Seitenstetter Hof, Heiligenkreuzerhof, Schwarzspanierhof, Melkerhof ...
In vielen österreichischen Städten ist die katholische Kirche die größte Grundbesitzerin. Auch in Wien. Christian Bunke hat sich das weit verzweigte Netz kirchlichen Immobilienbesitzes angesehen.
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Mit dem überragenden Votum für ein Ende des Abtreibungsverbots in Irland hat das Wertesystem der katholischen Kirche erst unlängst einen empfindlichen Dämpfer hinnehmen müssen. Nicht davon betroffen sind Werte ganz anderer Art, über welche die Kirche zumindest hierzulande in erheblichem Ausmaß verfügt – materielle Werte in Form von Liegenschaften und Immobilien. Diese werden laut römisch-kanonischem Kirchenrecht von einem «Band der Einheit und der Liebe» zusammengehalten. Soll heißen, alle Besitzungen der Kirche gehören dem Papst, welcher letztendlich auch die alleinige Verfügungsgewalt darüber hat. Dafür, dass die Kirche derart zentralistisch organisiert ist, sind Auflistungen über ihr Eigentum ziemlich schwer zu finden.
Denn «die» Kirche ist nicht «die» Kirche. Es handelt sich vielmehr um ein weit verzweigtes Netz unterschiedlichster Organisationen und Firmengeflechte. Und diese wiederum funktionieren eher nach dem Vorsatz der Verschwiegenheit, die Gold bedeutet. Wer etwa nach dem Einfluss der Kirche auf den Wiener Immobilienmarkt sucht, muss sich die Aktivitäten unterschiedlichster Orden, Stifte, Diözesen, Banken und Genossenschaften anschauen.
Die größte Grundbesitzerin.
So besitzt das Stift der Augustiner-Chorherren in Klosterneuburg rund 700 Wohnungen in Wien und Niederösterreich. Das schreibt Stephan Schmutzer in seiner Diplomarbeit über die katholische Kirche als Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber aus dem Jahr 2009. Aber nicht nur das Stift Klosterneuburg ist in Wien aktiv. Schmutzer: «Für die Benediktiner in Seitenstetten wiederum ist ebenfalls die Vermietung des ’Seitenstetter Hofes’ in Wien eine wesentliche Einnahmequelle. Ähnliches gilt auch für die Zisterzienser aus Heiligenkreuz, die Einnahmen aus dem ’Heiligenkreuzerhof’ und dem ’Schwarzspanierhof’ lukrieren und das Melker Benediktinerstift, das den ’Melkerhof’ und eine weitere Immobilie in der Wiener Schotten-
gasse besitzt.»
In vielen österreichischen Gemeinden ist die katholische Kirche die größte Großgrundbesitzerin. Genauso wie Stifte von außerhalb Wiens in Wien Grundbesitz verwalten, tut dies auch die Erzdiözese Wien. Der genaue Umfang der wirtschaftlichen Aktivitäten der Wiener Erzdiözese ist nur schwer zu ermitteln. Das liegt unter anderem daran, dass es sich oft um sogenannte «Mensalgüter» handelt. Über diese verfügen einzig die Bischöfe selbst. Und sie lassen nur wenig bis gar keine Informationen darüber nach draußen. Manche Zahlen gibt es immerhin. So berichtete das Nachrichtenmagazin Profil am 21. März, dass die Kirche im Jahr 2016 105 Millionen Euro aus «Vermögensverwaltung, Vermietungen, Leistungen, Subventionen und sonstigen Erträgen» erwirtschaftete.
Wasser predigen, Wein trinken.
Eine detaillierte Auflistung der Besitztümer der katholischen Kirche findet sich in dem Buch Gottes Werk und unser Beitrag. Die Autoren Carsten Frerk und Christoph Baumgarten versuchen darin Licht ins Dunkel katholischer Unternehmenswelten zu bringen. Dort erfährt man unter anderem, dass die Wiener Erzdiözese zwei Immobilienstiftungen betreibt, diese aber in den Geschäftsberichten der Diözese gar nicht auftauchen. «Für das institutionelle Privatvermögen der (Erz-)Bischöflichen Mensalgüter, Immobilien und Geldvermögen lässt sich eine Größenordnung von mindestens 417 Millionen Euro nachweisen», schreiben die beiden Autoren.
Bekanntlich predigt die Kirche gerne Wasser, trinkt selber aber Wein. Das ist auch bei den Immobilien so. Allein für Wien listen Frerk und Baumgarten zahlreiche Nobeladressen auf. Da ist zum Beispiel die Erzbischöfliche Schlossanlage Gut St. Veit an der Wien im 13. Gemeindebezirk. Oder das ehemalige Stadtpalais und Geburtshaus von Johann Nestroy in der Bräunergasse 3. Auch in der Inneren Stadt besitzt die Kirche zahlreiche Objekte, vor allem rund um den Stephansplatz.
Die Kirche und ihre Bank.
Jetzt soll niemand sagen, die Kirche kümmere sich nicht um das gemeine Volk. Seit den späten 1940er-Jahren ist sie im geförderten Wohnbauwesen aktiv. 1947 wurde die Bau- und Siedlungsgenossenschaft Frieden gegründet. Auf der Unternehmenshomepage ist zu lesen: «In den vergangenen sieben Jahrzehnten wurden mehr als 15.000 Wohnungen von der FRIEDEN errichtet. Heute zählt die FRIEDEN zu den Top 10 der gemeinnützigen österreichischen Wohnbaugenossenschaften und verwaltet ca. 40.000 Wohneinheiten in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Tirol.»
Der Vollständigkeit halber soll auch das im Immobilienwesen aktive Bankhaus Schelhammer und Schattera nicht unerwähnt bleiben. Diese Wiener Privatbank befand sich bis 2015 mehrheitlich im Besitz der katholischen Kirche. Noch immer hält die Erzdiözese Wien Anteile an dem Bankhaus. Die Bank selbst bezieht sich bis heute positiv auf «eine lange gemeinsame Geschichte mit Institutionen der katholischen Kirche». Heute gehört das Bankhaus mehrheitlich zur GRAWE-Gruppe. Das war für die Kirche insofern praktisch, weil das enge Verhältnis der Bank zu den Casinos Austria doch etwas lästig wurde. Das Geschäft mit der Spielsucht hat kein gutes Image. Jenes mit den Mieter_innen treibt man dagegen mit Gottes Segen weiter. Wie? Darüber werden wir demnächst berichten.