«Offen für alle Habibis»vorstadt

Lokalmatadorin

Rosa Bergmann leitet die Hobby Lobby, die sozial benachteiligten Kindern in Wien hilft.

TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG

Das Lokal Zweitbester in Margareten ist auch an diesem Freitagvormittag ihre erstbeste Wahl. Es erlaubt ihrer wenige Wochen alten Tochter Luna, noch ein wenig auszuruhen. Das ermöglicht wiederum ihr, uns in aller Ruhe diese schöne Geschichte zu erzählen.
«Ja, ich bin schon sehr happy, wie sich die Dinge entwickelt haben», eröffnet Rosa Bergmann. Vor drei Jahren hat sie die ­Hobby ­Lobby gegründet, mit vier Gleichgesinnten. «Unser Ziel war damals wie heute, möglichst vielen jungen Menschen eine faire Chance auf eine ganzheitliche Bildung zu ermöglichen.»

Freiheit.

Die private Initiative holt Schüler:innen dort ab, wo das öffentliche Bildungssystem mit seinem Latein am Ende ist – nach der letzten Schulstunde. Ihr ­Angebot reicht von Kickboxen und Fußball über Streetart bis zu Französisch- und Spanisch-Lernen. Auch im neuen Schuljahr gibt es ­wieder sechzig Kurse, im Bezirk Landstraße, in Favoriten, ­Ottakring und in der Brigittenau.
Den Namen Hobby Lobby haben die Kids miterfunden. Oft sagen sie: «Kein Bock auf Couch.» Noch öfter fragen sie: «Habibi, bist du hobbylos?» Die Initiatorin lächelt: «Wir sind offen für alle Habibis.»
Auch ihre Tochter blinzelt kurz. Eine gerechtere Welt ist Rosa Bergmann wichtig. Selbst durfte sie ausgewählt gute Bildungseinrichtungen besuchen. Das akademische Gymnasium erst, die Modeschule in Hetzendorf dann, wo sie auch maturiert hat.
«Prägender», betont die Tochter einer Theaterregisseurin und eines Malers im nächsten Atemzug, «war für mich aber das Außerschulische.» Und da gab es einiges: Fußball, Chor, Klavier, vor allem die Tanzwerkstatt in der Goldeggasse. «Dort war ich jeden Mittwoch. Die ganze Woche habe ich mich darauf gefreut.» Beim Tanzen hat sie auch ihr erstes Ehrenamt übernommen.
Als Assistentin der Geschäftsführung einer Naturkosmetikvertriebsfirma konnte sich Rosa Bergmann ihr Volkswirtschaftsstudium an der WU zum Teil selbst finanzieren – und erste berufliche Erfahrungen sammeln.

Freizeit.

Die Betreuerin ihrer Bachelor­arbeit (über Bildungserwartungen zweisprachiger Migrant:innen) hat ihr von der Möglichkeit erzählt, als junge Akademikerin im Rahmen der Initiative Teach for Austria selbst an eine ­Schule zu gehen und dort zu unterrichten.
Mit 21 begann Rosa Bergmann, als Fellow in einer Mittelschule in Liesing zu arbeiten. Dort entstand auch die Idee zur Hobby Lobby. Sie erinnert sich an eine kreative Schülerin, die sich im Nachmittagsunterricht fadisiert hat: «Die Kinder konnten dort nur ihre Hausübungen machen und ein bissl Ball spielen.» Den Vorschlag, «so wie ich als Kind einen Kurs zu besuchen», muss die junge Kreative kategorisch ablehnen: «Das kostet zu viel.»
Heute weiß die Lobbyistin: «Für die Kinder, mit denen ich zu tun habe, zählt jeder Cent.» Auf ihre Frage an die Community von Teach for Austria, ob jemand Lust hätte, mit ihr gemeinsam ein neues Nachmittagsangebot zu ­schaffen, melden sich vier Fellows.
Mit 7.000 Euro aus dem ersten Crowdfunding legen sie im März 2019 los: Das Geld reicht für die Miete eines Raums eines Zwischennutzungshauses am Kempelenpark – und für die ersten sieben Nachmittagskurse. Hundert Kinder nehmen daran teil, dank einer Kooperation mit der Mittelschule in der Quellenstraße.
Heute gibt die Hobby Lobby sieben Menschen in Wien Arbeit, weiteren sechzig Kursleiter:innen ein Ehrenamt, weiteren dreißig Jugendlichen als Youth Leader die Chance, als Persönlichkeiten zu reifen.
Damit macht die Hobby Lobby auch Hausaufgaben der Ressorts für Jugend, Soziales und Bildung. Nachhaltig finanzieren kann sich dieses Projekt jedoch nur dank Stiftungen, Preisgelder, Sponsor:innen und privater Spenden.

Freiraum.

Langsam kommt Leben in das ­kleine süße Gesicht ihres Babys. Die ­junge ­Mutter erzählt noch schnell von den ersten großen Karrieresprüngen der Youth Leader, die sie in ihrer Arbeit bestärken. Etwa von dem ­heute 16-jährigen Buben, dessen ­Familie aus ­Serbien stammt: «Er hat unseren ersten Streetart-Kurs besucht, hat sich viel selbst beigebracht. Mittlerweile leitet er Kurse. Nach seinem ­Wechsel ins Gymnasium möchte er nun Chirurg werden.»
Die nächsten Schritte beschreibt Rosa Bergmann so: «Wir wollen unser Angebot ausweiten, auf möglichst viele Standorte, wollen im Rahmen von Social-Franchise-Projekten mit anderen Vereinen kooperieren.» Seit Kurzem gibt es die Hobby Lobby auch in Innsbruck und Mödling.
Ihre Vision: «Dass es uns eines Tages nicht mehr braucht.» Noch steckt man aber wie ihre Tochter in den Kinderschuhen: «Wir werden überrannt. Es gibt Wartelisten.»

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