2025 wird in Österreich ein Pfandsystem für PET-Flaschen und Alu-Dosen eingeführt. Dann wird Pfandsammeln auch hierzulande Thema werden. In Deutschland, wo es so ein System schon länger gibt, ist ein neuer Beruf entstanden.
Uwe aus Hamburg ist ein Mann der ersten Stunde. Schon im Sommer 2007, als in Deutschland das Pfandsystem so umgestellt wurde, dass man Pfandflaschen und -dosen in jedem Supermarkt abgeben konnte, ist er an warmen Tagen die Landungsbrücken und den Elbstrand abgelaufen, wo Hamburger:innen und Tourist:innen ihr Bier an frischer Luft tranken und entspannt genug waren, ihre leeren Flaschen und Dosen zurückzulassen. Stolz erzählt er, dass er an guten Tagen nach seinem 30 Kilometer langen Spaziergang bis zu 50 Euro mit nach Hause nehmen konnte.
Doch bald schon nahm die Konkurrenz zu. Die Einführung von Hartz IV und die Niedriglohnpolitik der Bundesregierung trieben die Armutszahlen nach oben. Vor allem in den großen Städten gehörten Flaschensammler – wie auch -sammlerinnen, die man in Deutschland allerdings seltener sieht – bald zum alltäglichen Bild. Dementsprechend verdienen die meisten heute nur mehr ein paar Euro am Tag. Befragungen zeigen auf, dass die meisten auf höchstens 50 Euro pro Monat kommen und sich damit bestehende Arbeitseinkommen oder Sozialleistungen wie Frühpension oder das neue «Bürgergeld» aufbessern. Wenn auch viele Obdachlose Flaschen sammeln, so leben doch die meisten Sammler:innen in einer Wohnung. Mit dem Flaschensammeln versuchen sie, den Anschluss an die Arbeitsgesellschaft zu behalten.
Unterstützung und Vertreibung
Mit der Zunahme an Sammler:innen wurde die Tätigkeit immer zwiespältiger gesehen und schließlich auch zum Politikum. Einige Gemeinden installierten um ihre Mistkübel sogenannte Pfandringe, in die leere Pfandflaschen gestellt werden konnten; eine Initiative lancierte den Slogan «Pfand gehört daneben» und ein Projekt von Studierenden startete eine Internet-Plattform, auf der man seine Flaschen zu Hause von Pfandsammler:innen abholen lassen kann. Gleichzeitig wurde den Sammler:innen, die mit aller Kraft versuchen, Geld zu verdienen und einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen, mit mehr und mehr Vorbehalten begegnet. Neben den positiven Begegnungen und dem Zuspruch bekamen sie auf der Straße vermehrt abwertende Kommentare zu hören. Auch das Personal der Supermärkte zeigte sich nicht begeistert, wenn große Mengen an Leergut ankamen. Trotz der allgemeinen Rückgabepflicht hingen manche Supermärkte Schilder auf, dass nur «haushaltsübliche Mengen» zurückgegeben werden dürfen. Vor allem an Bahnhöfen und Flughäfen etablierte sich eine regelrechte Vertreibungspolitik. Als 2014 der Hamburger Flughafen reihenweise Strafanzeige gegen die Sammler:innen stellte, hatte Uwe sich schon lange entschlossen gehabt, lieber die Hamburger Straßenzeitung Hinz&Kunzt zu verkaufen, aber Freunde von ihm hat es erwischt.
Für Mensch und Umwelt
Es war just Hinz&Kunzt, die mit einer Online-Petition eine Initiative starteten, um den Hamburger Flughafen zum Einlenken zu bringen. Das Team der Straßenzeitung, das die Nöte von Obdachlosen und von Menschen mit kleinen Einkommen gut kennt, wusste, dass die Zusatzeinkommen für viele wichtig geworden waren. Nach mehr als 50.000 Unterschriften konnte das gemeinsame Projekt des Flughafens und von Hinz&Kunzt – «Spende Dein Pfand» – starten. Seit 2015 werden im Abflugbereich Sammelcontainer aufgestellt, in die das Pfandgut als Spende geworfen werden kann – und die dann von ehemaligen Flaschensammler:innen geleert und entsorgt werden.
Damals wechselte Uwe vom Straßenzeitungsverkauf wieder zurück zum Flaschensammeln – in einen der neu geschaffenen, regulären und sozialversicherten Jobs. Seitdem kümmert er sich mit zwei Kollegen um die durchschnittlich 1.000 Flaschen, die dort jeden Tag zusammenkommen – 2019 waren es sogar fast 500.000 Einwegflaschen. Auch in anderen Bereichen des Flughafens wird wieder gesammelt. Der fixe Job, der Uwe nun schon neun Jahre ernährt – er ist angestellter Leergutbeauftragter bei Hinz&Kunzt –, finanziert sich fast zur Gänze aus dem gesammelten Pfand, auch wenn die Entwicklung der Löhne und Preise Schwierigkeiten macht, denn das Pfand wurde nie angepasst. Augenzwinkernd erzählt er: «Soweit läuft alles ganz gut. Mein größtes Problem ist gerade eigentlich, dass sich bei mir zu Hause so viele Pfandflaschen angesammelt haben, dass ich sie gar nicht mehr auf einmal loswerde.»
Weniger Müll, mehr Nachhaltigkeit
Viele Pfandsammler:innen betonen in Gesprächen, dass sie auch aus ökologischen Gründen sammeln. Das ist Teil des Berufsethos, der die Pfandsammler:innen, die sonst eher Einzelkämpfer:innen sind, verbindet. Und tatsächlich deuten die beträchtlichen Zahlen an Sammler:innen und gesammelten Flaschen darauf hin, dass sie effektiv dabei helfen, die Menge an unsortiertem Müll zu reduzieren und das Pfandgut in die richtigen Kanäle zu leiten. Von offizieller Seite wird das Ausmaß ihrer Tätigkeit jedoch kaum registriert. In Recycling- oder Umwelt-Berichten kommen sie nicht vor und niemand denkt daran, dass man sie mit einfachen administrativen Maßnahmen unterstützen könnte.
Wie in vielen anderen EU-Ländern auch wird 2025 in Österreich ein Pfandsystem für Einwegverpackungen eingeführt. Ab dann werden auf jede Kunststoff-Flasche und jede Dose 25 Cent Pfand erhoben. Dabei sollte aber auch ein Recht auf das Pfandsammeln verankert werden. Müll gilt in Österreich zwar, anders als in Deutschland, als sogenanntes herrenloses Gut, das man sich prinzipiell legal aneignen kann, dennoch ist die Rechtslage nicht immer ganz eindeutig. Ein festgeschriebenes Recht würde der ökologischen Bedeutung des Pfandes und – allgemeiner – des Wiederverwendens entsprechen und das Sammeln erleichtern. Darüber hinaus besteht ja ein Problem in der Rückgabe größerer Mengen. Tatsächlich werden in Österreich die Händler mit einer Aufwandsentschädigung für die Annahme von Leergut durch eine sogenannte «Handling Fee» für ihre Mühe entlohnt. Auch wenn man hoffen kann, dass es dann weniger Ärger bei der Retournierung der Flaschen gibt, sollten Stellen eingerichtet werden, an denen man problemlos größere Mengen abgegeben kann. Wenn es die irgendwann auch in Deutschland gäbe, könnte Uwe sein augenblickliches Problem noch schnell gelöst bekommen.