Wenn ein Funsport einen Meisterschaftstitel zu vergeben hat
Bubble Football wird gewöhnlich auf Polterabenden und Betriebsfeiern gespielt. Wie die österreichische Meisterschaft des Funsports abläuft, wollten Carolina Frank (Fotos) und Hannes Gaisberger (Text) wissen.
Vielleicht liegt es am gleißenden Sonnenschein. Aus der Ferne sehen die Bubbles auf der Schmelz wie riesige, reife Löwenzahnblüten aus, die über eine Ödnis geweht werden. Noch steckt ja niemand in ihnen drin. Bereits aufgeblasen auf Insass_innen wartend, werden sie dann und wann von einem Windstoß ergriffen und rollen ein paar Meter über den Kunstrasenplatz. Es ist Samstagmittag, und die ersten Teilnehmer_innen treffen ein. Die Bubbles werden interessiert in Beschau benommen. Viele konnten sich also bis dato vor Polterabenden und Team-Building-Events geschickt drücken und praktizieren den Sport heute zum ersten Mal. Hier sollen also tatsächlich Meister_innen vom Himmel fallen.
Durchtrainiert und stocknüchtern.
Und das schon zum vierten Mal, wie Oliver Pregernig anmerkt. Der Pionier und Entdecker des Sports freut sich, nach zweijähriger Pause wieder ein Titelturnier austragen zu können. Da er und sein Kompagnon Erich Pawelka hauptberuflich dem Dienstplan eines Krankenhauses zu gehorchen haben, geht es sich eben nicht jedes Jahr aus. Acht Teams mit vier bis sechs Spieler_innen haben sich gemeldet, dazu kommen etliche Fans und Angehörige. Aktive und Fans sind durch die Bank junge, durchtrainierte Personen und allem Anschein nach auch stocknüchtern. Das hätte man auf den Innviertler Hobbyturnieren meiner Adoleszenz nie geduldet.
Apropos Alkohol: Das Verletzungsrisiko steigt laut Oliver Pregernig nicht mit zunehmendem Konsum. Zahllose Junggesellenabschiede haben das bewiesen. «Wenn etwas passiert, sind das typische Fußballverletzungen im Beinbereich.» Den Rest fängt die Bubble ab. Am anfälligsten sind die Teilnehmer_innen von Firmenevents, untrainiert und übermotiviert. «Einen Krankenwagen haben wir aber noch nie rufen müssen.» Ein weiterer Unterschied zu den Hobbykicker_innen meiner Jugend.
Plastiksport.
Der Sport hat den Spaß im Blut. Entwickelt als Gimmick für eine norwegische Spielshow im Jahr 2011, erfreute sich das Kicken in der großen Plastikblase sofort großer Beliebtheit. Über Skandinavien und dem ehemaligen Großbritannien breitet er sich global und viral aus. So kommt auch Pregernig in Kontakt: «Mit meinem Mitgründer Erich Pawelka habe ich im Sommer 2013 zufällig ein Video gesehen. Wir waren begeistert und konnten gar nicht mehr aufhören, zu lachen. Wir wollten das natürlich gleich selbst ausprobieren.» Nach einer ausgiebigen Recherche im Internet stellten sie fest, dass die Anbieter zu weit weg und viel zu teuer waren. Für die jungen Männer drängte sich eine klassische Start-up-Frage auf: «Warum bringen wir den Sport nicht einfach selbst hierher und versuchen, ihn zu einem fairen Preis anzubieten?» Über ihren damaligen Produzenten aus Dänemark wurde der Weltverband IBFA auf sie aufmerksam, und man erteilte Bubblesports, wie das Nebengeschäft von Pregernig und Pawelka heißt, den Ritterschlag und Quasi-Verband-Status.
Bubble Football oder Bubble Soccer, wie der Sport verwirrenderweise abwechselnd genannt wird, kennt wenige Regeln. In der Ausschreibung der Meisterschaft findet sich die Passage: «Es gibt keine Abseitsregel und generell keine Fouls.» Man muss das ein bisschen wirken lassen und bedenken, was das für das Spiel bedeutet. Erich Pawelka wechselt sich mit seinem Mitgründer als Referee und Moderator des Turniers ab. Traditionsvereine spielen hier keine große Rolle, mehr als die Hälfte sind zum ersten Mal dabei. Könnte das ein Nachteil sein, Herr Pawelka? «Die Erfahrenen wissen schon, dass man nicht versuchen soll, Fußball zu spielen. Dass es oft mehr Sinn macht, den anderen umzuhauen.» So viel zum Schiedsrichter.
