Wie die Caritas-Putzfrauen um ihren Arbeitsplatz kämpften
Armut ist weiblich, sagt die Caritas. Nicht mit uns, antwortet der Betriebsrat. Im Juni schwelte ein Arbeitskampf der Reinigungskräfte, die ausgelagert werden sollten. Text und Fotos: Lisa Bolyos
«Im Namen von Jesus Christus schicken sie uns in die Armut», sagt Karina Marjanović*. «Ich bin schon sehr überrascht von der Caritas.» Marjanović arbeitet seit fast zehn Jahren in der Reinigung. Sie ist direkt bei der Caritas angestellt, hat in verschiedenen Häusern geputzt und dort «ihre Familie» gefunden, wie sie sagt. Und plötzlich sollten die Arbeitsplätze des Reinigungspersonals gefährdet sein.
Mitte Juni ging es durch die Medien: Die Geschäftsführung der Caritas der Erzdiözese Wien möchte alle Reinigungskräfte an ihre Tochterfirma magdas Service GesmbH auslagern. Das war nicht ganz neu, seit einiger Zeit schon rieselte es mehr oder weniger «einvernehmliche Auflösungen des Dienstverhältnisses», und zum gegebenen Zeitpunkt war nicht einmal mehr die Hälfte des Reinigungs-Stammpersonals bei der Caritas angestellt. Karina Marjanović würden die Einsparungsmaßnahmen nicht treffen: Die Auslagerung soll bis 2022 fertiggestellt sein, und Putzkräfte, die kurz vor der Pension stehen, werden laut Geschäftsführung der Caritas ausgenommen. Für andere Frauen gab es – teils erfolgreiche – Unterschriftenaktionen, damit sie in dem Haus bleiben können, in dem sie arbeiten. Für Marjanović sind positive Einzelfälle schön, aber letztlich irrelevant: «Ich kämpfe für alle Putzfrauen, egal ob Caritas oder magdas.»
#magdasnicht.
Bei «magdas» denkt man zuerst an ein Hotel mit Retrochick. Im ehemaligen Josef-Macho-Hof im 2. Bezirk wurde es 2015 als Social Business eröffnet. Hier arbeitet ausgebildetes Hotelleriepersonal mit Flüchtlingen zusammen.
Social Business ist per se eine widersprüchliche Unternehmensform. Einerseits interessant, weil Leuten, die gern am Arbeitsmarkt teilhaben wollen, niedrigschwelliger die Möglichkeit dazu gegeben wird. Andererseits wird der sogenannte «zweite Arbeitsmarkt» so erst aufrechterhalten. Reformerischen (der erste Arbeitsmarkt muss für alle Menschen offen sein) oder revolutionären Ideen (sollen Menschen überhaupt arbeiten gehen müssen, um finanziell ausreichend versorgt zu sein?) wird das Wasser abgegraben.
Heute ist magdas mehr als ein Hotel: Es gibt unter anderem eine Designabteilung, ein Catering und ein Reinigungsunternehmen. «Social Business (…) bedeutet dort zu investieren, wo andere Unternehmen sparen», erklärt der magdas-Webauftritt das Konzept. Darin steckt mehr Wahrheit als beabsichtigt: Damit die Caritas sparen kann, sollten die Putzleute in Zukunft von magdas angestellt werden. Denn obwohl die magdas Service GesmbH ein Tochterunternehmen der Caritas ist, gelten hier andere und schlechtere Kollektivverträge.
Ob magdas extra gegründet wurde, um Lohnkosten zu sparen, mag die zuständige Gewerkschaftssekretärin der Dienstleistungsgewerkschaft vida, Ursula Woditschka, nicht beurteilen. «Wir beobachten in den letzten dreißig Jahren regelmäßig, dass unternehmenseigene Reinigungstrupps ausgelagert werden, in der Privatwirtschaft genauso wie in Behörden und Bundesministerien.» Also ist die Aufregung der Caritas-Reinigungskräfte zu groß? «Nein, auf keinen Fall. Wir finden das als Gewerkschaft nicht gut, Stammpersonal auszulagern. Da geht es um den Einkommensverlust, aber auch um Respekt und Anerkennung.»
300 Euro weniger.
Genau das vermisst auch Sherine Ashour*. Sie arbeitet seit acht Jahren als Reinigungskraft bei der Caritas. «Acht Jahre habe ich mich nicht beschwert, habe Überstunden gemacht, ohne was zu sagen, habe mich nicht ein einziges Mal krank gemeldet. Und jetzt soll ich gehen? Die Caritas behauptet, sie ist für die Menschen, aber sie macht die Menschen kaputt.» Bei den Betriebsversammlungen erfährt Ashour die Geschichten der anderen. Die Auslagerung ist eine Kränkung, und sie bedeutet einen massiven Einkommensverlust. «Wieso nimmt mir magdas für die gleiche Arbeit 300 Euro weg?», fragt Ashour. «Wer zahlt mir dann Miete, Strom und Jahreskarte?» Die Frage wird umso virulenter, wenn man weiß, dass die Reinigungskräfte nicht automatisch von der magdas Service GesmbH übernommen werden – sie müssen sich neu bewerben.
