Wenn aus «Stadtmöbeln» Turngeräte werden:
Sonntags, früher Nachmittag, am Migazziplatz im 12. Bezirk. Bis eben hat es leicht geregnet. Entsprechend ist kaum jemand auf der Straße. Aber dann kommt Leben in den kleinen Park. Viel Leben! Denn die Leute von Parkour-Vienna haben ihn sich für heute zum Trainings-Terrain ausgesucht. Und Victor Halb (Text und Fotos) ist als Zaungast mit von der Partie.Die zirka fünfzig jungen Männer und Frauen – in etwa paritätisch besetzt, und ein paar Kinder sind auch dabei – versammeln sich in der Mitte des Platzes. Einer hält eine kurze Ansprache. «Sind Neulinge da?» – Ein paar Hände zeigen auf. Einige der Erfahreneren werden ihnen nach dem Aufwärmen mit Tipps zur Seite stehen.
Im großen Kreis wird gedehnt. Es wird gehüpft und gesprungen. Gerannt. Gelacht. Es gibt auch Kraftübungen. Viele, beeindruckend viele Liegestütze werden da gestemmt. Nach dem Aufwärmen teilen sich die jungen Leute in Kleingruppen auf und trainieren die verschiedenen Fertigkeiten, wie sie bei einem schönen Parkour-Lauf gefragt sind.
Auf den metallenen Zauneinfassungen um die Rasenstücke wird balanciert. Von Polder zu Polder, sonst dazu gedacht, das unbefugte Parken zu verunmöglichen, werden Sprünge und die punktgenaue sichere Landung geübt. Über die stadtüblichen Streusandcontainer und über das Geländer an der Rampe hinauf zum Eingang der Kirche werden die verschiedenen Sprungtechniken trainiert. Die Debütant_innen lernen auch, wie sie sich im Falle eines Sturzes über die Schulter abrollen können.
2004 ist Thomas «TOM» Stoklasa im Internet auf Parkour gestoßen. Wie sich da die «Traceure» auf Fotos und Videos ihre ganz eigenen Wege durch die Stadt bahnten, springend, sich hangelnd, akrobatisch und kreativ auf eine Art, wie es den Stadtplaner_innen wohl nie in den Sinn gekommen wäre; wie dabei die diversen «Stadtmöbel» zu Turngeräten wurden und der öffentliche Raum eine Neuinterpretation und neuartige Aneignung erfuhr – das hatte ihn gleich fasziniert. Nach dem einfachen Prinzip von Trial and Error begann er zuerst allein, dann mit ein paar Gleichgesinnten, sich die Techniken anzueignen.
Mittlerweile kam Parkour schon im James-Bond-Film «Casino Royal» und in vielen weiteren Kinofilmen vor, und es ist auch immer wieder in Werbeclips zu sehen. «In den Anfangszeiten konnte es noch passieren», sagt TOM, «dass Anwohner die Polizei gerufen hatten, weil da angeblich Einbrecher am Trainieren waren. Das gibt es heute nicht mehr.»
Aber auch wenn die Parkour-Bewegung jetzt im Mainstream angekommen ist und die Wiener Gruppe von Lokalpolitiker_innen einige verbale Unterstützung bekommt, ist die Stadt nach TOMs Ansicht im internationalen Vergleich noch hinterher. Wünschen würde er sich zum Beispiel auch in Wien einen Bewegungspark mit Parkour-Elementen.
Info:
Parkour-Vienna trifft sich immer sonntags um 13 Uhr am Schwedenplatz und geht von da aus je nach Wetter und Größe der Gruppe zum Trainieren jeweils an einen anderen Ort. Die Teilnahme ist kostenlos.
www.parkour-vienna.at