'Da müßte er tot sein'
Alles wie gehabt? Nachdem ein Farbiger – der AUGUSTIN berichtete – mit den Worten „dreckige Negersau!“ beamtshandelt worden war, sagte Innenminister Schlögl den fünf erschütterten Augenzeugen schonungslose Aufklärung zu. Fünf Wochen später erklärte Schlögl gegenüber der Kronenzeitung: Die Zeugen müssen gelogen haben… Im Folgenden eine Stellungnahme einer jener Personen (Name der Redaktion bekannt), die nun diffamiert werden, weil sie ihrer Zeugenpflicht nachkamen.Ich bin in der Nacht des 3.3.1999 bei der U – Bahn Station Schottenring, gemeinsam mit einigen anderen mir unbekannten Personen, zufällig Augenzeuge/in eines gewalttätigen Polizeiübergriffes, zweier Beamten gegen einen Farbigen, mit eindeutig rassistischem Charakter geworden. Als der Farbige längst unter Kontrolle der zwei Polizisten war, und sie ihm Handschellen anlegen hätten können, wurde er von ihnen noch geschlagen, ins Gesicht getreten und als „Negersau“ beschimpft Auf mich machte das Gesehene den Eindruck einer Mißhandlung, da die Beamten mehrmals aufgefordert wurden, mit den Übergriffen aufzuhören.
Ich sowie vier andere Zeugen haben das Wahrgenommene wiedergegeben, nun werden wir von Vertretern der Exekutive via Medien mit massiven Vorwürfen wie die, Unwahrheiten kolportiert zu haben, konfrontiert. So schrieb P. G. im Kurier vom 19. März 1999, General Franz Schnabl (Generalinspektor der Sicherheitswache, Wien) zitierend: „Das Verletzungsbild paßt nicht zu den Aussagen“ – der Zeugen. Schnabls lakonischer Kommentar zu den ihm bekannten Aussagen: „Da müßte der tot sein.“
Josef Kleindienst, Vorsitzender der Freien Exekutivgewerkschaft, drohte uns mit folgenden Worten: „Sollten sich die Aussagen erwartungsgemäß als unwahr herausstellen, wird die Freie Exekutivgewerkschaft alle straf- und zivilrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um diese sogenannten Zeugen zur Rechenschaft zu ziehen. …..Es kann nicht sein, daß Exekutivbeamte durch unwahre Behauptungen dienstliche und private Nachteile erleiden, nur weil sie ihre Pflicht erfüllen.“ Angeblich werde, gegen uns Zeugen, auch schon eine Anzeige wegen Verdachtes einer strafbaren Handlung von Josef Kleindienst vorbereitet.
Der Innenminister, unsicher geworden ob seines früheren Engagements (wir Zeugen waren von ihm eingeladen, das Gesehene persönlich nahezubringen, er zeigte Betroffenheit und versicherte uns, – wohl auch von unserer Glaubwürdigkeit überzeugt – daß die Angelegenheit aufgeklärt würde), nimmt Wochen später zu unseren Wahrnehmungen eine ganz andere Haltung ein. In der Kronenzeitung vom 18.4.1999 wird Schlögl, nachdem der in Hannover lebende Franzose gestanden hatte, sich gegen seine Verhaftung gewehrt zu haben und wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt verurteilt worden war, von Peter Gnam mit folgenden Worten zitiert: „Es hat sich alles ganz anders abgespielt, als das öffentlich dargestellt worden ist.“
Der Verurteilte, Mohammed S., hat kein Interesse an einer Aufklärung seines Falles, er konnte sich bei der Gerichtsverhandlung nicht mehr erinnern, daß er geschlagen worden war, nur daß er im Spital wieder zu sich kam. Die Existenz von Augenzeugen ist für ihn unerheblich, das Strafausmaß von 8 Monaten bedingter und einem Monat unbedingter Haft, die er im Untersuchungsgericht bereits
abgesessen hat, stellte ihn offenbar zufrieden; er will zurück nach Hannover. Jenseits des Ausganges dieses Gerichtsverfahrens und den gemachten Aussagen wäre aber zu bedenken:
- Da der Verhaftete sich an die Schläge nicht mehr, an seinen Aufenthalt im Lorenz-Böhler-Unfall-Krankenhaus aber wohl noch erinnern konnte, wäre folgendes zu hinterfragen: Wieso kam ein Ambulanzwagen (an den sich offenbar noch alle erinnern können), mußte den „angeblich nur leicht Verletzten“ auf einer Bahre und mit Lichtsignal, in schnellem Tempo in das nächstgelegene Unfallkrankenhaus transportieren, wenn es nur kleine Schnittwunden zu behandeln gab? Wurde der behandelnde Arzt des Krankenhauses befragt? Kam es zu einer Befragung der Sanitäter? Woher kamen die Schnittwunden? Daß die Verletzungen letal gewesen seien, war von niemandem bezeugt worden.
