Österreich isst Raiffeisentun & lassen

Konrad macht den Zucker Aspekte der Raiffeisen-Dominanz (Teil 6)

Wenn an dem Kalauer etwas dran ist, dass der Mensch ist, was er isst, dann erscheint in jedem Österreicher, in jeder Österreicherin Raiffeisen. Niemand kommt in diesem Land bei der Nahrungsaufnahme um Produkte aus dem Reich des Giebelkreuzes herum. Zu allgegenwärtig ist die Präsenz der Genossenschaft und ihrer Tochterunternehmen in der agrarischen Produktion, im Großhandel und der industriellen Verarbeitung von Nahrungsmitteln, als dass man überleben könnte, ohne an sie anzustreifen.

Zwar lebt der Mensch nicht von Brot allein; aber es hat weiterhin einen zentralen Stellenwert in der Ernährung der meisten Individuen. In der unmittelbaren Versorgung mit Brot und Gebäck durch Bäckereigewerbe und Industrie spielt Raiffeisen, vom einschlägigen Umsatz in den Endverbrauchermärkten der Lagerhauskette abgesehen, keine Rolle. Dafür hat der Konzern nahezu ein Monopol beim Aufkauf der Getreideernten und ihrer Verarbeitung in den Mühlen des Landes. Auf seiner Homepage trumpft der Raiffeisenverband damit auf, dass die Raiffeisen-Lagerhausgruppe für die «Übernahme und Verwertung von zwei Drittel der Getreideernte und anderer Feldfrüchte» sorgt.

Was unter Übernahme zu verstehen ist, liegt auf der Hand: Es geht um den Ankauf der Ernte von möglichst viel Körndlbauern. Sie verfügen im Gegensatz zu den Milchbauern, bei denen zahlenmäßig nach wie vor Kleinbetriebe mit ihrer Sorge um den fallenden Erzeugermilchpreis dominieren, in der Regel über größere Betriebe und ausreichend Stehkraft, um sich nicht mit Haut und Haar der Genossenschaft auszuliefern, die sich der «Übername von 95 Prozent der in Österreich angelieferten Milch» rühmt.

Damit die Bäume nicht in den Himmel wachsen und die Körndlbauern nicht zu viel fremdgehen, hat Raiffeisen jedoch darauf geachtet, möglichst viele Mühlen zu beherrschen, die das Getreide zu brauchbaren Rohstoff (diverse Mehlsorten, Gries usw.) für Nahrungsmittelgewerbe und -Industrie verarbeiten. Die Mühleninteressen von Raiffeisen sind weitgehend in der Leipnik Lundenburger Beteiligungs AG gebündelt, an der allein die Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien eine Beteiligung von 56,8 Prozent hält.

Auf der schlecht gepflegten Homepage, in der auf eine angealterte Bilanz Bezug genommen wird, reiht der Konzern sich im Mühlenbereich unter die «Top Five der Welt» und bezeichnet sich als Marktführer in Europa. Zur heimischen Präsenz heißt es wörtlich: «In Österreich betreibt die LLI Euromills mit der Ersten Wiener Walzmühle in Schwechat die größte Mühle des Landes. Sie verfügt über eine tägliche Verarbeitungskapazität von 450 Tonnen Weizen, 110 Tonnen Roggen und 130 Tonnen Hartweizen (Durum). Die seit 1771 bestehende Farina-Mühle in Graz wurde von der LLI im Jahr 2000 übernommen. Die von der ebenfalls im Jahr 2000 akquirierten Tochtergesellschaft Schmid-Mühle Betriebs GmbH (nunmehr Rannersdorfer Bio Mühlen GmbH) geführte Bio-Mühle Rannersdorf hat sich bereits vor mehr als 25 Jahren auf die Verarbeitung von Biogetreide spezialisiert. Im Rahmen eines 50/50-Joint Ventures mit der Tiroler Rauch-Mühle wird die Fritsch & Rauch Mühle in Salzburg bedient. In Summe wird mit den genannten Produktionsstandorten ein Marktanteil von rund 26 Prozent erreicht und damit die führende Stellung in Österreich eingenommen.»

