was immer gerade die regel:
die eigen-art zählt –
und beuge ich
mich
nicht.
Aus dem Gedicht «eigene wege»
Bewegt sich die Zeit einer Linie entlang oder ist sie ein kreisförmiges Phänomen? Sehen wir die Abfolge der Jahreszeiten, wiederholt sich ein Kreislauf. Betrachten wir das/unser Leben gibt es einen klaren Anfangs- und Endpunkt, zwischen denen selten eine Gerade, meistens krumme oder verschlungene Linien verlaufen. Dazwischen Punkte des Innehaltens als ob die Zeit eingefroren wäre. In Christl Grellers neuem Gedichtband und fließt die zeit wie wasser wie wort ist Zeit in allen «Aggregatzuständen» präsent, es geht um sich Änderndes, Bleibendes, Wiederkommendes. In physikalischer Terminologie bleibend – auch das im Titel vorkommende Wasser findet sich in den Gedichten in fester Form (etwa eissee 8), flüssig wie in tiefgestapelt («wie bewegend dieser strom, der sich tiefstapelnd kanal / nennt. …») und gasförmig z. B. in weißes verschwimmen («… / nebel, zärtliches gespinst, dämpfender / nornenschleier. / …»).
100 Gedichte – «eine gute Einheit» wie Christl Greller meint – sind in dem Band gesammelt. Angelika Kaufmann*, vielen als Kinderbuchautorin und -illustratorin bekannt, steuerte abstrakte Schwarzweißzeichnungen bei. Die Poeme sind reimfrei, in zartem Ton, der nichts postuliert, und der Empfindungen und Gedanken der Autorin nachspürbar macht. Bei aller Offenheit und Fragilität der Sprache ist Christl Grellers Ausdruck sehr klar. Allein ein Wort wie «nebel-tüll» (auwald-herbst) ruft ein anschauliches Bild einer Naturszene hervor.
Den Abschluss des Bandes bildet übrigens der Zyklus Gesichter () einer Stadt, der AUGUSTIN-Leser_innen 2018 auf der Aufschlagseite des dichter innenteils durchs Jahr begleitete.
*Von Lisa Bolyos in AUGUSTIN Nr. 436 porträtiert
Christl Greller: und fließt die zeit wie wasser wie wort
edition lex liszt 12, 2019
112 Seiten, 18 Euro