100 Mieter_innen vom Rauswurf bedroht
Das vom Parlaments- und Ringstraßenarchitekten Theophil Hansen 1849 erbaute ehemalige «Grand Hotel National» soll abgerissen werden, um ein privates Krankenhaus zu erweitern. Otto Steiner über ein Monsterprojekt im historischen Stadtkern, privates versus öffentliches Interesse, und warum mit allen geredet wurde, außer mit den Betroffenen.
Illu: Karl Berger
Anlass war ein Antrag der SP Leopoldstadt in der Bezirksvertretung vom 27. 9. 2016 auf Erweiterung des Spitals der Barmherzigen Brüder. In der darauffolgenden Diskussion wurde klar, dass dafür das in einer Schutzzone am Karmeliterplatz liegende Haus Taborstraße 18 abgerissen werden soll, das 2009 vom Konvent der Barmherzigen Brüder erworben wurde. ÖVP, FPÖ und schlussendlich auch Grüne (nach leichter Abänderung der Antragsbegründung) stimmten zu. Wien Anders/KPÖ-Bezirksrat Josef Iraschko stimmte jedoch dagegen und stellte eine wichtige Frage: «Wurden eigentlich die Mieter_innen darüber informiert?» Nein – diese hatten erst danach aus den Zeitungsberichten erfahren, dass ihr Haus abgerissen werden soll.
Grand Hotel Abriss?
Laut Medienberichten will der Konvent das Krankenhaus um 20.000m² erweitern («Die Presse», 28. 9.), das entspricht einem ca. 20-stöckigen Turm anstelle des 5-stöckigen Altbaus. «Wenn wir das Haus wegreißen dürfen, bauen wir das Krankenhaus sicher aus», wird Helmut Kern als Geschäftsführer der Barmherzigen Brüder zitiert («Heute», 29. 9.). Das Haus, in dem keine neuen Mietverträge mehr abgeschlossen werden, soll in zwei bis drei Jahren «bestandsfrei» sein. («Bezirkszeitung», 10. 10.)
Was ist das öffentliche Interesse?
Es ergeben sich einige Fragen: Warum wird hier ein privater Träger nach dem Motto «Sie wünschen, wir widmen» hofiert, während gleichzeitig öffentliche Spitäler geschlossen oder verkleinert werden? Das Wohnhaus wurde bereits 2009 mit der Absicht erworben, das Spital auszubauen. Die Mieter_innen wurden nie über diese Pläne informiert, während im Hintergrund bereits Gespräche mit Noch-Bezirksvorsteher Hora und den zuständigen Stadträtinnen für Stadtentwicklung (Vassilakou) und Gesundheit (Wehsely) liefen. Manche der ca. 100 Mieter_innen wohnen seit über 50 Jahren im Haus, die älteste sogar seit 67 Jahren. Ihre leistbaren Substandard-Wohnungen haben sie in eigener Arbeit und Nachbarschaftshilfe aus dem Haus aufgewertet. Währenddessen haben sich die Mieten in Wien durch die Gentrifizierung verdoppelt. Wo sollen sie jetzt hinziehen?
Die Stadt Wien redet gerne davon, dass dringend neuer Wohnraum geschaffen werden muss – hier drohen aber über 100 Wohnungen vernichtet zu werden, und zwar mit Unterstützung der Stadt. Warum wird versucht, die Schutzzone zu Fall zu bringen? Beim ehemaligen Hotel handelt es sich um ein bedeutendes Frühwerk von Theophil Hansen. Es war bei seiner Eröffnung eines der besten Hotels von Wien und ein beliebter Treffpunkt der Kunstszene. Als erstes Haus in Wien hatte es einen Dachgarten mit Bäumen. Das Wasser dafür und für die neuartigen «Water Closets» wurde von einer Dampfmaschine hochgepumpt (die Hochquellenwasserleitung wurde erst 24 Jahre später fertiggestellt), die auch die Zentralheizung, Warmwasser und eine hotelinterne Wäscherei betrieb – alles damals hochmoderne Neuerungen. Die Fassade und der markante halbrunde Innenhof wird beim Bundesdenkmalamt als schutzwürdig angesehen und geprüft, ob Denkmalschutz gewährt wird. Dies ist aber letztlich eine politische Entscheidung. Darf es davon abhängen, ob es für den privaten Träger am billigsten kommt, das Haus abzureißen?
Wird die Öffentlichkeit jemals davon erfahren, was hier im Hintergrund von der Stadt, den beteiligten Magistratsabteilungen und den regierenden politischen Parteien verhandelt wird?
Erst Medienberichte führten zu Gesprächen
Ohne diese Aufdeckung wären die Bewohner_innen wohl vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Vor kurzem wurde bekannt, dass sich die Eigentümervertreter mit den Mieter_innen getroffen haben. Erstere entschuldigten sich für die fehlenden Informationen und stellten eine Kontaktperson für Fragen ab. Es wurde mitgeteilt, dass in den nächsten beiden Jahren weder Abriss noch Umbau stattfinden sollten, das Ziel sei aber klar, nämlich die Mieter_innen bald rauszubekommen. In den nächsten Monaten soll ein Konzept ausgearbeitet werden, um «adäquate» Ersatzwohnungen zur Verfügung zu stellen. Inwiefern die angebotene Vorreihung auf Wartelisten für geplante Bauprojekte ein adäquater Ersatz für die bestehenden niedrigen Mieten sein soll, wurde allerdings nicht beantwortet. Für die Menschen, die aus ihrem Haus und Grätzl nicht wegziehen wollen, ist das kein Angebot.
Es gibt eine Initiative zur Rettung des Hauses, eine Petition soll in Kürze starten.
Aktuelle Infos unter http://facebook.com/tabor18/
Richtigstellung
Anders als in der letzten Folge der Wiener Wirtschaft (Augustin Nr. 423) geschrieben, betreiben die «Barmherzigen Brüder» kein Privatspital. Ordenskrankenhäuser gelten in Österreich als privat-gemeinnützige Spitäler. Das Krankenhaus der «Barmherzigen Brüder» ist für die kostenfreie medizinische Behandlung nicht versicherter Patient_innen bekannt. Wir entschuldigen uns für die unpräzise Berichterstattung.