Punks, Symptom einer schizoiden Welttun & lassen

Nichts tun darf man selbst am schönsten Platz der Stadt

Punks, soziologisch & sympathisierend von außen betrachtet, und Punks im O-Ton: Im Folgenden eine Kombination der beiden Darstellungsweisen der buntesten Außenseiter der Gesellschaft. Zu Beginn Punks aus wissenschaftlicher Sicht: Mit dem Buch „Bürgerschreck Punk. Lebenswelten einer unerwünschten Randgruppe“ liegt ein Musterbeispiel vor, wie Zusammenhänge und Spaltungsmechanismen im Gesellschaftsgefüge durchschaut und dem Lesepublikum nahe gebracht werden können. Danach, im Kasten, ein Stück punkiger Selbstdarstellung.Die AutorInnen Diana Reiners, Gerlinde Malli und Gilles Reckinger verfolgen mit ihrer spannend zu lesenden kulturwissenschaftlichen Analyse zwei Ziele: Sie zeigen zum einen die Perspektiven und Positionen der Punks auf und beschreiben deren Probleme, Lebenssituationen und Bedürfnisse. Im Herausarbeiten der strukturellen Bedingungen für biographische Brüche wird verstehbar gemacht, „warum diese Jugendlichen in einer Punk-Kultur Zuflucht suchen“.

Die in teilnehmenden Beobachtungen und mittels Tiefeninterviews beforschten Punks bilden jenen Kern von etwa dreißig Personen beiderlei Geschlechts, welche jahrelang österreichweit und insbesondere in der steirischen Landeshauptstadt als Schreckgespenster durch die Medien geisterten: Die Grazer Punks, die nach öffentlicher Ansicht am städtischen Hauptplatz solchen Schrecken verbreitet hätten, dass Geschäftsleute und brave BürgerInnen auf drängendste Weise bei der Politikerprominenz und den Medien vorstellig wurden, ja angeblich selbst die PolizeibeamtInnen sich nicht sicher sein konnten, nach Antritt ihres Dienstes auch wieder ungeschlagen in den Feierabend zu gehen …

Das zweite Ziel des AutorInnen-Trios war die Analyse der Problematisierung der Punks. „An der Gruppe der Punks haben sich lokalpolitische Konflikte, vor allem aber globalpolitische Trends entladen“, heißt es einleitend. Den Nachweis ihrer These führen die Jungwissenschaftler luzide und genau. Nachvollziehbar und modifiziert durchaus auf Gruppen in anderen Städten und Städtchen übertragbar – wie beispielsweise auf die Punks in Wiens Mariahilfer Straße – wird uns vorgeführt, welchen Interessen die Aufregung um die paar jungen Leute dient, wer vom medialen Wirbel profitiert, wer sich wirklich fürchtet und warum es in der aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Phase des Turbokapitalismus leicht ist, dem Heer potentiell Arbeitsloser Furcht so einzureden, dass sie internalisiert in ihnen festsitzt. Furcht vor Schmutz, vor Nichtstun, vor dem Absinken in den „Abschaum“, überhaupt Furcht vor dem Ungehorsam gegenüber gesellschaftlichen Normen, denen sich die Braven verpflichtet fühlen. Und riesig ist die Angst der Normgetreuen vor Signalen, die deuten, dass man ohne zu arbeiten und auf Kosten der Allgemeinheit einfach auf einem der schönsten Plätze der Stadt herumhocken kann.

Die grobe und die feine Art der Verdrängung

Einleuchtend wird das Spiel der Kräfte der Ausgrenzenden und jener, die diese Ausgrenzung in ihren Lebensentwürfen gleich an sich selbst vorwegnehmen, nachvollzogen. Die Werte der Gesellschaft sind für viele Punks bereits in Kindheitstagen zerbrochen, in ihrer Gruppe aber sind sie aufgefangen, indem dort alternative Lebensentwürfe und Wertesysteme lebbar werden. Die bürgerliche Mehrheitsgesellschaft versucht durch Gesetzesänderungen und Restriktionen diese vorwiegend jungen Menschen aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Andererseits ertönen aus ihr zugleich nach Hilfe und Sozialprogrammen rufende Stimmen.

„Beide Sichtweisen“, so der Blickwinkel der AutorInnen, „verfolgen das Ziel, die Gruppe von der sichtbaren Oberfläche zu verdrängen: Sie zu inhaftieren oder in den Untergrund zu bewegen, oder sie zu integrieren.“ Ein Spannungsfeld, unter dem auch die SozialarbeiterInnen zu leiden haben. Ein Spannungsfeld, das nicht nur die Punks, sondern auch andere randständige Gruppen wie Obdachlose, KonsumentInnen harter Drogen, schwere Alkoholiker, Haftentlassene und, mehr und mehr werdend, Arbeitslose aus dem bislang unauffälligen finanziellen Mittelstand betrifft, da all diese nunmehr um die wenigen gestützten Arbeitsplätze in speziellen Sozialprogrammen konkurrieren, bei denen man sich ein wenig dazuverdienen kann. In diesem Feld beschimpfen die einen Betroffenen dann die anderen als „Scheiß Alkies“ oder „Scheiß Junkies“ und beweisen unbewusst, dass auch sie alle noch mit den Normen der verachteten Gesellschaft behaftet sind.

