Ohren-Shoppen im ModecenterArtistin

Wo ist hier das Modecenter? David Gruber & Beisitzer (Foto: © Mario Lang)

Musikarbeiter unterwegs … in ein lautes neues Glück

Wonnemonat Mai? Die Band Modecenter macht mit ihrem neuen Album «Altes Glück» Freund:innen schärferer Musik ein trans-saisonales Glückseligkeitsangebot.

Ein Aspekt meines Haupt-­Berufs als Trauerredner ist, dass sich bei den Fahrten mit den Öffis zu den Friedhöfen dieser Stadt Wien immer wieder anders zeigt. Vom Sinnieren über die Mikro-Soziologien mancher Bus- oder ­Straßenbahnlinien bis zum Nachdenken über die teils kata­strophalen ­Kommunikationsstrategien der Wiener Linien, oder die Frage, ­warum der öffentliche Verkehr noch immer kostenpflichtig ist – fad wird es nie. Und sowieso, das führt (auch) durch belebte (?!) Gegenden und Straßenzüge, wo mensch, mit Verlaub, nicht einmal begraben werden möchte. Und selbst ohne mitgebrachtes Buch gibt es immer viel zu lesen, wie ­wunderbare, oft rätselhafte und prägnante Straßennamen. Zum Beispiel Modecenterstraße. Von der haben Modecenter den Bandnamen.

«Der Menschheit nichts verzeihen»

David Gruber, Gitarre und Stimme, lässt im Gespräch die Geschichte der Band ­Revue passieren, mit Schlagzeuger ­Hannes ­Gruber ist er seit der Bandgründung dabei. 2019 veröffentlichten Modecenter eine erste Kassette, mode für jung und alt, mit der sie das Textilthema auch in ­ihren Liedertiteln verwendeten – «schuhe», «socken», «bluse», «hemd», «und hose» – und das aufmerksame Beobachter:innen des vielfältigen Wiener Klanggetriebes schon damals aufhorchen ließ. Spätestens mit dem Debüt-Album Modecenter, im Juli 2021 beim Label Numavi Records verlegt, bekam die Band einige – verdiente! – Aufmerksamkeit, das Magazin The Gap sprach gar vom «besten österreichischen Postpunk-Album». Superlative tun im Land der Verkürzungs-/Abkürzungs-/Schleichwege-Weltmeister:innen immer gut, und die Hitdichte von Opener «Deceit» bis zum abschließenden «Mind Eraser» ist wirklich nicht zu verleugnen. Christian Schachinger, einer der wenigen Schreibenden hierzulande, der von Musik grundlegende Ahnung hat, ­brachte in Der Standard Iggy & The Stooges und The Birthday Party (mit Nick Cave, als der noch nicht staatstragend war) ins Referenz-Spiel. Kurzum, für Menschen, die ihre Musik nicht bieder, gefallsüchtig und lieb wollen, sperrig und nicht mit dem ersten Hören wieder aus dem Sinn, waren und sind Modecenter ein Geschenk. Das Mini-Album Peace hielt mit seinen fünf Songs, im November 2022 erschienen, mindestens das Niveau, aber da hatte die Pandemie unser aller Lebens- und Bandgeschichten schon – bis heute – aus dem Leben as it used to be geseucht.

«… und tief im Rausch blas ich mich aus»

Mittlerweile bei Siluh Records gelandet, mit Arthur Darnhofer-Demàr am Bass und Matea Bosak an der ­Gitarre in neuem Line Up ist Altes Glück ein weiteres Highlight der Modecenter-Geschichte. Acht Stücke, die einem das Album in einer musikübersättigten Zeit als zu kurz vorkommen lassen, weil es so gut und dicht ist, dass mensch dringend mehr will. Mit verstärkt deutschen Texten sind die Denkhappen, die diese Musik so großzügig verstreut, noch greifbarer, fordernd im Sinne davon, dass sich nicht wie sonst hierzulande üblich und als tiefsinnig affirmiert, wiederholt ans Herz gegriffen wird, wenn von Liebe die Rede ist. Der Sound, mit Werner Thenmayer im Elephant West Studio umgesetzt, ist schlicht eine Wucht. Play loud ein Imperativ, dem sich zu folgen lohnt. Erklärbären ihrer Musik sind im Gespräch weder David noch Hannes, was an deren ungeheurer Souveränität nichts ändert. Ich muss bei Modecenter dauernd an The Jesus Lizard denken, was genau natürlich nicht stimmt, aber die waren halt auch so eine geile, originäre Band. Bedenkenswert, dass Modecenter ihren Ursprung darin haben, neben den sich parallel personell überschneidenden Loather (sehr geil: www.loathermusic.bandcamp.com/album/eis) weniger konzeptionell, «freier», unbe­schwerter zu arbeiten, Musik zu machen. Dass dabei aber abermals so eine ­geschlossen (im Sinne von, die wissen was sie tun und wollen) daherkommende Musik entsteht, die das Auseinandersetzen lohnt, ein Glück – kein altes, sondern ein seltenes. Am 10. Mai präsentieren Modecenter ihr Album gemeinsam mit Leber (spitzen Bandname!) und Vent!l im Das Lot (10., Absberggasse 31). Zu «Dreck», einem der stärksten Stücke des Albums, gibt’s ein Video, sprich Modecenter are out there and can be found. Und ich kenn den Weg nach Simmering!

 

Modecenter: Altes Glück
Siluh Records, ab 10. Mai
www.modecentersucks.com