Werbung an Schulen
Bildung ist eine der wesentlichen hoheitlichen Aufgaben der Republik. Bildung kostet Geld. Bildung wird unter anderem durch Werbung an Schulen und Sponsorships finanziert. Bildung ist aber keine Ware, deren Einkauf durch Werbeaufkommen und Erträge von Sponsorships bestimmt werden darf. Clemens Staudinger über die Hintergründe.
Illu: Much
Das Schulunterrichtsgesetz (SchUG) erlaubt seit 1996, an Schulen und bei Schulveranstaltungen gegen Bezahlung Werbung für schulfremde Zwecke zu betreiben. Das Treiben der Reklamespezialist_innen wird durch das SchUG eingeschränkt: Die Aufgaben der Schule dürfen nicht beeinträchtigt werden – es bleibt das Heranführen von Schüler_innen von der ersten Klasse Volksschule bis zum Schulabschluss an die scheinbare Normalität der bunten Werbewelt.
Wird an einer Schule Werbung betrieben, so gilt: Zuerst braucht es eine Ermächtigung des Schulerhalters, generell Werbung zulassen zu dürfen. Die einzelnen Verträge mit Werbeaspiranten hat dann die Schulleitung abzuschließen. Und da zeigt sich bereits eine Problematik: Das Gros der österreichischen Schuldirektor_innen sieht sich in erster Linie als Pädagog_innen, deren Aufgabe es ist, Bildungsvermittlung zu gewährleisten, zu organisieren und nicht als Keiler_in für Werbeaufträge in Erscheinung zu treten. Allein diese Einstellung nützt den Schulleiter_innen wenig, oft ist die Kohle der Werbetreibenden nötig, um Projekte von Schüler_innen realisieren zu können.
Scheinbar verlockende Geschäfte
Das Schulunterrichtsgesetz spricht auch von einer Schutzpflicht der Schule gegenüber den Schüler_innen. In einem Rundschreiben des Unterrichtsministeriums an alle Schulleiter_innen wird daran erinnert, dass diese Schutzpflicht alle Bereiche des schulischen Handelns umfasst und dies aus gutem Grund: «So darf an Schulen keine Werbung stattfinden, die zur unüberlegten Preisgabe gesetzlich eingeräumter Rechtspositionen verleitet. In diesem Zusammenhang wurden Schülerinnen und Schüler von einem Geldinstitut aufgefordert, die örtliche Zweigstelle aufzusuchen, um sich dort einen Markenrucksack abzuholen. Sie bräuchten dafür nichts weiter zu tun, als ihre Daten zur Eröffnung eines kostenlosen Jugendkontos bekannt zu geben. Mit dieser Art von Werbung wird den Betroffenen ein scheinbar günstiges Geschäft vorgetäuscht. Für das Bekanntgeben einiger weniger, prima vista als belanglos eingestufter Informationen zu seiner Person erhält man einen Markenartikel als Geschenk und eröffnet als Zugabe ein gebührenfreies Konto, verbunden mit Ermäßigungen bei diversen Veranstaltungen.» Das Ministerium verschweigt, aus welchen Gründen auch immer, höflichst, das Geldinstitut beim Namen zu nennen. Der Augustin hat da keine Probleme und informiert seine Leser_innen: Es war die Raiffeisen Landesbank Niederösterreich-Wien!
Bei der Causa Raiffeisen/Rucksack/Konto zeigt sich noch eine weitere Problematik, die als exemplarisch gesehen werden kann: Das Unterrichtsprinzip Wirtschaftserziehung und Verbraucher_innenbildung wird durch das Unterminieren der datenschutzrechtlichen Stellung der Schüler_innen ad absurdum geführt. Auf der einen Seite hat die Schule die Aufgabe, Schüler_innen in Richtung datenschutzrechtliche Aspekte zu sensibilisieren, auf der anderen Seite trumpft Werbepartner Raiffeisen mit der Ansage «Markenrucksack gegen Daten» auf.
Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) gilt auch in der Schule. Das Bildungsministerium schildert einen Fall: «So hat das Oberlandesgericht Wien das Verteilen eines Mitteilungsheftes mit Werbung an Volksschulkinder durch Lehrkräfte als aggressive Geschäftspraktik eingestuft, weil Kinder dieses Alters das Mitteilungsheft als Schulutensil und nicht als Werbemaßnahme wahrnehmen. Bedrängen sie ihre Erziehungsberechtigten, ihnen die beworbenen Produkte zu kaufen, ist das eine Belästigung im Sinn von § 1a UWG, weil die Konsumwünsche der Kinder mit rechtswidrigen Werbeaktivitäten geweckt wurden.»
Im Gespräch mit Schulleiter_innen zeigt sich noch ein weiterer Aspekt: Die Möglichkeit/Notwendigkeit, in Schulen Geld mittels Werbepartner zu akquirieren, ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass Schulkosten steigen, während Budgets sinken. Und würde die hoheitliche Aufgabe der Republik, Bildung zu ermöglichen, ernst genommen, dann wäre Werbung an Schulen nicht notwendig und auch aus inhaltlichen Gründen tabu.