Park-PlatzvergabeDichter Innenteil

Nein, auf diese Art konnte und durfte es einfach nicht mehr weitergehen. Auch wenn es ab und zu so angenehm war, mit den zaghaften, immer kräftiger werdenden Sonnenstrahlen, mit der allgegenwärtigen Farbe Grün, die mehr und mehr Beruhigung ausstrahlte, schattenspendend zur heißen Mittagszeit und abschirmend gegen Wind und Straßenlärm. Selbst bei aufkommendem Regen war immer noch einige Zeit ein gewisser Schutz garantiert. Zeitweise also ein echtes Erlebnis, Balsam für Gemüt und Seele.

Doch zu manchen Stunden war wirklich jeder Platz besetzt. Bewegen war dann schwer, umfallen fast unmöglich. Von Erholung ganz zu schweigen. Und wie es nach solch einer Invasion aussah, war eben die logische Konsequenz daraus. Jeder verlor seinen Mist ganz einfach dort, wo er gerade stand. Was anderes war ja auch gar nicht möglich. Und dann verschwanden sie, allesamt – aber eben nicht spurlos.

Das war eines der Themen, das vor dem obersten Gremium bei der eilig einberufenen Satzungssitzung verhandelt werden sollte. Ein weiteres war eine konsequente Überwachung der Benutzung der Anlage. In letzter Zeit machten sich vermehrt ziemlich dicke und große Sippen immer breiter. Jedoch nicht auf den dafür vorgesehenen Stand- oder Sitzorten, sondern mitten auf freien Plätzen – ziemlich ungeschützt und äußerst naiv.

Schon irgendwie komisch, dass ausgerechnet Ratten diese Sitzung gefordert hatten. Welche zwar schon immer da, aber irgendwie doch die Letzten in der Park-Rangordnung waren. Die vorwiegend in der Nacht aktiv waren und eigentlich den Auf- und Ablauf tagsüber gar nicht mitbekamen. Aber so waren sie eben, die Ratten: Korrekt, Schlau und vorausschauend. Und deshalb hatten sie ja in den Krähen auch bald Verbündete gefunden. Zum Großteil russische Flüchtlinge, die hier sesshaft geworden waren. Die waren auch schlau, auch schwarz und schauten ebenso in die Zukunft. Natürlich hatten auch Vertreter anderer Gattungen bereits Beschwerden deponiert. Wobei jede Gattung eine Stimme hatte; die Ratten ebenso wie die Regenwürmer, Schildläuse, Krähen, Meisen und Spinnen. Nur den Zecken wurde sie aberkannt.

Doch schlussendlich waren es die Ratten, die am besten informiert waren. Die wussten, dass in diesem Park nicht etwa eine Eule, sondern der Marder die oberste Aufsicht hatte. Ein zwar überaus toleranter Geselle, aber eben doch kein Vogel. Dieser Park war halt anders organisiert. Schließlich waren ja keine Wildtiere wie Hirsche, Bären, Füchse etc. hier heimisch und auch aus der Umgebung kaum zu erwarten. Höchstens einmal an einem Donnerstag vor Ostern ein verkleideter Osterhase. Gesponsert von einer angegrauten Sozialpartei, die hier schon geraume Zeit Parkbewirtschaftung und Eigenwerbung betrieb. Ein alter ehrwürdiger Vorstadt-Park war der Ort der Handlung. Schon etwas verwildert; seit Jahren aber bereits alternativ geführt.

Draußen in der freien Wildbahn gab es ein Oberstes, nämlich das Naturgesetz. Der Stärkere hatte die Macht über die Anderen. Der Schwächere wurde entweder vertrieben, oder, wenn er in die Nahrungskette passte, gleich aufgefressen.

Hier war es anders. Hier wurde mit Schläue regiert. Hier saßen viele gemeinsam in einem Boot, äh Park. Und Schwache wurden entsprechend tolerant und zuvorkommend behandelt. Nicht zuletzt, um ein produktives Mit- und Nebeneinander zu praktizieren.

So war es dann gekommen, wie es keiner haben wolle. Zuerst verirrten sich nur zwei Tauben in den Park, und die bekamen prompt hier ihren Nachwuchs. Die beiden wurden ganz besonders gut behandelt und als bewundernswerte Persönlichkeiten verehrt, sogar schon teilweise beneidet. Doch die familiengeprägten Tiere blieben nicht lange allein. Sie bauten auf den Schutz der Masse. Anders als Jahre zuvor die kleinen Spatzen, die nur durch gesteigerte Frechheiten auffielen, wurden die Tauben ganz einfach immer mehr. Und machten sich im Park immer breiter. Sonst trugen sie aber nicht viel zum alternativen Miteinander bei. Sie waren genügsam und sich selbst genug.

So hatten sich also eine Krähe, ein Schmetterling, eine Ratte, ein Maikäfer und das Eichhörnchen auf die Suche nach dem Marder gemacht. Er solle doch schleunigst eine Parksitzung einberufen.

Und bald darauf waren sie alle versammelt, großes und kleines Getier, um abzustimmen. Einnistungsgrenzen und Geburtenkontrolle wurden erwogen, Platz- und Zeitreglementierungen sowie Wegweise-Regeln und eine schlagkräftige Schutztruppe wurden besprochen. Grundlegendere Änderungen würden sich wohl produktiver auswirken. Es wurde drei Tage und drei Nächte diskutiert und gestritten, doch sie kamen auf keinen grünen Zweig.

Wie es im Park weiter geht, ist also noch offen. Offen wie die Zukunft in den Parks der Wirklichkeit…

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