Nur mehr e i n Zuckerbaron

Führende Stellung ist gut; totale Marktbeherrschung ist besser! Auch damit kann die LLI dienen. Und zwar über eine Minderheitsbeteiligung an der Agrana, die über diverse Töchter zu 100 Prozent in Raiffeisen-Hand ist und (neben der Produktion von Stärk- und Fruchtsaftkonzentrat) die gesamte Zuckerindustrie beherrscht. In den 70er und 80er Jahre wurden die Industriellen der Branche in der KPÖ-Tageszeitung «Volksstimme» wegen ihrer feudalen Macht und den offenkundigen Absprachen bei Preiserhöhungen als Zuckerbarone bezeichnet.

Unterdessen existiert mit Generalanwalt Christian Konrad nur mehr ein Exemplar dieser Spezies: Die gesamte Erzeugung von Zucker in Österreich wurde in der Hand von Agrana konzentriert und die Zahl der Produktionsstätten von sieben auf zwei reduziert. Abgesehen von den Kontrakten mit den Rübenbauern hält die Agrana von der Zucht der Zuckerrübensamen bis zur Portionsverpackung von Zucker alles in einer Hand, was mit diesem Geschäftsfeld zusammenhängt.

Bei der europäischen Zuckerindustrie handelt es sich um eine Anormalität, weil Zucker in anderen Regionen aus Zuckerrohr statt aus Zuckerrüben wesentlich ökonomischer erzeugt wird. Die Interessen dieser Industrie an der Aufrechterhaltung des vor Importen weitgehend geschützten europäischen Zuckermarkts bewirkt deren enge Zusammenarbeit in den EU-Staaten mit Zuckerrübenanbau. In dem Sinn ist Konrad nicht nur Aufsichtsratsvorsitzender der Agrana, sondern sitzt auch im Aufsichtsgremium der deutschen Südzucker und der französischen Saint Louis Sucre.

Abgesehen von der Milchverwertung, die in einer eigenen Folge behandelt wird, existiert ein breites Netz von Unternehmensbeteiligungen, das die Raiffeisen-Kernbereiche speziell Landesbanken und Zentralbank im Nahrungsmittelbereich aufgebaut haben. Hans Weiss schreibt im «Schwarzbuch Landwirtschaft», dass die einzelnen Landesbanken «weltweit an mehr als tausend» oder in manchen Fällen «an rund tausend Firmen» beteiligt sind. Das Eigentum der Giebelkreuzler beschränkt sich nicht bloß auf Renommierprojekte wie das Looshaus am Michaelerplatz oder eine knapp über 40-prozentige Beteiligung am Baukonzern Strabag, der wie Raiffeisen im europäischen Osten besonders aktiv ist.

Vom Gulasch bis zum Fisch

Hand aufs Herz! Hätten sie gedacht, dass Raiffeisen bei Do & Co, dem Demel-Betreiber und Formel-1-Carterer, bei Inzersdorfer, bei Kellys und den Salinen das Sagen hat? Der Arm des Konzerns reicht überdies in sämtliche Ebenen der Gastronomie: Mit Cerny als Fischlieferant, Gourmet Cartering Service für die Betriebskantinen, Kantera als Anbieter von Kärntner Rohrwurst-, Speck- und Nudelspezialitäten, Landhof als bedeutender Wurst- und Schinkenhersteller, Loidl als Salami- und Rohwurstspezialist … Gebündelt sind diese Aktivitäten in der Vivatis Holding, die sich «als führenden Hersteller von Nahrungsmitteln in Mitteeuropa» betrachtet. Gleichgültig in welchem Bereich Österreich ist Raiffeisen längst zu klein geworden. Der Konzern agiert jenseits der Grenzen und ist in der Expansion der Europäischen Union regelmäßig um eine Nasenlänge voraus.