Prima Klima beim 20-Jahre-Festtun & lassen

Der Augustin ist in der Stadt angekommen

Zwanzig Jahre mussten vergehen, bis dem Wiener Medienwissenschafter Fritz Hausjell die Gelegenheit gewährt wurde, auf unsere Fehldeutung seines Bonmots vom «Augustin als sozialem Gewissen der Stadt» hinzuweisen. All die Jahre hatten wir das Zitat immer parat, wenn es darum ging, die Rolle des Augustin in unserer Stadt ausreichend verkürzt zu formulieren – so verkürzt, dass auch am rasendsten aller rasenden Boulevardreporter die Definition unserer Rolle haften blieb.

Fotos: Michael Bigus

Teresa Reiter, Redakteurin der «Wiener Zeitung», fragte zunächst in der Augustinredaktion nach. Ob es nicht ein wenig anmaßend sei, sich als d a s soziale Gewissen der Stadt zu bezeichnen. In der Tat wäre das anmaßend, wurde ihr erwidert; aktuell müsste dieser «Ehrentitel» selbstverständlich dem unermüdlichen Netzwerk der zivilen Flüchtlingshelfer_innen verliehen werden. Teresa Reiter fragte beim «Erfinder» des Bonmots nach, und Fritz Hausjell konnte endlich klarstellen, dass er seinerzeit eigentlich falsch zitiert worden sei. Denn eigentlich habe er gemeint, der Augustin sei «das publizistische soziale Gewissen der Stadt».

Mit dieser Einschränkung können wir leben. Was rund um das 20. Jubiläumsjahr unseres Projektes geschah, bestärkte auch die Skeptischsten im Macher_innenteam in dem Wissen: Der Augustin ist in der Stadt angekommen. Dass selbst die «Kronen Zeitung» uns ein ewiges Leben prophezeit (die Augustin-Verkäufer_innen seien «aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken») und einen der Gründungsväter zum «Wiener der Woche» adelt (leider ist die Woche inzwischen abgelaufen), lässt wohl den Schluss zu, dass wir im Ringen um Aufmerksamkeitseinheiten – dem einzigen Ehrgeiz, zu dem wir veranlagt sind – gepunktet haben. Was uns noch immer nicht gelungen ist, zu kommunizieren: Wir haben keinen Chef. Wenn selbst die lachsrote Qualitätszeitung (danke, Oliver Mark, für den tollen Geburtstagsbericht!) sich einen «Chefredakteur des Augustin» einbildet, ist zu schlussfolgern: Unsere innere Anarchie ist das Schwierigste, das von außen begreifbar ist.

Dass der Augustin als Ganzes in Wien angekommen ist, hat uns vor allem unser Geburtstagsfest in der VHS Donaustadt bewiesen. Die Fotos dieser Doppelseite sagen mehr als tausend Zeilen. Hätten wir unter den 500 Festbesucher_innen eine Umfrage gestartet, was als das Einzigartigste dieser Geburtstagsparty bewertet werden könnte, wäre die Majoritätsantwort gewesen: die in Wien kaum zu überbietende Buntheit des Publikums. Wo sonst in Wien ist friedlich in einem Saal vereinigt wie folgt: Hell und Dunkel, Resistenz und Delinquenz, Prekar- und Proletariat, Akademie und Galerie (in der Wienerischen Bedeutung des Begriffs: beliebte Gauner_innen), Insolvenz und Renitenz, Exzellenz und Fachkompetenz, auch Korpulenz wurde gesichtet. Nicht vertreten waren Präpotenz, Impertinenz und – wieder einmal die Prominenz. Aber die war auch nicht eingeladen. Die Versteigerung der legendären ersten Ausgabe des Augustin wurde auch ohne sie zum finanziellen Überraschungserfolg. Einer Besucherin war der Prototyp 1400 Euro wert …