Ruth Beckermanns filmisches Reisejournal
Ist vom «Amerikanischen Traum» die Rede, wissen fast alle, auch Nicht-Amerikaner_innen, was gemeint ist. Interessanterweise spricht niemand vom «französischen» oder «deutschen» Traum, merkt eine von Ruth Beckermanns Gesprächspartner_innen an.
Zu Beginn des Dokumentarfilms «American Passages» scheint so ein «American Dream» gerade wahr geworden zu sein: Jubelnde Menschen auf den Straßen Brooklyns feiern den Wahlsieg Obamas. Auf der Reise durch die USA Richtung Westen begegnen dem Filmteam und somit auch dem Publikum Sieger und Verlierer, Menschen unterschiedlichen Alters auf verschiedenen Stufen der sozialen Hierarchie. Gedreht wurde im öffentlichen Raum, in privaten Wohnungen, in Institutionen wie Museen, Gedenkstätten, Bildungseinrichtungen, im Gefängnis oder auch im Spielcasino. Immer wieder sind Aufnahmen von Orten zu sehen, die im englischen als «nondescript», also unscheinbar oder unbestimmbar, bezeichnet werden Wohnanlagen, Straßen, vorbeifahrende Autos usw. Es sind typisch amerikanische Bilder, die aber keinem spezifischen wiedererkennbaren Ort zuordenbar sind.
In Gesprächen erzählen die Leute von sich selbst, von sozialen Veränderungen, von historischen Gegebenheiten und Bewegungen. Auffallend ist das große geschichtliche Bewusstsein vieler Interviewpartner_innen, und auch, dass alle Personen Würde ausstrahlen sei es eine Kellnerin, eine Richterin, eine junge Braut, Gefängnisinsassinnen, ein «illegaler» mexikanischer Arbeiter, Bewohner_innen des US-Pendants des Gemeindebaus, Obdachlose oder ein alter Spieler und Ex-Zuhälter.
«American Passages» zeigt eine Vielzahl kurzer Porträts von unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Milieus; die kleinen Erzählungen, aus denen der Film besteht, weisen über das jeweils konkret Abgebildete hinaus, und so entsteht insgesamt ein großes, offenes und differenziertes Bild des drittgrößten Landes der Erde und seiner Bewohner_innen.