«Prall gefüllt oder auch mal schlapper»Artistin

Analogien zwischen Objekt und Alltag: «Manchmal fühlt sich das Leben voll und reich an, manchmal schwer oder leer» (Foto: © Theresa Rauter)

Für eine Woche lud Choreografin Doris Uhlich zum Performance-Workshop im Tanzquartier Wien. Menschen von Forum Obdach und integration wien sowie Augustin-Verkäufer:innen nahmen teil. Die Abschluss-Show von Halle G wie Gudrun ging Mitte März über die Bühne. Ein Auszug aus dem Publikumsgespräch.

Protokoll: Ruth Weismann
Fotos: Theresa Rauter


Ruth Weismann: Ein Vermittlungsprojekt, sagst du, ist immer gegenseitig. Es wird auch der Vermittlerin etwas vermittelt. Was hast du gelernt?

Doris Uhlich: Der Gedanke ist mir echt heute in der Nacht gekommen. Nach diesen fünf Tagen bin ich im Bett gelegen und habe mir gedacht, was heißt vermitteln? Vermittlung funktioniert, wenn auf beiden Seiten vermittelt wird. Ich habe das Gefühl, es braucht immer eine Antwort auf die Vermittlung und dann gibt’s eine weitere Vermittlung. Was ich damit gemeint habe, ist tatsächlich: Ich wäre ja nicht mit euch in Kontakt gekommen, hätte es dieses Projekt nicht gegeben. Für mich ist das auch eine ­Reise in unbekannte Biografien. Man wird immer erweitert, wenn man Menschen kennenlernt, die man vorher noch nicht ­kannte, und sich einlässt mit Offenheit und mit Neugierde und Respekt, Toleranz. Mir wurde auch sehr viel gegeben. Danke euch!

Die Objekte, die auf der Bühne verwendet werden, sind von Ursula Klein, die Musik wurde von Boris Kopeinig gemacht. Was war die Idee, mit solchen Objekten zu arbeiten?

Der Ursprung kam von meinem ­Melancholieprojekt melancholic ground vor einem Jahr, wo es in der Endpassage auf dem Spielplatz im Donaupark Kostüme gab, die sich selbst aufgeblasen haben. Man wurde zum Ball, man wurde zum Spielgerät. Das hat mich nicht losgelassen. Und dieses Thema Luft: Luft geht ein und aus. Ich habe mir gedacht, es ist sicher spannend, euch ein ­Material zu geben, mit dem wir zusammen spielen und experimentieren. Und diese Objekte stehen für mich schon sehr stark für Transformation und Veränderung.

Prall gefüllt oder auch mal schlapper. Es ist eine schöne Übersetzung, glaube ich, wie man sich oft fühlt und lebt und wie sich auch Leben anfühlt. Manchmal fühlt sich das Leben sehr voll an und reich und manchmal fühlt sich das Leben schwerer oder eben leerer an. Ich finde es auch eine schöne Übersetzung für ­emotionale Zustände oder Materialitätszustände, Energiezustände im Körper. Und die Transparenz ist schön, es gibt viele Lesarten: eine transparente Wand, die uns auch trennt. Und ich glaube, mit Grenzen und Wänden habt ihr wahrscheinlich sehr viel Erfahrung.

Frage aus dem Publikum: Wie habt ihr die Gruppendynamik geschafft, kennen sich manche schon länger oder sind befreundet? Es war wie ein riesiges Kunstwerk zusammen, und ich habe selten wo so eine Gruppendynamik gesehen, dass ihr so miteinander gespielt habt, aber jeder auch einzeln gestrahlt hat.

Ich glaube, ihr habt euch noch wenig gekannt. Ein paar mehr, aber insgesamt wenig. Wenn ich mit Gruppen zu arbeiten beginne, frage ich nicht im Sitzkreis: Wie heißt du, wie alt bist du, was hast du gelernt, warum hast du dein Leben so gelebt, wie du es gelebt hast, warum bist du hier? Sondern wir fangen eigentlich gleich an zu probieren. In den Pausen quatscht man. Oder es ergibt sich im Fluss des Workshops, dass man ­reden möchte. Aber man beginnt nicht mit ­Reden. Ich glaube, dann etabliert sich so ein anderer Grund, aus dem heraus wir alle zusammenwachsen. Ich versuche – und ihr steigt ein, das ist natürlich immer die Grundvoraussetzung –, einen angstfreien Raum zu schaffen. Für mich ist Theater ein Ort, der sehr besonders ist, wenn man sich entfalten kann, ohne Angst, und man selbst die eigenen Vorstellungen lebt und auch erweitert. Was ist Bewegung, was ist Kunst? Ich ­glaube, wir haben ganz gut einen Workshop gemacht ohne dieses «Ah, jetzt ist dann am Schluss die Aufführung». Natürlich, man hat das ein bisschen im Kopf, aber es ist eine Workshop-Show und keine Performance im klassischen Sinne. Wir sind transparent wie die Objekte, und ich glaube, das nimmt unglaublichen Druck raus und die Freude bleibt.

 

Der Traumtänzer

Andi Kleinhansl

Zusammen mit Forum Obdach, Augustin und integration wien tanzten wir eine Woche lang. Probe. Die Lehrerin (Doris Uhlich) und Boris (Musik) sowie ein professionelles Team der großen Tanzbühne im Museumsquartier begleiteten uns. Samstag, 16. März: Über 100 Zuschauer:innen sind gekommen. Schweinwerfer an, Nebel, Musik, wir bewegen uns im Raum, da kommen die ­Luftobjekte ins Spiel, riesige Luftballone, die wir gemeinsam zum Tanzen bringen. Besonders schön fand ich die Teilnahme von Menschen mit Einschränkungen, die mit ihren Begleiter:innen da waren. Wir können so viel voneinander lernen, es kommt so viel zurück, wenn wir mit Liebe und Feingefühl aufeinander eingehen … Tosender Applaus vom Publikum – das ist es, was Künstler:innen brauchen; Ich nehme schon zum zweiten Mal teil an diesem Projekt im Tanzquartier Wien. Der Workshop mit Doris hat viele positive Eindrücke und positive Energie hinterlassen. Danke! In den Pausen gibt es Getränke und Snacks. Und Getratsche, Gelächter. Alle Leute sind sehr nett.

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