«Es gibt Kräfte im Staat, die tun die Republik ausspionieren»
Normalerweise bringt der Augustin keine Politiker-Interviews. Ein Dogma, das auch unserer Mitarbeiterin Kerstin Kellermann nicht unbekannt war. Sie plädierte aber in diesem Fall für eine Ausnahme. Der grüne Nationalratsabgeordnete Karl Öllinger geriet wegen seiner Homepage «Stoppt die Rechten» aus der Sicht der FPÖ in die Rolle eines staatsfeindlichen Spions.
Foto: Christof Moderbacher
Stimmt es, dass Ihre Homepage «Stoppt die Rechten» ursprünglich aus Ihrer Tätigkeit als Sozialsprecher entstanden ist?
Als Sozialsprecher versuchte ich immer wieder die Inhalte, die als soziales Profil der FPÖ gehandelt werden, zu demaskieren. Ich beschäftige mich mit den Positionen der sogenannten Sozialen Heimatpartei, weil wir in unserer Arbeit im Sozialausschuss und Gesundheitsausschuss des Parlaments unmittelbar mit den Anträgen der FPÖ konfrontiert waren. FPÖ-Politiker Kickl forcierte Themen, wie eine «nationale Sozialpolitik». Was bedeutet: Wir machen nur Sozialpolitik «für unsere Leut’». Der Versuch, so etwas wie ein nationales soziales Programm zu entwickeln, kommt von Kickl. Was die Freiheitlichen immer geliefert haben, war eine katastrophale Haltung gegen internationale Programme, wie die ILO zum Beispiel. Abkommen, die für die Beschäftigten Vorteile bringen, lehnten die Freiheitlichen mit großer Ignoranz ab, weil sie von der EU kämen.
Gab es einen konkreten Anlass, die Homepage zu machen?
Der unmittelbare Anlass, meine Seite «Stoppt die Rechten» zu gründen, war der, dass eine bedeutende Nazi-Seite aus Österreich heraus betrieben wurde – nämlich die Alpen-Donau-Seite, über die u. a. auch Nationalratspräsidentin Prammer bedroht wurde. Es wurde wild gehetzt. Eklatant war, dass die Alpen-Donau-Homepage anscheinend sehr gute Beziehungen zur FPÖ gehabt haben muss – und ich wollte denen auf die Spur kommen. Das war ein Grund, warum ich den mir damals völlig unbekannten Datenforensiker Uwe Sailer angerufen habe. Im Gespräch mit ihm war ich komplett baff, weil er so viel wusste. Ich wusste damals nicht, dass er von Beruf Kriminalbeamter ist. Meine Konversation mit ihm, die über Mails lief, eignete sich dann irgendwie die FPÖ an.
Herr Strache ging eines Tages an das Rednerpult im Parlament, das war im Juli 2010, und sagte, es gibt den größten Spitzelskandal in der Zweiten Republik (lacht)! Dieser Skandal betreffe den Öllinger «mit seinen Verbündeten im Verfassungsschutz und im Innenministerium!» Es gäbe Kräfte im Staat, die tun die Republik ausspionieren, so denunzierte mich Strache. Das Verblüffende für mich war: Herr Strache geht am Morgen an das Rednerpult und am Abend des gleichen Tages gibt es bereits einen Untersuchungsausschuß gegen mich. Niemand konnte oder wollte sich dem Druck verweigern. Eigentlich ein unglaublicher Vorgang. Die folgenden Monate waren schon sehr heftig. Die Anzeigen der FPÖ bei der Staatsanwaltschaft wurden alle eingestellt. Aber Uwe Sailer wurde vom Dienst suspendiert, die Disziplinaranzeige gegen ihn erst zwei Jahre später eingestellt. Es kam all das zusammen, die Bedrohungen gegen Politiker_innen und der Untersuchungsausschuss in einem entscheidenden Moment …
Was meinen Sie mit entscheidendem Moment?
In den Tagen, bevor sich die FPÖ meine Mails gekrallt hat, gab ich der Tageszeitung Kurier eine Geschichte, die sie ausrecherchierte, dass es nämlich Kontakte zwischen Alpen-Donau, FPÖ und einer deutschen Neonazi-Seite gibt. Diese deutsche Homepage veröffentlichte ein Fax, und als Absender war die private Telefonnummer von Markus Gudenus, Referent beim Strache, zu erkennen. Der Kurier schob die Geschichte von einem Tag auf den anderen. Mir war das sehr unangenehm. Denn ich wusste, dass die FPÖ weiß, dass ich hinter ihnen her bin. Die Kurier-Geschichte erschien dann erst, als das FPÖ-Spektakel gegen mich in vollem Gange war, und ging völlig unter. Ich wusste, dass die FPÖ etwas gegen mich inszenieren wird, aber ich habe nicht mit so etwas Massivem gerechnet. Wir reagierten mit unserer eigenen Homepage, denn wir dachten, wir müssen diese Auseinandersetzung auf eine andere Grundlage stellen.
Hatten Sie damals den Eindruck, die Polizei kümmere sich zu wenig um Rechtsextreme und Neonazis und deren Verbindungen?
Wir erfuhren später, dass der Sohn eines nicht gerade kleinen Beamten des Verfassungsschutzes bei der Alpen-Donau dabei war (lacht). Dieser Beamte war für Observation zuständig. Aber es gab noch andere Schwierigkeiten. Ein Herr namens David Duke tauchte auf. Er war in den USA ein führender Ku Klux Klan-Mann und finanzierte in den 2000er-Jahren Betreiber von verschiedenen Seiten mit antisemitischen Inhalten. Er war eventuell auch Finanzier von Altermedia, einem großen internationalen Netzwerk von Neonazi-Seiten. In jedem Land gab es Altermedia. Die liefen über seine Server. David Duke lebte jahrelang in Zell am See, völlig ignoriert betrieb er seine antisemitische Hetze weltweit. Ich hatte Fotos von ihm in Zell am See. Auf youtube findet man nach wie vor seine Beiträge. Die Wiener Kultusgemeinde zeigte ihn an. Der ORF filmte David Duke in Zell am See. Dann wurde der Chef vom Verfassungsschutz, der noch immer der Chef ist, zu dem Thema gefragt – und der meinte, David Duke habe noch nie etwas in Österreich gemacht und werde auch nichts machen (lacht). Die Anzeige der Kultusgemeinde wurde eingestellt; die war jahrelang hinter ihm her gewesen. Ich fand heraus, wo in Österreich David Duke lebte, weil er seine schwülstigen Acryl-Bilder über Internet verkaufte.