Musikarbeiter unterwegs ... auf der Yppe, mit Masken
«Vitamin C» heißt das Debütalbum des Quartetts My Ugly Clementine. Stimmige Indie-Gitarrenmusik der von Sophie Lindinger ins Leben gerufenen «Supergroup».
Text: Rainer Krispel, Foto: Mario Lang
«Ich habe mir beim Namenüberlegen gedacht, der Sound ist so ein bisschen 90er angehaucht, also müsste der Name das auch haben, ich habe gedanklich mit My Bloody Valentine, My Funny Valentine … gespielt. Jede in der Band hat eine eigene Geschichte dazu, Mira (Lu Kovacs, Gitarre und Stimme) meint – My Ugly Clementine ist so ein kleiner Teil von dir selbst, den man nicht so gern hat, weil er ‹ugly› ist, aber weil er auch ‹my› ist, mag man ihn trotzdem.» Erzählt Lindinger, deren Songs und Aufnahmen (die Drums wurden mit Marco Kleebauer recorded, der mit ihr auch zwei der 10 Songs geschrieben hat, sie sind gemeinsam das erfolgreiche Elektropop-Duo Leyya) im Zentrum von Vitamin C stehen und klingen, sie selbst spielt Bass und singt. Zum Gespräch neben dem Spielplatz am Yppenplatz, wo sich teilmaskiertes öffentliches Leben im Geist der Achtung versucht hochzufahren, ist die Musikerin mit Band-Kollegin Nastasja Ronck (Gitarre, Stimme), die mit 2020 Barbara Jungreithmeier bei der im Vorjahr erstmals in Erscheinung getretenen Band ersetzt («aus Zeitgründen»), gekommen. Schlagzeugerin Kathrin Kolleritsch komplettiert die Band. «Supergroup» mag ein Dinosaurier-Begriff aus der Rock- und Popschreibe der Altvorderen (heute schon an Humble Pie gedacht?) sein, trifft hier aber ob der substanziellen künstlerischen Tätigkeiten aller Beteiligten außerhalb ihres gemeinsamen Band-Kontextes definitiv zu. Dabei – Lindinger wollte/fragte genau diese Partner_innen – bestechen My Ugly Clementine tatsächlich für sich, was ein visioniertes Dream-Team nicht immer zusammenbringt.
Talk To Me (In An Age Of Ambivalenz).
Die Hälfte der Songs entstand dabei noch ohne konkretes Projekt im Kopf, die zweite Hälfte des Materials schon für die Band. Lieder wie My Dearest Friend, Never Be Yours oder The Good The Bad The Ugly sind inhaltlich – «Ois!» die Antwort auf die entsprechende Frage – ganz nahe bei Sophie Lindinger. «Darum auch das Englisch.» Das ihr gleichzeitig «automatisch» Textsprache für ihre Musik ist. Formell ist das schon fast klassisch anmutender Indie-Sound der 90er. Eine schöne, gut hörbare Musik, die dem schreibenden Musikarbeiter genau dann womöglich sehr nahe gekommen wäre (vielleicht über den Einfluss poppiger hörender Freund_innen), we’re talking Ende 20, um die 30. Jene Altersschicht, in der sich My Ugly Clementine befinden und deren Nerv(en) sie wahrscheinlich souverän treffen. Mit der Quarantäne befinden sich My Ugly Clementine, die gerade jetzt einen guten Monat mit dem Album getourt hätten, wie wir alle in einer seltsamen, mitunter befremdlichen Lage. «Von ganz viel auf nichts», umreißt es die Songwriterin. Oktober bis Februar Schreiben, Proben, Aufnehmen, und dann Shutdown. «Ich habe erst einmal vier Wochen nichts gemacht, viele Bücher gelesen, war in der Natur», beschreibt sie ihren Umgang mit der Situation. Nastasja benennt ergänzend die aktuelle Schwierigkeit, «nach vorn zu planen» (auf der Homepage finden sich Septembertermine), und sagt: «Niemand braucht Druck zur Selbstoptimierung, schwierige Zeit, jetzt ist nicht die Zeit für ein schlechtes Gewissen, warum sich noch einmal Druck machen?»
Try Me.
In «unterschiedlichen Phasen des Freischaffendentums», teils noch studierend, spielt materieller Überlebensdruck – noch? – keine allzu große Rolle im uneasy kollektiven Realitätenmix für die Musikerinnen. Sophie generiert Einkommen als Urheberin, wobei gerade im Alternativsektor Liveaufkommen und Radioairplay meist korrespondieren. Das Netz als die neue Musikspielstätte sehen sie ambivalent, stellen die Frage nach Qualität und Übersättigung. «Am meisten hilft man uns, wenn man physische Tonträger direkt beim Label kauft, und nicht über irgendeinen Konzern.» Schon vor dem Shutdown haben My Ugly Clementine einen über ihre Webpräsenz zu findenden Podcast konzipiert, Peptalk (Aufmunterung, auch ein Songtitel des Albums), in dem sie mit Kolleg_innen sprechen – gut und bereichernd zu hören, wie ihre Band.
My Ugly Clementine:
Vitamin C (Ink Music)
myuglyclementine.com