Offener EinspruchArtistin

Betrifft: Zahlungsbefehl der Bank Austria

Am 26. 11. 1998 wurde dem bekannten Wiener Zettelpoeten Helmut Seethaler ein richterlicher Zahlungsbefehl der Bank Austria zugestellt. Die eingeforderte Summe: 19.000 Schilling. Wie es seine Art ist, erhob der Künstler dagegen am 8. 12. öffentlich Einspruch – wie folgt:Ich habe oft gebeten, Verständnis für einen armen Künstler zu zeigen. Gebeten, es als Künstler-Förderung anzusehen, mir VORERST die Schuld zu erlassen – bis ich nicht nur berühmt wie jetzt bin, sondern auch reich genug, um mir die hohen Minuszinsen zu leisten.

Es ist nicht gelungen, mit Euch zu reden. Ich habe nichts. Weniger als nichts. Viele unbezahlte, unbezahlbare Rechnungen. Kürzt mich aufs Existenzminimum. Aber ich hab ja schon weniger als das.

Hab Erbarmen, oh Du reichste Bank Austrias, mit einem armen Künstler Austrias.

Komm, oh Du Bank DU, die Du vorgibst, die Kunst zu fördern, und vernichte einen Künstler so wie es die Wiener Linien bereits mit 1253 Anzeigen und Strafen versuchen, weil ich in U-Bahnstationen meine Zettelgedichte anklebe…

Ja, natürlich bist Du, Du mächtigste Bank des Landes, im Recht (der Mächtigen und Reichen).

Ja, Du borgtest mir einmal 10.000 S und ich hab mehr zurückgezahlt als ich ausborgte: Aber noch immer waren Raten offen und seit zwei Jahren kann ich nicht mehr zahlen.

Nun ist die Schuld doppelt so hoch wie das, das ich mir borgte. Eure Zinsen und Mahnungen, Eure Anwaltskosten und nun die Klage- und Gerichtsgebühren tragen bei zur Unbezahlbarkeit.

Ihr lebt von diesen Methoden, andere sterben daran. Ganze Staaten treibt man so in immer größere Abhängigkeit.

Wenn ich monatlich 400 S an Euch zahle, wäre damit nur gesichert, daß ich monatlich 400 S an Euch weiterzahlen muß bis ans Lebensende, ohne daß sich die Gesamtschuld verringert… Ich hab auch diese 400 S nicht. Es reicht auch ohne Eure Gier nicht mehr zum Leben.

Was habt Ihr davon, mich zu ruinieren? Kommt und pfändet mich: Es ist aber nichts da für Euch. Nur viele, viele Zettelgedichte. Ihr seid doch schon reich genug! Und bin ich nicht schon arm genug?

Meine drei kleinen Töchter haben auch nichts für Euch. Kommt, Ihr großen Banker, und packt das Leben eines kleinen Künstlers ein. Komm, oh Du größte Bank Österreichs, die Du die Künstler förderst, und fordere von einem Künstler seine Existenz.

Nun muß ich öffentlich um Hilfe rufen. Ob das in Eurem Sinne ist? Aber mit Euch zu reden war nie möglich. So bleibt mir nur dieses laute Jammern. Ihr habt mich geklagt. So muß ich nun darüber klagen.

P.S.: Die amtlichen Kunstvandalen der Wiener Linien danken es Euch. So haben sie einen Partner, mit dem es nun gelingen wird, Wiens Straßen und Stationen LITERATURFREI zu halten.

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