Roman
Großmutter kommt aus Russland und hält sich mit Diktatorenrussisch und einem Sack voller Ressentiments in Deutschland über Wasser. Selbstredend hält sie hier alles für Unfug: das Essen, die Erziehung, das Bildungssystem, die Hygiene, überhaupt: die
Leute. Ihren Enkel, den sie nur Mäxchen nennt, hält sie – bei aller (Über-)Fürsorge – für geistig und körperlich krank bzw., in ihrer Sprache, zurückgeblieben. Darum nennt sie ihn auch abwechselnd Kopffüßler, Einzeller, Idiot, Krüppel, Schwachkopf und was der Kosenamen mehr sind. Mäxchens Großvater ergeht es in der Empfangnahme von Diminutiven nicht viel besser, etwa wenn sie ihn ermahnt: «Pass auf den Jungen auf, du Henker!» Als der sich in die ersatzweise Aufpasserin und stellenweise Klavierlehrerin von Mäxchen verliebt und ein Kind mit ihr macht, gerät das restriktive Ordnungssystem der Großmutter etwas in Unordnung. Alina Bronsky gelingt hier einmal mehr – wie bereits in ihrem Debüt Scherbenpark oder in Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche – eine rasante, abgründig aberwitzige Erzählung, die durch die Perspektive des Enkels und seine kindliche Wahrnehmung noch an Aberwitz gewinnt. Ein Heidenspaß, aber Vorsicht: Der Zopf meiner Großmutter ist für Zartbesaitete eher ungeeignet!
Alina Bronsky: Der Zopf meiner Großmutter
KiWi-TB 2020
216 Seiten, 11,40 Euro