Reif für Radio BurgenlandArtistin

Musikarbeiter unterwegs mit der Neigungungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune

Neigungsgruppe.jpgVon der Lesereise auf die Musikbühne. Eine etwas andere Bandgeschichte. Eine CD, die wir getrost als augustinöses Weihnachtsgeschenk empfehlen können: Der Herrgott is a Eierspeis aus tausend Eier gmocht.

Natürlich, ein leicht grindiger, klassischer Wiener Wirt wär der bessere Treffpunkt gewesen, um bei Seidln (plenty of!) und Gulasch (scharf!) die Dinge der Musik und des Lebens zu erörtern, vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen und dann mit einem sich abzeichnenden pflegebedürftigen Kater von dannen zu wanken, mit mehr als kryptischen Interview-Notizen. Oder gleich beim Branntweiner! Schon illuminiert starten und dann schnell in die wirklichen Tiefen tauchend, um sich auf gleicher Augenhöhe mit den Liedern der ersten CD der Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune, Goodnight Vienna zu treffen.

Weil es eben nicht um Klischeeerfüllung geht, treffen wir uns unweit vom Arbeitsplatz der Herren Fuchs, Ostermayer, Pfister und Zikmund. Alle vier verdienen ihr Geld bei Radio FM4. Was wir sind in Österreich natürlich bezüglich der Wahrnehmung ihrer Musik in eben diesem Medium unweigerlich Nepotismus-Vorwürfe hervorruft, während die vier Protagonisten Negativ-Nepotismus orten (um diesen Vorwürfen keinen Vorschub zu leisten). Aber lass uns nicht über FM4 reden.

Fakt ist, dass die Neigungsgruppe auf eine überfüllte und umjubelte CD-Präsentation zurückblicken kann und ein Album vorgelegt hat, das einem beim ersten Hören ein what the fuck entlocken mag. Oder wir sind ja in Wien wos soi der Schaaß? Mit seinen zu mitunter recht cheesy Sounds ein gekonnt wackliger Wunschbastard aus Austropop (I was eh, des singt der Ambros heißt es in einem Song) und Wienerlied vorgetragenen Übertragungen ins Hiesige von Künstlern wie Connor Oberst, Pete Doherty (G’fickt für immer wünscht man sich als Beilage für unerträgliche heimische Mainstream-Medien, die sich an Drogen-Pete aufgeilen tausende Abokündigungen, Konkurs, krach, Fellner-Imperium, krach!), Tom Waits oder Tex Perkins (Beasts Of Bourbon) kann einen schon quasi schief anreden. Oder begeistern. Wie das Münchner Label Trikont, dass die mit dem Wiener Real-Indie Trost konzipierte CD der Neigungsgruppe, die im Sommer aufgenommen wurde, unbedingt in Deutschland veröffentlichen wollte. Nicht zuletzt die Originale, aus der Feder von David Pfister und Robert Zikmund, entwickeln einen so eigenen Charme, dass man sich rasch bei skeptischem Mitsingen erwischt. Stücke wie Fritz Ostermayers (mit Texten von Werner Schwab, dem er zugeeignet ist) Calypso-Schuhplatter für Werner Schwab treffen so gezielt in anders schlagende Herzen, dass man Goodnight Vienna getrost als Weihnachtsgeschenk to end all Weihnachtsgeschenke für mündige Augustinleser und -leserinnen empfehlen kann. Bub, fackel die Krippe ab und ich kann dich singen hören:

Der Herrgott is a Eierspeis aus tausend Eier gmocht/und tausend Eier ham an Preis, a wauns im Herzerl kracht.

Schädel Hängen


Begonnen hat die Neigungsgruppe 2003 auf Radio-FM4-Lesungsreise, bei denen die vier aus dem Vollen von Texten aus der Mötley-Crue-Biographie Dirt bis hin zu Thomas Bernhard schöpften und einen immer größer werdenden Common Ground von Obsessionen und Interessen entdeckten. Da alle Beteiligten seit Jahr(zehnt)en musikalische Überzeugungstäter sind, David Pfister und Robert Zikmund wirkten mit Clemens Haipl bei Hairstyle, die Bands und Projekte von Christian Fuchs (aktuell Bunny Lake) und Fritz Ostermayer (vom Scheitel bis zu The Very Pleasure mit Naked-Lunch-Mann Oliver Welter) sind Legion, lag das Singen nahe. Aus einem Lied wurden mehr und schließlich die Feststellung Ok, was wir da tun, berührt uns alle. Mitunter in der Ostermayer’schen Küche wurde gespielt und diskutiert.

Dass bei vier Menschen, die ihr Geld nicht zuletzt mit der Reflexion von Musik verdienen, das Abklopfen des eigenen Tuns kein Lercherlschaas ist, die Frage Geht sich das überhaupt aus? immer wieder im Raum steht, hört man dem Album an weil man es eben nicht hört. Scheitern gehört dazu, wie bei einem Killers-Stück, das nicht funktionierte. Anders gesagt, bei aller gewollten Grenzwertigkeit, das stimmt, was da passiert, they mean it, man! Gerade weil etwa Christian Fuchs einen sängerischen Zugang findet, den Ostermayer als method acting definiert, ohne dass die Neigungsgruppe in Kabarettismus verendet. Wenn sich einer der wortreichsten und begeisterungsfähigsten Radiomacher des Landes wie Fritz warmredet, wird schnell klar, dass da vieles drinnen ist in diesen Liedern, wenn man sie, die Texte verstehend, als tief empfindet, während man in den englischen Originalen das Größere vermutet, auch eine Echtheit des Gesungen voraussetzt, weil man das der größeren Sprache zugesteht, automatisch. Noch konkreter sind Triumphe wie der, dass Radio Burgenland die Neigungsgruppe spielt. Wo bleibt Radio Wien?

I hoss mein Hund, i hoss mei Frau, I hoss de zwa Buam und alle hossen mi ganz gleich, weis ausser Hoss nix kennan tuan, gehts scheissen! (Da Hoss in mia).

Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune: Goodnight Vienna (Trost/Trikont)

www.trost.at