Protestbriefetun & lassen

Augustinerin Imoan Kinshasa

Ab Oktober werde ich sechs Monate lang als kültüř- gemma!-Fellow mit dem AUGUSTIN zusammenarbeiten. Für das Fellowship habe ich mich beworben, weil mir das ganze Komplettprogramm zugesagt hat: Fernsehen, Radio und Schreiben. Und einfach weil AUGUSTIN eine supercoole Plattform ist. Die Zeitung wird von vielen unterschiedlichen Menschen gelesen, und es ist einfach toll, wenn man so vielen Menschen Informationen vermitteln kann.
Ursprünglich komme ich aus Bayern. Seit etwas mehr als zehn Jahren bin ich in Österreich. Mein erste Erinnerung an Wien ist die, als ich in Ottakring zur U-Bahn-Station kam. Es war warm, die Sonne schien, alle waren gut drauf und in der U-Bahn-Station stand ein AUGUSTIN-Verkäufer der «Good Morning, Good Morning» sang. Das war dann immer mein Highlight in der Früh.
Ich habe Hotelmanagement studiert, habe aber schon als Kind sehr gerne gelesen und geschrieben. Geschichten, Tagebuch und Protestbriefe, die ich nie losgeschickt habe. An meine Lehrer_innen, meine Eltern und alle, die mir auf den Senkel gingen. Journalistin zu werden habe ich aber nicht als Ziel verfolgt, ich habe nicht für möglich gehalten, dass ich das werden könnte. In meiner Familie hat niemand studiert, deswegen hatte ich das nie so am Schirm. Letztes Jahr ging dann ein Facebook-Post von mir viral und wurde fast 10.000-mal geteilt. Es ging darum, dass ich auf einem Weinfest war, im Dirndl, wie ich es halt gewohnt bin aus Bayern. Ich habe depperte Sprüche bekommen, die Leute haben doof geschaut, es war ihnen too much, dass ich als Schwarze Frau da in einem Dirndl bin. Vice hat mich daraufhin gefragt, ob ich eine Kolumne schreiben möchte. Da habe ich natürlich Ja gesagt, habe dann dort ein Praktikum gemacht und jetzt bin ich hier. In der Kolumne, die den Titel I said what I said trägt, geht es grundsätzlich ums Leben. Es sind Resultate von Gesprächen. Ich versuche, den Leuten bestimmte Themen näherzubringen, von denen ich denke, sie sind wichtig, darüber sollte man reden. Zum Beispiel darüber, wie ich aufgewachsen bin. Ich habe lange nicht gecheckt, dass ich Schwarz bin. Es gibt extrem viele Menschen, denen es genauso geht, für die ist es wohltuend zu sehen, sie sind nicht alleine. Und für die anderen ist es wichtig zu wissen, dass diese Erfahrungen existieren. Ich spreche in meinen Texten auch sehr gerne Weiße Eltern von Schwarzen Kindern an, da ich viele Nachrichten und Fragen bekomme. Ich möchte ein Archiv aufbauen, wo Leute zu bestimmten Themen nachlesen können.
Gerade beschäftige ich mich außerdem viel mit psychischer Gesundheit, ein Thema, das mich auch journalistisch interessiert. Es wird zu wenig darüber geredet. Aber wenn man darüber spricht, wird es irgendwann normal. Ich möchte etablieren, dass es normal wird, über Depression und psychische Gesundheit zu sprechen.
Was ich in meiner Freizeit sehr gerne tue, ist tanzen. Am liebsten Dancehall und Afrobeats. Und noch eine große Leidenschaft habe ich: Häkeln und Nähen. Derzeit bin ich voll mit Häkeln beschäftigt, es macht total Spaß. Man hat nur einen Faden und macht quasi aus nichts etwas Tolles. Das fasziniert mich. Ich häkle Kleidung und verkaufe sie auch. Angefangen habe ich damit, als ich im Krankenhaus war. Da hatte ich viel Zeit und habe gemerkt, es beruhigt mich. In der Früh versuche ich, zumindest zehn Minuten zu häkeln, bevor ich die «richtige» Arbeit mache. Gelernt habe ich es durchs Internet. Ich liebe das Internet dafür, man kann sich alles selbst beibringen.

Protokoll: Ruth Weismann

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