Reinhard Liebe macht es wie die SamenArtistin

Einst Liedermacher, jetzt Geschichtenerzähler

Reinhard Liebe war Liedermacher und Bewährungshelfer. Im Jahr 2000 erlitt er einen Schlaganfall, an dessen Folgen er noch immer leidet. Nun arbeitet er wieder als Psychotherapeut. Zuweilen lädt er zu einem Abend ein, an dem er Stehgreifgeschichten erzählt. Zum Beispiel am 13. Juli in der Alten Schmiede.Für eine qualifizierte Minderheit bist du als Liedermacher bekannt geworden. Wann hast du mit der Musik begonnen?

1969 habe ich die erste kleine Gruppe zusammengestellt. Das war aber musikalisch sehr amateurhaft. Auf der Gitarre beherrschte ich vier Griffe, später wurden es sechs. Im seinerzeitigen Cafe Josefinum im 9. Bezirk, in dessen Keller das legendäre Atlantis beheimatet war, hatten wir als Vorgruppe der Milestones unseren ersten Auftritt.

Kannst du dich noch an dein erstes von dir selbst verfasstes Lied erinnern?


Es hieß Ihr habt den Speck, und wir die Schwarten 1975 erschien die erste Schallplatte, der im Laufe der Jahre drei weitere folgten.

Du bist mir erstmals mit deinem Lied über den Barockmaler Peter Fendi (1796 1842) aufgefallen. Fendi war gebürtiger Tiroler. Bist du auf ihn aufgrund eigener Spurensuche gestoßen?

Ich war auf der Suche nach Wichsvorlagen, die man ohne sich genieren zu müssen, herumliegen lassen kann. Und Fendi hat pornographische Kunst produziert. Wobei seine pornographischen Sachen sicher nicht die künstlerische Qualität haben wie viele andere seiner Werke.

In den 70er-Jahren gab es ein Aufblühen von kulturellen Initiativen: Literaturzeitschriften, Autorenverlage, Theatergruppen und vor allem gab es eine starke Liedermacherszene, abseits der Austria 3. Diese Liedermacherszene gibt es nicht mehr. Wie erklärst du dir das?

Es ist wohl eine Frage der freien Marktwirtschaft. Um diese Nachfrage abzudecken, haben drei Leute genügt. Die haben Kokainkunst produziert, die waren schick, mit denen konnten die Produzenten koksen und saufen.

Wie weit beobachtest du noch musikalische Strömungen in Österreich? Wenn ich so Leute wie Christel Stürmer ansehe, ist das ja in jeder Hinsicht nur mehr ein Rückschritt. Sogar im Vergleich zu dem, was früher als Austria-Pop bezeichnet wurde.

Das sehe ich auch so und ich beobachte nichts mehr, weil es nichts zu beobachten gibt. Es gibt Einzelkämpfer wie den Ernst Schriefel, der noch selber Lieder schreibt und von dem es leider nur selten Auftritte gibt. Was bei den neuen Musikern auffällt, ist, dass es kaum mehr das Bedürfnis gibt, sich politisch zu äußern.

Vor 30 Jahren gab es die Arena-Besetzung, in deren Folge sich Wien in seiner Alltagskultur radikal verändert hat. Ende der 80er-Jahre begann auf allen kulturellen Ebenen ein Rollback, wurde politische Kultur in allen Bereichen out, begann eine Art Biedermaier-Ära.

Es war damals symptomatisch, dass die Stadtregierung die Interessen des Textilkonzern Schöps gegen die Anliegen der Jugendkultur vertreten hat. Es hat gezeigt, dass Demokratie den Interessen des Kapitals im Wege ist, und dass die Interessen des Kapitals letztendlich obsiegen.

In welcher Weise hat die Arena dich beeinflusst?

Sie hat mich in dem Gefühl bestärkt, dass es schon sinnvoll sein kann, für etwas mit zu marschieren, wenn man so will, mit zu schwimmen.

Du hast Philosophie studiert. Als Philosoph kann jemand kaum leben. Wie hat deine berufliche Laufbahn ausgesehen?