- Im betreffenden Fall wurde nun vom Verhafteten zugegeben, daß er sich gegen seine Verhaftung gewehrt hatte, doch auch dies kann kein Freibrief an die Exekutive sein, bei einer Verhaftung unverhältnismäßige Gewalt anzuwenden, noch auch, ihn rassistisch zu beschimpfen. Eine Verhaftung, gleichgültig an welcher Person vorgenommen, unterliegt rechtsstaatlichen Regeln und diese waren im vorliegenden Fall von den Beamten nicht mehr beachtet worden.
Ich hoffe, daß ein gewalttätiger Polizei – Übergriff mit rassistischen Beschimpfungen (eine davon wurde auch gegenüber einer Zeugin geäußert) den Rahmen der „Pflichterfüllung“ unserer Exekutive überschreitet.
- In einigen Kommentaren wird ein Bild von den Zeugen als einer homogenen Gruppe gezeichnet (Innenminister Schlögl weiß, daß die Zeugen dies nicht sind), wie um den Eindruck zu erwecken, es hätte Absprachen gegeben. Daß dies nicht der Fall ist, möchte ich hier nochmals ausdrücklich betonen. (Die Verwendung des Personalpronomens „wir“ sollte nicht zu dieser Annahme verleiten.)
- Anscheinend wird jetzt, nach seiner Verurteilung, Mohammed Ss. „Erinnerungsvermögen“ und seinen ausweichenden Aussagen mehr Glauben geschenkt als fünf unabhängigen Beobachtern, ob dies sich schlüssig argumentieren lassen wird, ist für mich fraglich.
- Wieso wurden wir Zeugen nicht zur Verhandlung (weder vom Staatsanwalt, noch vom Verteidiger) vorgeladen um unsere Beobachtungen wiederzugeben?
Mit den Diffamierungsversuchen gegenüber den ZeugInnen bekommt der Fall eine weitere Dimension; man versucht vor allem, nachdem der Verdächtige seine gerichtliche Verurteilung in einem Zustand von scheinbarem Gedächtnisverlust hingenommen hat, um so rasch wie möglich das Land verlassen zu können, eine Hetzkampagne gegen mich und die anderen Zeugen zu lancieren.
„Es hat sich alles ganz anders abgespielt.“ (Schlögl) Wie denn?
„Wir sollen zur Rechenschaft gezogen werden.“ (Kleindienst) Wofür? Weil ich ungewollt Beobachter einer Szene wurde?
Soweit ich informiert bin, gibt es per Gesetz Zeugenpflicht. Ich muß meine Wahrnehmungen angeben und die Justiz in Kenntnis setzen, damit diese Untersuchungen vornimmt. Der Staatsanwalt wird über eine Anklage entscheiden. Ich bin kein Ankläger, sondern Zeuge. Meine Zeugenschaft ist von Anbeginn mit Mühen, Schwierigkeiten, zeitweise auch Ängsten, Verdienstentgang und Ärger verbunden gewesen. Schließlich wird unsere Integrität durch Kriminalisierungsversuche in Zweifel gezogen.
Aus welchem Grund sollte ich all diese genannten – und womöglich noch kommenden – Probleme auf mich nehmen? Ich kenne für mich nur einen Beweggrund. Ich habe den Polizeieinsatz in der von mir dargestellten Weise beobachtet (egal welche Aussagen der Verurteilte dazu tätigt), und war von dem Gesehenen so erschüttert, daß mir ein Schweigen zu dem Beobachteten, als unrechte Handlung vorgekommen wäre.
XX (ein/e Augenzeuge/in)
PS: Ohne Zweifel brauchen wir eine Exekutive, jedoch sollte sie im Rahmen der auch für sie geltenden Gesetze agieren, anstatt Bürgerrechte zu beschneiden respektive zu mißachten.