gas und Heizöl. Für Autofahrer_innen bedeutet die CO2-Steuer zusätzliche Ausgaben von rund 140 Euro pro Jahr auf die CO2-Steuer auf Treibstoffe», so das Momentum-Institut.
Nun ist Österreich ein überdurchschnittlich auf den privaten, motorisierten Individualverkehr ausgerichtetes Land, mit gerade im ländlichen Raum schlecht ausgebautem öffentlichem Verkehr bei gleichzeitig problematischer Raumordnung. Es gibt oft kein «Leben der kurzen Wege», stattdessen unterschiedlichste Pendelstrukturen: vom Wohnort zur Arbeit, vom Wohnort zum Supermarkt, vom Kindergarten zur Arbeit und so weiter. Im urbanen Raum leben viele Menschen in Mietwohnungen. Sie haben keine Möglichkeit, die Beheizung ihres Hauses und somit ihrer Wohnung zu beeinflussen, sind aber dennoch davon betroffen, dass ihre Gasversorger zukünftig die durch den Zertifikatehandel entstehenden Mehrkosten nach unten weiterreichen werden.
Die Bundesregierung will mit einem «regionalen Klimabonus» Abhilfe schaffen. Der soll ab 1. Juli 2022, zeitgleich mit Einführung der CO2-Bepreisung greifen. Der Klimabonus kommt einerseits mit einem jährlichen Sockelbetrag von 100 Euro pro Person für Erwachsene und 50 Euro für Minderjährige. Den kriegen alle, egal wo sie wohnen. Zusätzlich gibt es, in drei Stufen gestaffelt, bis zu 100 Euro jährlich obendrauf. Je nachdem wo eine Person wohnt, wie gut die öffentliche Verkehrsanbindung ist und wie stark die erwartbare Belastung durch die CO2-Bepreisung, kann eine Person damit rechnen, insgesamt 133 Euro, 167 Euro oder 200 Euro zu bekommen. Es sei denn, die Person lebt in Wien. Wien ist, was das Finanzministerium als ein «urbanes Zentrum mit höchstrangiger ÖV-Erschließung» bezeichnet. Das bedeutet, hier gibt es keine Ausschüttung aus dem regionalen Klimabonus», sondern nur den Sockelbetrag von 100 Euro pro Jahr. Das haben die Ökonominnen Vanessa Lechinger und Eva Six vom Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) anhand von Daten der Statistik Austria errechnet.
Den derzeitigen Bonus hält Lechinger im Augustin-Gespräch deshalb nicht für genügend treffsicher. Er sei eine «Gießkanne», auf die Bedürfnisse der Mieter_innen werde nicht genügend eingegangen. «Menschen mit niedrigem Einkommen werden weniger Spielraum haben als bislang», so Lechinger. «Ein einkommensgesteuerter Bonus wäre gerechter. Einen solchen Bonus könnten alle Haushalte mit einem Haushaltseinkommen von bis zu 30.000 Euro bekommen. So würden einkommensschwache Haushalte entlastet.» Einen ergänzenden Vorschlag macht die Arbeiterkammer, die eine 50-prozentige Kostenbeteiligung der Vermieter_innen am CO2-Preis einfordert.
Unbelastete Luftfahrt.
Der mit der ökosozialen Steuerreform eingeführte Zertifikatehandel belastet Endverbraucher_innen, nicht aber die Luftfahrt oder die Schwerindustrie. Diese sind mit der Begründung ausgenommen, dass sie bereits am europäischen Emissionshandel teilnehmen und nicht doppelt belastet werden sollen. Andere Industrien wie zum Beispiel die Bauwirtschaft werden ab Juli 2022 jedoch erstmals durch die Auswirkungen des neu eingeführten Zertifikatehandels auf nationaler Ebene belastet. Deshalb hat die Bundesregierung für diese Unternehmen eine Reihe von Ausnahme- und Härtefallregelungen aufgelegt, «um die Wettbewerbsfähigkeit am Standort Österreich zu erhalten», wie die WKO zustimmend kommentiert.
Das ist nicht die einzige Entlastung für Großunternehmen und Wohlhabende. Im Gegenteil liegt hier ein Schwerpunkt des vorliegenden Gesetzespaketes. So bringt eine Reform des Einkommensteuergesetzes Senkungen der zweiten und dritten Steuerstufe, wodurch mittlere und höhere Einkommen entlastet werden. Laut Analyse des Momentum-Instituts profitieren die niedrigsten Einkommen überhaupt nicht davon, dafür aber 98,5 Prozent des höchsten Einkommensfünftels in Österreich.
Großkonzerne werden neben den oben erwähnten Härtefallregelungen mit einer Senkung der Körperschaftssteuersatzes von 25 auf 23 Prozent bedacht. Laut Schätzung des Momentum-Instituts gehen dem Staat dadurch zukünftig jährlich Einnahmen in Höhe von 774 Millionen Euro durch die Lappen. Das sei ein Zugeständnis an große und gewinnstarke Unternehmen, denn: «Nur knapp 3.000 Großunternehmen (1,9 Prozent der Unternehmen) lukrieren drei Viertel der KöSt-Steuerleistung.» Und genau diese würden von der Senkung am meisten profitieren.
Als Zuckerl hat die Bundesregierung in letzter Sekunde eine Erhöhung der Negativsteuer für Menschen mit derartig niedrigem Einkommen, dass sie keine Steuern zahlen müssen, eingeplant. Außerdem ist eine 150-Euro-Einmalzahlung für Arbeitslose, Mindestsicherungsempfänger_innen und andere sogenannte «Bedürftige» geplant. Sozial wird die Reform dadurch insgesamt betrachtet nicht.