Mein Brotberuf war Bewährungshelfer. Eine Sozialakademie gab es damals noch nicht. Es gab vom Justizministerium einen Kurs für gehobene Sozialberufe, den ich absolvierte.

Und wie sehr hat der Brotberuf dein künstlerisches Schaffen geprägt?


Ich habe damals vorzugsweise Bob Dylan gespielt. Ich habe in einer therapeutischen Wohngemeinschaft als Betreuer gearbeitet und fallweise den Klienten diese Lieder vorgeklimpert. Doch die konnten mit den englischen Texten nichts anfangen. Da habe ich versucht die Lieder ins Wienerische zu übersetzen. So entstand der Eggenburger Blues, der die Zustände des Erziehungsheimes beschrieb. Ich habe 30 Jahre lang in der Bewährungshilfe gearbeitet, später als Leiter einer Drogenberatungsstelle. Der legendäre Dr. Pernhaupt hat mich als Mitbegründer der ersten österreichischen Drogenberatungsstelle genannt.

Dann gab es einen dramatischen Einschnitt in deinem Leben. Du hast einen Schlaganfall erlitten, an dessen Folgen du noch heute leidest. Du wurdest sozusagen selbst zum Sozialfall.

Das war im Jahr 2000. Das erste was ich erlebte, war ein Akt der Solidarität. Ich war damals selbständig, jedoch nicht versichert und hatte keine Geldreserven. Und in kürzester Zeit sammelten die Kollegen für mich 120.000,- Schilling, womit mir fürs erste sehr geholfen war. Das hat mich auch moralisch sehr aufgebaut, als der Chef der Bewährungshilfe mit dem Scheck gekommen ist. Wobei auch meine ehemalige Frau sehr dahinter war. Ich war 17 Monate lang im Krankenhaus. Meine Stimmbänder und das Atemzentrum waren gelähmt und ich konnte ein Jahr lang nicht reden. Seit Ende 2001 arbeite ich wieder als Therapeut.

Du warst Sammler von verschiedenen Saiteninstrumenten, die du auch zu spielen versuchtest. Nun kannst du nicht mehr Gitarre spielen. Ist es dir sonst noch möglich irgendwie zu musizieren?

Ein bisschen Singen. Und ich habe ein Keyboard, auf dem ich manchmal klimpere. Aber das gefällt mir eigentlich nicht. Ich arbeite derzeit an einem Programm mit kürzeren Liedtexten 4 bis 8-Zeiler -, die ich singen will und bei denen ich mich von anderen Musikern, wie dem Folkmusiker Alexander Tichy begleiten lassen werde.

Am 13. Juli, 19 Uhr, gestaltest du in der Alten Schmiede in der Schönlaterngasse einen Abend mit Spontangeschichten. Was haben dort deine Besucher zu erwarten?

Es wird spannend, weil ich als Erzähler ja noch nicht weiß, wo das hinführen wird. Ich improvisiere vor Ort Geschichten. Die Leute werden aufgefordert, mir Begriffe zu nennen, das schafft Assoziationsfelder, die ich in den Geschichten verwende. Das Stehgreifgeschichten erzählen geht zurück in die Zeit als Liedermacher. Das habe ich meiner Tochter zu verdanken, die in der Schule ausgeplaudert hat, dass ich für sie immer Geschichten erfinde. Daraufhin wurde ich von ihrer Volksschule eingeladen, es dort zu versuchen. Und das war recht erfolgreich. Und irgendwann ist mir die Idee gekommen, dass man das auch für Erwachsene machen könnte. Ich arbeite an einem utopischen Projekt, bei dem ich mir vorstelle, Prosa-Texte wie Balladen vorzutragen. Dazu gibt es recht exotische Vorbilder. Es gibt auch in manchen alten christlichen Predigten diesen Sinsang. Oder bei den Samen (so nennen sich Lappen selbst) ist das Joiken so etwas. Ein Lieblingsprojekt von mir werden Nachdichtungen von Leonard Cohen, zu denen mich auf der Gitarre zu begleiten, sich mein Sohn bereit erklärte. Ich hoffe, dass dieses Programm bis zum Herbst fertig sein wird.

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