Outdoor-Spirit unterm Dachvorstadt

Aus Skater_innenperspektive scheint die Stadt ein Abenteuer zu sein, auf das man sich in der skatearea23 vorbereiten kann. Ein Lokalaugenschein.

TEXT: TANIA NAPRAVNIK
FOTOS: ULRICH SPERL

Wiens einzige Skatehalle liegt in einer verlassenen Gegend am Stadtrand. Nach einigen Metern im Dunklen ertönt aus dem Nichts ein Quietschen von Rädern und Sohlen. Ein dumpfes Licht dringt aus einem Lagerhallenfenster, ein Mann in Schwarz steht rauchend davor und empfängt uns mit einer warmen Begrüßung. «Derzeit ist leider nur einer da», erklärt der skatearea23-Mitarbeiter und öffnet schwungvoll die Eingangstür. Drinnen zeigt sich ein tapferer Jugendlicher, der auf einer Holzrampe wie verrückt hin und her düst. «Corona macht uns das Leben schwer», leitet Roman Hackl, Mastermind der skatearea23, das Gespräch ein. Die verpflichtenden Anmeldungen widersprechen dem Spirit des Sports, der auf Freiheit und Selbstbestimmung beruht. «Früher waren hier bis zu 100 Leute. Die Halle war so überfüllt, dass es sogar Beschwerden gab. Deswegen haben wir irgendwann den Scootern den Platz verwehrt. Alle gingen sich nicht mehr aus», resümiert Hackl. Die Halle ist jedoch durch die Pandemie in Mitleidenschaft gezogen worden. Sie ist nicht mehr jener Ort der zufälligen Begegnungen, der sie einst war, aber besteht als zentraler Treffpunkt für Anfänger_innen und Fortgeschrittene weiterhin fort. Hackl fügt hinzu: «Wir bräuchten eigentlich eine noch viel größere Halle, so wie in Linz oder Innsbruck. Zwei- bis dreitausend Quadratmeter wären angemessen.» Die aktuelle hat rund 750 Quadratmeter.

Fixer Bestandteil der Skatekultur. Die Halle existiert seit 2008, gefördert wird sie durch die MA 13, die Abteilung für Bildung und Jugend der Stadt Wien. Sie ist ein Refugium für jene, die sich im Skaten entwickeln möchten, und bietet Trainingsmöglichkeiten für die Wintermonate. «Das hier ist vergleichbar mit einer Kletterhalle», hebt der skatearea23-Angestellte Andi Tucek hervor: «Wenn es draußen schiach ist, machst du indoor was.» Skateboardingschool und Girls Day sind auch Teil des Programms der skatearea23, vor der Pandemie fanden sogar Wettbewerbe in ihr statt. Die Skateprofis Julia Brückler, dreifache Weltcup-Gewinnerin, und Lenni Pfeiffer trainierten hier. Beim Training in der Halle steht immer die Freude am Sport im Mittelpunkt. «Das Schöne am Skaten ist, dass Alter, Herkunft, Geschlecht keine Rolle spielen. Jede_r kann Spaß beim Skaten haben», erzählt Brückler, Mitinitiatorin der Skatehalle. Darüber hinaus werden in der niederschwelligen Talentschmiede Menschen achtsam motiviert, ihre eigenen Fähigkeiten kennenzulernen und zu schärfen.

Die soziale Einrichtung.

«Ich hatte mal einen alten Schüler, dem war der Weg zum Supermarkt zu lang. Deswegen hat er mit dem Skateboarden angefangen», gibt Tucek grinsend preis. Seiner Meinung nach sei der Skateeinstieg in jedem Alter möglich, man brauche nur einen guten Gleichgewichtssinn. «Um aber richtig gut zu werden, benötigt man Leute, die dir helfen», fügt Hackl hinzu. Der ehemalige Skateprofi hätte in seinen Anfängen auch gerne einen geschützten Raum gehabt. Er legt dar, dass «es schwer ist, sich gegen Ältere am Skateplatz durchzusetzen. Da musst du schon robust sein. Auch geht es beim Skaten immer darum, die eigenen Ängste zu überwinden. Es hilft, Leute an der Seite zu haben, die dich einschätzen können.» Doch Coaching und Talent sind heute nicht mehr ausreichend, um erfolgreich zu sein. «Es gibt in der Szene hohen Druck, sich über Social Media zu vermarkten. Denn so bekommt man die Aufmerksamkeit von Sponsor_innen», konstatiert Hackl. Das war in seinen aktiven Jahren noch anders. «Damals genügten noch das echte Publikum und die Wettbewerbe, um sich einen Namen zu machen», erinnert er sich nostalgisch zurück. Mittlerweile findet der beinharte Konkurrenzkampf zwischen den Skater_innen nicht nur auf der Straße, sondern auch im digitalen Raum statt. Damit rückt der soziale Aspekt des Skatens immer mehr in den Hintergrund. Dieser Tendenz versucht das skatearea23-Team entgegenzusteuern, denn laut Hackl ist «ein guter Skater ein guter Mensch. Wir fördern hier keinen Egomanen, sondern die gesamte Skate-Community.»

Die Frauenfrage.

Skaten ist keine reine Männerdomäne mehr. Immer mehr Mädchen und Frauen interessieren sich für diesen Sport. Brückler zieht Bilanz: «Als ich mit dem Skaten angefangen habe, hat es in Österreich eine Handvoll Mädels gegeben, die Skateboard gefahren sind. Mittlerweile ist es aber komplett normal, dass du in Skateparks gehst und mindestens zwei bis drei Mädchen dort antriffst.» In der skatearea23 sind Kurse unter Mädchen sehr beliebt. Die Skaterin Korvo erklärt, dass sie hierherkommt, um bestimmte Tricks zu lernen. Ansonsten skate sie gerne mit der Queer-Community am Karlsplatz. «Skaten bedeutet für mich Ablenkung, stressfreie Bewegung und Überwindung», sagt Korvo und verweist auf ihre Schutzausrüstungen, die sie seit einer Knieverletzung trägt. «Unfälle kommen schon öfter vor», erklärt Tucek, «aber um das Ausloten von Grenzen geht es halt beim Skaten. Das macht den Sport aus. Hier in der Halle können wir das Unfallrisiko dezimieren.»

Outdoor-Spirit.

«Fremdbestimmte Trainingseinheiten, wie bei Vereinen üblich, existieren beim Skaten nicht», berichtet Hackl über die Unverbundenheit des Sports. Er ergänzt, dass man eigentlich dann skaten gehe, wenn man Lust darauf habe. «Zudem braucht man zum Skaten lediglich ein Board und ein Stück Beton», betont Brückler, «und im Winter halt eine Halle.» Die wiederum benötigt langfristige Förderungen. Derzeit bangt Hackl allerdings um die Existenz der skatearea23: «In knapp einem Jahr müssen wir hier raus, mal schauen, was danach passiert.»

23., Perfektastraße 86
www.skatearea23.at

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