Pizzabrot statt Wohnungsnot …vorstadt

Martin und Nadine heute. Damals waren sie in der besetzten «Pizzeria Anarchia» aktiv (Foto: © Nina Strasser)

… so das Motto der «Pizzeria ­Anarchia», ein Haus im 2. Wiener Gemeindebezirk, das ab 2012 rund zwei Jahre lang v.a. als Wohnhaus, aber auch als autonomes Kulturzentrum und Pay-as-you-wish-Pizzaküche mit gedump­sterten Zutaten gedient hatte. Im Sommer vor zehn Jahren wurde es mit viel medialem Inter­esse, 1.700 Polizist:innen, Panzerwagen, Wasserwerfer, Hubschrauber und um rund 87.000 Euro Steuergeld geräumt. Rausgetragen wurden 19 Punks, die das Haus, in das sie für einhalbes Jahr ­extra eingeladen worden waren, nicht verlassen wollten. Mit der dann einzigen Noch-Mieterin hatten sich die «Besetzer:innen» angefreundet und solidarisiert. Auch sie wollte nicht gehen. Die anderen Altmieter:innen waren schon weg, Sanierungspläne standen im Raum. Die letzte Mieterin wohnt heute noch in dem inzwischen schick aufpolierten Haus – in der einzigen nicht sanierten Wohnung. Martin und Nadine waren damals Teil der Gemeinschaft. Sie wohnen noch in der Nähe, der Augustin hat sie für ein Gespräch besucht.

Als die Pizzeria Anarchia geräumt wurd, wart ihr da im Haus?

Martin: Jein, als Vereinsobmann war es ein strategischer Zug, dass ich nicht drin bin. Ich war für die Polizei so ziemlich das einzige nament­lich bekannte Mitglied. Im Zweifelsfall hätte man ­sagen können: Der namentlich bekannte ­Verein war draußen. Drin waren nur die Sympathisanten. Manche von uns waren in der Wohnung gegenüber, bei einem Nachbarn, der im Urlaub war und uns den Schlüssel für ­seine Wohnung gegeben hat. Er hat gesagt: Wenn die Räumung kommt, könnt ihr von der Wohnung aus filmen.

Was genau ist an dem Tag passiert?

M.: In der Nacht davor hatten wir ein Plenum und gleich mal Regeln festgesetzt, zum Beispiel: nur gewaltfrei vorgehen. Ich komme um fünf in der früh dort an – Nadine und ich haben hier ­geschlafen – und sehe: der ganze Block war abgesperrt mit Gittern, die wir abgebaut haben, als sie (die Polizist:innen, Anm.) frühstücken gingen. Dann sind sie aufmarschiert, da war alles noch ein bisschen lustig. Aber sie hörten nicht auf, um die Ecke zu kommen, und wie sie dann alles aufgebaut haben, haben wir gesehen, das wirkt ja wie eine militärische Handlung. Der Panzer macht’s auch nicht besser. Es war schon arg anzuschauen.

Ich habe gelesen, ihr habt etwas zubetoniert.

M.: Nein, was da für Blödsinn geschrieben wurde. Der Hausbesitzer hat mal versucht, uns einzubetonieren, das war vorher schon. Er hat versucht, die Tür zuzubetonieren, während wir noch drinnen waren. Bei der Räumung waren unsere Barrikaden zum größten Teil aus Holz. Es gab die eine, die sollte schwer abzubauen sein, da haben wir mit einer Säule eine Waschmaschine gestützt. Es sollte aber nicht gefährlich sein. Die zweite Barrikade die uns angelastet wurde, war eine Holzbarrikade, auf die wir «Achtung Starkstrom» geschrieben haben. Das war’s dann auch schon wieder.

Konnte man alle Wohnungen benutzen?

Nadine: Wir haben nicht wirklich warmes Wasser gehabt. Das waren so alte Wohnungen, es gab nur Gangklos, teils haben sie nicht funktioniert. Unten in der Küche war eine Dusche und in irgendeiner Wohnung gab es noch eine Dusche.

Wer waren die Besetzer:innen und wie war die Atmosphäre damals?

M.: Gleich mal vorneweg: Da treffen natürlich starke Persönlichkeiten aufeinander, alle mit moralischen Prinzipien. Einen goldenen Mittelweg zu finden, war nicht immer leicht, aber wir haben es immer wieder geschafft. Es war ein sehr starkes Miteinander. Wir haben so gut wie alles miteinander gemacht und hatten unsere glühenden Anhänger. Unter anderem sind vom Frauenhaus nebenan immer wieder Frauen zu uns gekommen, weil sie sich bei uns sicher gefühlt haben. Wir haben immer wieder Leute aufgenommen. Auch von den Flüchtlingen, die damals bei der Votivkirche demonstriert haben, haben dann einige bei uns gelebt. Es waren viele aus der Hausbesetzerszene dabei, die hat es damals gegeben. Das waren die Linken, die das aus politischer Motivation heraus gemacht haben, Freiräume erkämpfen wollten und nicht nur Leute, die gerne einen Raum hätten, wo sie sich antschechern können. Und so ist aus der Pizzeria das geworden, was es war. Wir haben bis zum Schluss Sinn ergeben. Wir haben uns das Mietrecht auf die Fahne geschrieben.

Wo sind alle Leute dann hingegangen?

M.: Eine Zeit lang waren alle in der Panka­hyttn, die war dann etwas überladen. Dann sind einige in die Kellerwohnung eines Freundes, da waren so 13, 14 Leute drin. Langsam dann wurden wir in alle Winde verstreut.

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