Parallelgesellschafttun & lassen

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Der Typ Sozialstaat österreichischer wie auch deutscher Prägung schafft es nicht – trotz insgesamt guter sozialer Sicherung-, die Aufstiegschancen einkommensschwächerer SchülerInnen zu verbessern. Wie ein Fahrstuhl (Fahrstuhleffekt © Soziologe Ulrich Beck) wird die Gesellschaft in die Höhe gefahren, was auch die unteren Schichten zu höherem Lebensstandard führt, die Unterschiede aber relativ konstant und die soziale Durchlässigkeit relativ gering belässt.

­Droht nun einmal ein Zementbrocken dieser ständischen Organisation des Sozialen herauszubrechen, wird sofort gemauert. Und die Ausländerkiste geöffnet. Es gibt keinen wirksameren Mörtel, keinen besseren Kitt, um die bedrohte Position zu befestigen als Ausländer. Wer ist also Schuld am schlechten Abschneiden bei PISA? Dreimal geraten: die Ausländerkinder. Wer sagt das am lautesten? Dreimal geraten: diejenigen am oberen Ende der Schulleiter, die AHS-VertreterInnen -und auch der Bundeskanzler. Sie sind über das Abschneiden der AHS zufrieden, weil sie bei der Förderung der ohnehin einkommensmäßig und sozial bevorteilten SchülerInnen nicht versagen. Im österreichischen Vergleich schneiden die AHS gut ab, im internationalen nicht mehr so ganz. Würde man in den PISA-Siegerländern eine von der Sozialstruktur vergleichbare Stichprobe zu österreichischen AHS SchülerInnen ziehen, würde die AHS schlechter abschneiden. Nimmt man allein den Mittelwert der besten 10% der SchülerInnen eines jeweiligen Landes ist Finnland auch vor Österreich.

Diejenigen, die sich über die Parallelgesellschaft erregen, sind gleichzeitig die, die Schule als Parallelgesellschaft organisieren. In den Ländern hingegen, in denen die Aufstiegschancen für Kinder aus sozial schwachen Familien besser gewährleistet werden, wird vor allem die starke individuelle Förderung von Kindern in relativ heterogenen Gruppen praktiziert. Also keine homogenen Sprachkursgruppen für Migrantenkinder wie sie fahrlässigerweise gerade geplant werden, sondern gemeinsamer Kindergarten bzw. Schule und dort personzentriertes Lernen.

Die Größe des Anteils von MigrantInnen an der GesamtschülerInnenzahl kann nicht als Erklärung für die großen Leistungsunterschiede herangezogen werden. Für Österreich: 80% der SchülerInnen, die die schlechtesten Ergebnisse beim Lesen zeigten, sprechen zu Hause Deutsch. Hier ist nicht der ethnische, sondern der sozialökonomische Hintergrund bestimmend

In Finnland (6%), Schweden (13%), den Niederlanden (11%) finden sich deutlich weniger SchülerInnen am unteren Ende der Leistungsverteilung als in Österreich. Gleichzeitig erreichen 15 Prozent der finnischen, 11 Prozent der schwedischen und 9 Prozent der niederländischen SchülerInnen mit Level 5 den obersten Leistungsbereich im Lesen. Spitzenleistungen und geringe Streuung der Ergebnisse schließen einander nicht aus. Die Förderung von Spitzenleistungen muss nicht auf Kosten der Förderung von schwachen SchülerInnen gehen. Vielmehr können Schulsysteme ihre Besten für Spitzenleitungen qualifizieren, gleichzeitig aber dafür sorgen,

dass der Abstand der schwächsten SchülerInnen zu den besten gering ist.

Martin Schenk 

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