Lokalmatador Nr. 293
Friedl Preisl erfindet für Musiker und Musik-Fans in Wien ein Festival nach dem anderen.
Foto: Mario Lang
Man trifft ihn am besten im Café Rüdigerhof. «Der Geruch in diesem Café ist mir angenehm», eröffnet Friedl Preisl, warum er den Rüdigerhof zu seinem verlängerten Büro auserkoren hat. «Es ist hier noch so herrlich unaufgeregt, und doch ist der Rüdigerhof ein Stück Wien.»
Recht hat er, der umtriebige Konzertveranstalter. Und man müsste sich um ihn ernsthaft Sorgen machen, hätte er nicht schon längst wieder eine neue Festival-Idee im Kopf und die Unterlagen dafür in seinem Rucksack.
Aber lassen wir ihn zunächst seine gebackene Freitagsscholle und den herrlichen Erdäpfelsalat verzehren. Er kommt dabei eh kaum zum Essen, weil es so unglaublich viele Dinge zu berichten gibt.
Für alle, die ihn (noch) nicht kennen: Friedl Preisl ist der sympathische Herr mit der bunten Brille, der bei den Konzerten des Akkordeon-Festivals im Frühjahr, des Klezmer-Festivals im Herbst und beim Musikalischen Adventkalender zumeist sehr entspannt die Musiker_innen und auch die Gäste begrüßt. Und der diese auch im Ausland gelobten Veranstaltungen erfunden hat.
«Kultur, Kommunikation und Kulinarik», sagt Preisl, während er ein weiteres Stück Scholle in Arbeit hat. «Wenn diese drei K zusammentreffen, dann ist es für mich ein gelungener Event.» Wobei zur Kommunikation zu sagen ist, dass sich Künstler_innen und Kunstinteressierte auf Augenhöhe begegnen sollen. «Sich angreifen sollen», wie es der Friedl ausdrückt.
Am liebsten würde er die drei K jeden Abend zusammentreffen lassen. «Es gibt in dieser Stadt so viele hochtalentierte Künstler, die regelmäßig eine Bühne benötigen, die auftreten müssen.» Er selbst besucht pro Jahr an mehr als hundert Abenden eine Kultur-Veranstaltung. Die meisten, nicht alle, hat er selbst organisiert.
Das offizielle Wien tut sich mit derart viel privatem Engagement sichtlich schwer. Der Kulturstadtrat hat Preisl, der die Wiener Wirtshäuser kennt wie kein Zweiter («Ich rieche die besten Auftrittsorte»), das Goldene Ehrenzeichen der Stadt verliehen. «Gleichzeitig hat man mir die Förderungen gekürzt», wundert sich der 65-jährige Kulturvermittler.
Und so wird auch dieser Rastlose erst das Zeitliche segnen müssen, bis man sein Lebenswerk hier amtlich richtig einordnen kann. Unbestritten ist schon heute, dass er in jungen Jahren in der Fernmeldemonteur- und Kraftfahrzeugschule der Post eine Lehre abgeschlossen hat, dass er dann, weil er ein überdurchschnittlich guter Fußballer war, die Chance bekam, in eine Filiale der Zentralsparkasse zu wechseln und dass er 32 Jahre lang im Bankkonzern eine absolut unauffällige Berufskarriere hinter sich gebracht hat.
Preisl ist untypisch ehrlich zu sich selbst: «Also gut, ich war kein typischer Bank-Angestellter. Man könnte auch sagen, dass ich ein bisserl ein Owezahra war.»
Als Junger schonte er tagsüber seine Kräfte, um abends und am Wochenende auf den Fußballfeldern der Regionalliga Ost ordentlich Meter machen zu können. Später begann ihn immer mehr die Kulturvermittlung zu interessieren. Im kleinen, aber feinen Kulturverein «Narrendattel» sammelte er Erfahrungen. «Auch die ersten beiden Akkordeon-Festivals habe ich noch als Mitarbeiter der Bank Austria organisiert.»
Der Fisch ist inzwischen vom Tisch, und der Friedl längst in seinem Element. Kein Wunder, wenige in Wien haben in ihrer Pension derart viel bewegt wie er. Es vergeht kein Tag, an dem er nicht Musiker_innen, Betreiber_innen von Veranstaltungsorten, Kulturinteressierte oder auch andere Kulturschaffende trifft, anruft oder anschreibt.
Doch wirklich Mühe scheint ihm das nicht zu machen. Gut, er hat vielleicht nicht mehr ganz die Muskulatur wie seinerzeit in der Regionalliga Ost, wie sollte er auch, aber wie 65 sieht dieser Mann nie und nimmer aus!
Wien schätzt er wegen seiner Überschaubarkeit: «Wenn in dieser Stadt etwas passiert, musst du es schon sehr blöd anstellen, dass du es nicht erfährst. Das ist in Berlin anders.» Durch das Überschaubare sei auch vieles möglich: «Es gibt unter den Künstlern keine Berührungsängste.»
Und doch sei in Wien zu viel auf Zufall und private Aufopferung aufgebaut: «Nimm nur den Film. Die Verantwortlichen für die Filmförderung können doch gar nix dafür, dass der österreichische Film jetzt überall gelobt wird. Die ganzen Auszeichnungen sind denen doch eher passiert.» Sein frommer Wunsch: «Es wäre in dieser Stadt noch viel mehr möglich, wenn man das Parteipolitische endlich außer Acht lassen könnte.»
Und dann lässt er die Katze aus dem Rucksack: Samstag und Sonntag, 28. und 29. September 2013 – «25 Std. MUND.ART.WIEN« – das neue Friedl-Preisl-Festival im Porgy & Bess: «Am Samstag um 15 Uhr geht’s mit dem ersten Konzert los. Schon um 16 Uhr startet die nächste Partie.» Sein Konzept: «Zu jeder vollen Stunde erklimmen andere Musiker die Bühne. Der kompakte Musik-Event geht dann rund um die Uhr – bis zum letzten Konzert am Sonntag um 15 Uhr.»
Und weil das einem Preisl noch nicht genügt, soll es im Opern-Café nebenan dazu und auch rund um die Uhr Lesungen geben. Denkmalpflege nach Wiener Art, der Friedl nähert sich allmählich seiner Ideal-Vorstellung …