Und alle diese Kleinwelten sind eingebettet in eine große Welt, die immer lückenloser von den Mechanismen der Globalisierung und der Globalisierungsängste durchdrungen wird. Die Auswirkungen dieser Mechanismen rufen in den Kleinwelten wiederum neue Eigendynamiken hervor. Indem es diese Verbindungen klar darlegt, weist das Buch inhaltlich weit über den Befund einer Subkultur-Gruppe hinaus. Dennoch bleiben die AutorInnen stets nahe an den Menschen selbst und schicken die LeserInnen nie ins rein Abstrakte und trocken Theoretische. Auch wahren sie gegenüber allen ins Konstrukt „Punk-Problem“ involvierten Parteien und Einzelpersonen Objektivität, ohne jedoch Zweifel offen zu lassen, wer hier die eigentlichen ProblematikerInnen sind.

Die Gewinnler der gegenwärtigen ökonomischen und sozialen Umbrüche haben das Sagen und konstruieren sich Gruppenbilder wie die der Punks von Graz zurecht, die sich selber ursprünglich gar nicht als Punks bezeichneten. In Wahrheit bilden sie nur den kleineren Teil, chronologisch möglicherweise die Vorhut, einer rasant wachsenden und dennoch marginalisierten Bevölkerungsschicht. Wie heißt es sehr bildlich in dem empfehlenswerten Buch? „Menschen, die keinen Ort in der Gesellschaft finden, haben auch physisch keinen Platz“ – und sei es ein Schnorrplatz.

Reiners/Malli/Reckinger: Bürgerschreck Punk. Lebenswelten einer unerwünschten Randgruppe. Löcker Verlag, Wien 2006, 138 S, 17 Euro

„Wir wollen mietfreies Wohnen für alle“

Das Pankahyttnmanifest

Am 14. Oktober erlebte Wien eine Punk-Demo. Die an die Adresse des Rathauses gerichtete Hauptforderung galt einem selbstverwalteten Haus – der Pankahyttn. Einer der Versuche, dieses Ziel durch eine friedliche und gewaltfreie Besetzung des seit Jahren leer stehenden Hauses Ecke Gumpendorfer Straße/Gürtel im 6. Bezirk zu erreichen, um hier „ein unkommerzielles und emanzipatorisches Kultur- und Sozialprojekt“ zu verwirklichen, wurde Ende Oktober durch eine ebenso gewaltfreie Polizeiaktion beendet. Wir zitieren den Aufruf zur Demo.

Europaweit werden immer mehr Zentren, Häuser und Wagenplätze aus dem Weg geräumt oder akut bedroht, so wie das Ungdomshuset in Kopenhagen. In Wien sind das Ernst-Kirchweger-Haus und der TüWi nach wie vor akut bedroht. Nach eineinhalb Jahren konkreter Gespräche mit GemeindevertreterInnen und trotz O.k. etlicher Bezirksvorstehungen ist nach wie vor keine Pankahyttn in Sicht.

Abweichlerisches, also selbstbestimmtes Leben passt nicht in die Gesellschaftsvorstellung der Herrschenden, genauso wenig wie ein Leben ohne Ausbeutung, Bosse, und Hierarchien. Unsere Rechte, Möglichkeiten und Spielräume werden nach und nach eingeengt und zurückgestutzt, die Kriminalisierung breiter Bevölkerungsschichten wird immer leichter. Und sicher ist, dass alle, die gegen diese Zustände aufmucken könnten, ihnen leicht ein Dorn im Auge werden. Wie alle anderen an diesem Conaction-Aktionstag Beteiligten sehen wir die Notwendigkeit, diesen Entwicklungen aktiv entgegenzutreten.

Denn diese Gesellschaft ist reich genug, allen hier lebenden Menschen ein würdiges Dasein zuzugestehen. Wie auch Wohnen, Essen, Sozialleben und Selbstverwirklichung. Eine umfassende Grundsicherung für alle ist das Mindeste!

Die Abschaffung des Privatbesitzes an Boden das Nächste. Auch damit profitieren einige wenige von Not und Bedürfnis aller. Um wohnen zu dürfen, zwingen dich die Besitzer von Boden oder Wohnung zu mehr Arbeit als nötig, um die Miete reinzuhackeln, die sie sich einsacken. Diese Mieten steigen dann, wenn es weniger Wohnungen und mehr Obdachlose gibt. Dann geht’s auch leichter mit der Arbeitshetze. Das ist der Wohnungsmarkt. Der Wohnungsmarkt richtet sich gegen die Lebensinteressen der Menschen, der Häuserkampf ist ein Kampf gegen die gewaltsame Zerstörung von lebensnotwendigem Wohnraum. Mietfreies Wohnen für alle!

Wir fordern ein selbstverwaltetes, unkommerzielles emanzipatorisches Wohn-, Kultur- und Sozialprojekt von, mit und für Punx, d. h. ein Haus mit einem Wohnbereich für ca. 50 Punx und Veranstaltungsraum bzw. -keller. Konkret einen unbefristeten Hauptmietvertrag auf Betriebskostenbasis über ein in Gemeindeeigentum befindliches Gesamtobjekt, in dem wir nach unseren Vorstellungen leben können.

Selbstbestimmtes Leben ist ein Menschenrecht, und so leicht geben wir uns nicht geschlagen!

Initiative Pankahyttn: pankahittn@hotmail.com

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