«Quartier vorhanden, Schlaf unauffindbar»Dichter Innenteil

Gottfrieds Tagebuch

15. 3.

«Es ist alles sehr kompliziert», lautete der Lieblingssatz des Ex-Kanzlers Fred Sinowatz. Dieser Satz hat in vielen Lebenslagen durchaus seine Gültigkeit.

Ich gehe zum Beispiel nicht zu «Schlecker», oder «Kik», weil immer wieder über die schlechten Arbeitsbedingungen in diesen Geschäften berichtet wird. Jetzt allerdings stellt sich heraus, dass «Schlecker» in Insolvenz gehen muss. Was dazu führt, dass Tausende, hauptsächlich Mitarbeiterinnen ihre Arbeit verlieren. Ist es also gut, wenn man Geschäfte meidet, deren Belegschaft von den Chefs in allen Belangen schlecht behandelt wird?

 

16. 3.

Ich habe noch einmal über den Boykott diverser Geschäfte nachgedacht. Immer mehr Mitmenschen haben immer weniger Geld zur Verfügung. Eltern sind ganz besonders betroffen, denn Kinder und Jugendliche haben eine schlechte Angewohnheit: Sie wachsen. Und zwar meist in die Höhe, gelegentlich auch in die Breite. Auf jeden Fall muss regelmäßig neue Kleidung erworben werden. Wie mir ein Vater bestätigte, muss man auch beim Kauf dieser auf wichtige Dinge achten. Ohne Markenware gilt der eigene Nachwuchs nämlich schnell als Versager. Es ist alles sehr kompliziert.

 

17. 3.

Überall höre ich von sinkenden Umsätzen. Aber es gibt immer mehr Superreiche. Es wird munter ausgelagert, um den Gewinn nicht zu schmälern. Da die Welt eine Kugel ist, kann es durchaus passieren, dass irgendwann Arbeitsplätze wieder zu uns ausgelagert werden. Dann bricht sicher große Freude aus, weil wir endlich wieder zu einem Hungerlohn einer Beschäftigung nachgehen dürfen, von der wir eigentlich nicht leben können. Wenn ich mich nicht irre, dann ist das ja jetzt schon der Fall. Ich bin verwirrt.

19. 3.

Der Volksmund sagt viel, nicht immer Gutes. Zum Thema Politik höre ich überhaupt nur mehr: «Piep, Piep, und außerdem Piep!!!» Inzwischen scheint auch der Rassismus völlig salonfähig geworden zu sein. Mein Lieblingssatz: «Ich bin ja kein Rassist, aber » Ich meide inzwischen viele Lokale, aber auch in vermeintlich feineren Kaschemmen wird die Rassismuskeule geschwungen. Warum mache ich mir über so etwas überhaupt Gedanken? Vielleicht, weil ich nach der nächsten Wahl keinen Kanzler Strache will. Die Gefahr wird aber immer größer, und davor habe ich Angst.

 

21. 3.

Ein Mann hat in Toulouse sieben Menschen getötet. Jetzt wird das Haus, in dem er wohnt, von der Polizei belagert, wie ich in den Nachrichten erfahre. Es ist 15 Uhr. Ich eile in die Trafik. Dort informiert mich die Titelseite von «Österreich», dass der Täter schon verhaftet worden sei. Ich sause mit Lichtgeschwindigkeit heim und sehe auf «ntv», dass dem nicht so ist. So viel zum Thema Glaubwürdigkeit dieses zeitungsähnlichen Produkts. Eine interessante Meldung bekam ich heute auch in den Puls-4-Nachrichten zu hören: «Der Mann tötete drei Soldaten und vier Menschen, darunter drei Kinder.» Wer schreibt solche Texte?

 

23. 3.

«qxtmo-+9j6d3a» meint Mausi. Wenn ich sie richtig verstanden habe, dann möchte sie mich öfter aus dem Haus treiben. Schließlich ist ja schon längst der Frühling ausgebrochen. Sie wusste angeblich gar nicht, dass er eingesperrt war. Sie stellt sich aber ab und zu auch Fragen, die schon an Schwachsinn grenzen. Wer das Tote Meer ermordet habe zum Beispiel. Der blinde Murli sieht in dieser Causa aber noch keinen Handlungsbedarf.

 

24. 3.

In der Nacht auf morgen wird die Uhr um eine Stunde vorgestellt. MESZ Mitteleuropäische Sommerzeit. In manchen Ländern ist angeblich gar nicht genug Budget vorhanden, um die Umstellung der öffentlichen Uhren zu bezahlen. Kann es sein, dass Mitteleuropa in die Insolvenz zu schlittern droht?

 

26. 3.

Alle Menschen kommen schwindelfrei zur Welt. Gewisse indigene Völker bleiben es ihr Leben lang. Außer, sie gehen in die hohe Politik. Oder werden Spitzenmanager_innen. Oder Lobbyist_innen, was auch immer das sein mag. Aber zurück zum Thema Schwindelfreiheit. Wenn sich in diesem Land überhaupt noch irgendjemand für Politik interessiert, dann hat diese Person derzeit viel zu leiden. Dass in dieser Welt viel geschwindelt wird, muss uns allen klar sein, aber wie bekommt Politik ihre Glaubwürdigkeit zurück? Falls sie überhaupt jemals eine solche gehabt hat. Mit den derzeitigen Schwindeleien wird das auf gar keinen Fall in absehbarer Zeit passieren.

 

27. 3.

Bildung schützt vor Armut. Wird behauptet. Stimmt aber leider nicht. Beziehungen schützen vor Armut, wie man im Zusammenhang mit den derzeitigen Untersuchungen bei etlichen lebenden Unschuldsvermutungen ganz klar sehen kann. Der bereits vor einigen Tagen erwähnte Volksmund plädiert inzwischen bereits für drastische Strafen. Und zwar in Form von körperlicher Züchtigung. Oder sogar mehr. Die offensichtliche Hilflosigkeit des gemeinen Volkes führt zu immer gewalttätigeren Gedanken. Und das finde ich gar nicht mehr lustig.

 

28. 3.

Schlaflos in Wien. Quartier vorhanden, Schlaf unauffindbar. Tabletten sollen helfen. Hanf wäre besser, ist aber illegal. Na dann, gute Nacht.