In den Frequently Asked Questions «zur Neuorganisation der Reinigung», die die Caritas nach dem ersten medialen Aufschrei erstellt hat, erfährt man: «Es geht um Personen, die es derzeit sehr schwer haben, eine Arbeit zu finden.» Dass die Personen erst von der Caritas weg müssen, um es dann schwer zu haben, eine Arbeit zu finden, wird ausgeklammert.
Sozial > blöd.
Wir sind sozial, aber nicht blöd ist eine Basisinitiative aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich. Auch in der Caritas gibt es eine Reihe von Aktivist_innen, und wie die Reinigungskräfte wollen sie aus arbeitsrechtlichen Gründen anonym bleiben.
Stefanie Karner* ist eine von ihnen. Sie meint, dass Öffentlichkeitsarbeit in diesem Arbeitskampf die stärkste Waffe ist: «Die Geschäftsführung der Caritas pflegt ein Saubermannimage, und daran gilt es zu kratzen.» Genau das machte die Position der Putzfrauen so stark. Die Caritas muss das Image der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität mit den Armen wahren, sonst verärgert sie ihre Spender_innen. Diese Stärke muss man aber auch nützen, und die für die Caritas zuständige Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) scheint ein wenig an Ideenmangel zu leiden. «Der Caritas-eigene Kollektivvertrag ist einer der ältesten KVs im Sozialbereich», sagt Branchensekretär Karl Humpelstetter. Kann man ihn den Angestellten innerhalb eines Unternehmens streitig machen? Humpelstetter denkt, dass eine Feststellungsklage auf Umgehung von AVRAG möglich wäre. AVRAG, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, regelt unter anderem die arbeitsrechtlichen Konsequenzen einer Ausgliederung. Würde eine Reinigungskraft, die unfreiwillig zu magdas gewechselt hat, mit Erfolg vor dem Arbeits- und Sozialgericht klagen, könnte die Forderung der Belegschaft, die zwischenzeitlich vom Betriebsrat übernommen wurde, wahr werden: «Eine Caritas, ein Kollektivvertrag.» Karl Humpelstetter hat aber Zweifel, dass das passieren wird: «Ich bin der Ansicht, dass AVRAG angewendet werden muss. Aber dazu braucht es eine Klägerin, und wie sollen wir die unter den Reinigungskräften finden?» Die Frage, ob sie schon einmal Kontakt zur Gewerkschaft gehabt hätte, verneint Sherine Ashour vehement: «Ich geh mich nicht beklagen.» Zu vermitteln, dass es durchaus keine Jammerei ist, aufs eigene Arbeitsrecht zu bestehen, ist eine Aufgabe für die Gewerkschaft. Nicht zu warten, bis die Reinigungskräfte den Weg in den Catamaran, die ÖGB-Zentrale, finden, wird dafür notwendig sein.
Mit allen Wassern gewaschen.
«Nein, nein und noch einmal nein», sagt Marjanović, «Ich gehe nicht zu magdas.» Sollte es am Geld liegen, dass die Caritas nicht alle in ihrem Unternehmen nach dem gleichen Kollektivvertrag bezahlen kann, habe sie einen besseren Einsparungsvorschlag: die Gehälter der Geschäftsführer.
Kurz vor Redaktionsschluss einigten sich Betriebsrat und Geschäftsführung auf eine gemeinsame Lösung. Alle Reinigungskräfte, die von der Caritas zu magdas wechseln oder bereits gewechselt haben, bekommen über eine Umstiegsprämie zumindest den Lohnverlust ausgeglichen – nicht nur einmalig, sondern für jeden Monatslohn, bestätigt Betriebsratsvorsitzender Josef Wenda. Laut Geschäftsführer Alexander Bodmann haben bisher nur acht Personen zu magdas gewechselt. Ein Viertel der Mitarbeiterinnen, die er mit «ungefähr hundert» beziffert, habe die Caritas mit einer «Einvernehmlichen» verlassen. Daran werde auch nicht gerüttelt. Durchgesetzt wurde, dass Reinigungskräfte, die nicht aus eigenen Stücken zu magdas wechseln wollen und jene, die, wie Karina Marjanović, kurz vor der Pension stehen, bei der Caritas beschäftigt bleiben, wenn auch langfristig nicht in der Reinigung. Von «eine Caritas, ein Kollektivvertrag» ist nicht mehr die Rede. Ob die Belegschaft damit einverstanden ist, jetzt wo sie ihr Potenzial gespürt hat, wird der Sommer weisen. «Mit allen Wassern gewaschen», steht auf einem T-Shirt von magdas Reinigung. Was als witziger Werbespruch auf dem T-Shirt-Rücken der Arbeiterinnen gedacht war, hat die Geschäftsführung der Caritas einiges an Nerven gekostet.