Solidarische Abenteurerinnen und Abenteurer (2)
In den armen Ländern des Südens agiert eine Unzahl von «Entwicklungszusammenarbeits»-Projekten, die die Abhängigkeit des Südens vom kapitalistischen Westen vergrößern. Im Schatten dieser weißen Pseudosolidarität wirken Menschen, die weder Staaten noch Kirchen noch Konzerne noch Medien hinter sich haben, sondern auf der Basis ihrer Empathie und persönlichen Hilfsbereitschaft handeln. Hans Bogenreiter stellt im Augustin gelegentlich solche «solidarischen Abenteurer_innen», we er sie nennt, vor. Seit 2001 betreuen Herta und Peter Suchy Hilfsprojekte bei den Qero in Peru.
Foto: Suchy
Die Qero sind Nachfahren der Inkas, insbesondere in der Comunidad (Dorfgemeinschaft) Japu. Die Dörfer der Qero befinden sich in den Anden auf bis über 4000 Metern Seehöhe, die bis vor kurzem nur über einen Bergpfad über mehrere ca. 5000 Meter hohe Pässe erreichbar waren. Für eine Reise nach Cuzco benötigten die Qero früher mindestens zwei Tage, heute dank einer neuen Straße nur mehr einen Tag. Trotzdem ist immer noch ein Fußmarsch von mindestens fünf Stunden über einen hohen Pass notwendig.
Herta Suchy erzählt mir, wie sich der Kontakt zu den Qeros ergeben hat: «Ich pflege immer zu sagen, Zufälle gibt es nicht – aber für dieses Mal mache ich vielleicht doch eine Ausnahme. Eine ehemalige Freundin hatte mir ein Buch einer US-amerikanischen Psychologin mit dem Titel ‹Die Rückkehr des Inka› empfohlen. Erst der zweite Teil hat mich richtig gefesselt und nicht mehr losgelassen. Darin wird der Anthropologe Juan Nunez del Prado, den wir zufällig 1999 in Wien im Zuge eines Vortrages kennen lernten, erwähnt. Die Forschungsergebnisse seines Vaters Oscar hatten 1963 zur Befreiung der Qeros aus der Sklaverei von Hacienderos durch den Staat geführt. Juan erzählt in diesem Buch über das einfache Leben der Qeros. Das entfachte ein besonderes Interesse in mir. Zwei Jahre später, 2001, war es dann so weit. Peter und ich trafen in Cuzco ‹zufällig› drei Qeros, leicht zu erkennen an ihren selbstgestrickten und mit weißen Perlen besetzten Mützen. Sie luden uns gleich in ihr Dorf ein, das wir erst nach zwei Tagen erreichten: acht Stunden auf der Ladefläche eines LKWs voller Menschen, auf staubiger Schotterstraße über den 5000 Meter hohen Huayna-Huaya-Pass, eine eiskalte Nacht in einer stallähnlichen Baracke in Coline, danach acht Stunden Fußmarsch über den 5000 Meter hohen Kimsa-Cocha–Pass nach Japu Grande, der Hauptsiedlung der Qero.»
Bei seiner ersten Begegnung mit den Qero 2001 hat das Ehepaar Suchy keine Gedanken an eine Zusammenarbeit verschwendet. Die so schwer erreichbare und einsame Gegend, fernab von jeder Infrastruktur, erschien den beiden Österreicher_innen nicht weiter verlockend. Erst zu Hause, als sie das Erlebte Revue passieren ließen, wurde für beide klar: Wir müssen helfen. So begann eine Zusammenarbeit, die nun schon fast 15 Jahre andauert. Viele Menschen aus der Siedlung sind Freunde geworden. Ist in dieser Situation überhaupt an ein zeitliches Ende des «solidarischen Abenteuers» zu denken?
«Nachdem unsere Projekte unter dem Motto Hilfe zur Selbsthilfe stehen», meint Peter Suchy, «wird der Zeitpunkt kommen, wo die Menschen dort ohne weitere Hilfe und Unterstützung zurechtkommen. Natürlich haben sich viele enge Beziehungen und Freundschaften entwickelt, wir haben die Patenschaften von zwölf Hochzeitspaaren und von über 100 Kindern – als Art Treuhänder_innen von Spender_innen – übernommen. Wir werden daher, so lange wir physisch dazu in der Lage sind, immer wieder zu den Qeros zurückkommen.»
Eine Auswahl der bisher umgesetzten Hilfsleistungen: der Ankauf von Alpakas als Grundlage für die Weiterzucht; die Errichtung von Kleinwasserkraftwerken, die elektrischen Strom für die Dörfer Japu und Yanaruma liefern; eine Radio-Tele-Kommunikationsanlage; Gewächshäuser für eigenes Gemüse und Trinkwasserleitungen bzw. Wasserentnahmestellen; Solar-Duschen, Solar-Kocher, ein Kleinsägewerk und Lehmöfen für 67 Haushalte.
Zu Letztgenanntem: Man muss wissen, dass die Qero-Häuser meist nur aus einem einzigen fensterlosen Raum bestehen, mit einer offenen Feuerstelle, ohne Rauchabzug. Wenn gekocht wird, füllt sich der Raum mit Rauch, worunter besonders die Lungen der Kinder leiden. 2013 organisierten Herta und Peter Suchy effiziente Abhilfe: In Workshops zeigten professionelle Ofenbauer den Qero, wie man Öfen aus Lehmziegeln errichtet und bedient. Die für 67 Haushalte benötigten Herdplatten und Ofenrohre mussten mühsamst hertransportiert werden. Beim ersten Versuch blieb der vollbeladene Lastwagen auf einer Höhe von 4200 Metern in den Schneemassen stecken. Beim zweiten Anlauf schaffte der LKW auch den 4800 Meter hohen Riti-Casa-Pass. Der Hauptort Japu liegt auf etwa 3750 Meter Höhe.
Alle laufenden Hilfsmaßnahmen werden fast ausschließlich durch private Spenden finanziert. Herta und Peter Suchy bezahlen ihre Aufenthalte in Peru aus eigener Tasche und haben auch den mit 5000 Euro dotierten Neptun-Wasserpreis 2007, den sie für die Errichtung der Wasserleitung in Japu erhalten haben, in ihre Projekte investiert.
Website: www.qero.at
Spendenkonto: Ing. Peter u. Herta Suchy, BAWAG, IBAN: AT36 1400 0042 1005 4141, Kennwort «Qero»