Die Füllungen der Bubbles.
Die Teilnehmenden sind größtenteils männlich, ein paar Teams sind zart gemischt. Ein Spieler kennt den Sport vom Poltern, ein Herr mit grüner Perücke irgendwie vom Studium. Ich nutze den Moment, um in eine freie Bubble zu schlüpfen. Man kriecht hinein, schnallt sie hinten wie einen Rucksack auf und gibt vorne die Hände an Griffe. Durch die Sichtfenster bei den neuen, chinesischen Modellen kann man einigermaßen das Gesichtsfeld überblicken. Die Bubble wiegt mehr als gedacht und gibt jeden Stoß weiter. Sie ist nicht ganz leicht an- und auszuziehen. Und heiß wird einem darin auch schnell. Aber Spaß macht das schon, wenn ich auch wegen der Brillen und der Knie keine gewagten Manöver damit veranstalte.
Das Aufwärmen fällt höchst unterschiedlich aus: Während sich die einen mit Weitschüssen eichen, jagen sich Teamkolleg_innen laut kichernd und gegenseitig niederschubsend über den Platz. Wenn zwei Bubbles im richtigen Momentum aufeinanderprallen, gibt es für beide kein Halten mehr. Kugelt man dann wie ein Mistkäfer über den Rasen, muss man sich auf die Knie rollen und kann so wieder aufstehen. In den ersten Begegnungen merkt man noch das Herantasten der Sportler_innen an das Spiel. Viele Bälle fliegen ins Aus, Bewegungen und Taktiken werden ausprobiert. Weitschüsse, Ballonbälle, Kopfbälle mit der Bubble … was wirkt? Tatsächlich sind etliche überrascht, dass rohe Gewalt ein probates Mittel ist. Selbst wenn der Ball weit entfernt ist: Rempler, Taucher, Checks, alles ist erlaubt. Derart abgeräumt, spielt es sich schon leichter, und man steht plötzlich frei vorm Tor.
Zwischen Brutalität und Ballgefühl.
Der Schatten ist rar an diesem Nachmittag, und so wuchten sich gestählte Körper neben mir ins kühle Torout. Dresscode: Crossfit und Extremlauf-Finisher. Einer ist laut Leiberl sogar Super-Finisher, das Trikot seines Kollegen tönt: «Austrians always finish.» Sie wägen ihre Chancen ab. «Schauen wir mal, wie lange die anderen Kraft haben.» Taktiken werden besprochen und verworfen, immer wieder kommt der Vorschlag: «Und wenn wir einfach alle umhauen?» Es sollte sich herausstellen, dass in jedem Team mindestens ein sehr athletischer Spieler aufläuft. Und der hohe Schwerpunkt von Hünen wird von bärbeißigen Wühlern gerne ausgenutzt. Im Lauf des Turniers finden die Mannschaften eine Balance zwischen Brutalität und Ballgefühl, schön herauskombinierte Tore sind zu bejubeln. Ohne Umarmungen allerdings, die lässt die Blase nicht zu.
Die Zukunft der Blase.
Wie geht es weiter mit Bubble Football? Oliver Pregernig hat keine hochfliegenden Pläne von wegen Ligabetrieb oder einer Nationalmannschaft. Für ihn ist das ein Funsport, nicht mehr und nicht weniger. Dazu ist er zeitlich voll ausgelastet. Wenn man sieht, wie sich die Qualität des Spiels an einem Nachmittag steigert, wäre es nicht interessant, was Profis aus Bubble Soccer machen könnten? Pregernig bittet um Geduld: «Dieses Semester soll am Universitätssportinstitut USI, hier auf der Schmelz, erstmals ein Bubble-Football-Kurs angeboten werden. Von jemand, der früher bei uns gespielt hat.» Vielleicht heben die Bubble-Soccerologen von der Schmelz die Blase spielerisch auf eine neue Stufe?
Und letztendlich ist es ein Sport, der gespielt und nicht nur gekämpft wird. Die zwei martialischsten Teams waren im Finale nicht mehr dabei. Beim Turniersieger konzentrierte man sich mehr aufs Toreschießen als auf Bodychecks. Der Sport hat zweifelsohne Potenzial. Aber ob man das heben kann, ohne den Spaß rauszunehmen?