Lokalmatador
Gerhard Traxler unterstützt die Fußballerinnen des USC Landhaus seit bald fünf Jahrzehnten. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto).
Der Obmann entschuldigt sich für einen Moment. Er geht Flutlicht machen – für das Training der Fußballerinnen des USC Landhaus. Die Tage sind jetzt nicht mehr so lange wie während des EURO-Sommermärchens in den Niederlanden, wo sich die österreichische Elf sensationell bis ins Halbfinale dribbelte. Die damals landesweite Euphorie ist hier, im alten Weinbauort Jedlersdorf, nicht vergessen, sie wurde jedoch längst vom Alltag überlagert.
Freitagabend. Mehr als dreißig Spielerinnen bereiten sich auf ihre Wochenend-Einsätze in der hiesigen Meisterschaft vor. Das A-Team spielt in der Bundesliga, die 1B in der zweithöchsten Spielklasse und die 1C in der Wiener Landesliga.
Schnell wird es nun hell auf dem Landhausplatz, der eigentümlich umgeben ist von Gemeindebauburgen, Einfamilienhäusern, öffentlichen Schulen und gut besuchten Heurigenlokalen. Und der sich seit Jahrzehnten als Grünoase abseits der viel befahrenen Brünner Straße behaupten kann.
«Im kommenden Jahr feiern wir hier fünfzig Jahre USC Landhaus», erklärt der Obmann und Vereinsgründer, der dann im darauffolgenden Jahr auf seinen Achtziger zugeht. Wenig bekannt: Dass Frauen in dieser Stadt Fußball spielen, ist nicht zuletzt seiner Schwester und ihm zu verdanken.
Eine längere Geschichte, so Gerhard Traxler: «Die Annemarie hat eigentlich Handball gespielt, aber dann hat sie der Fußball mehr fasziniert.» Im Stadionbad haben die beiden Kinder des dritten Bezirks ihre Sommer verbracht, und bei den seinerzeit beliebten «Badkickerln» begeistert mitgetan. Damals nahbare Größen wie ein gewisser «Schneckerl» Prohaska erfreuten sich ebenso am Bloßfüßigen-Gaudium auf den Liegewiesen zwischen Stadion und Bad. «Komischerweise hat nie jemand etwas gegen die Annemarie gesagt, vielleicht auch, weil sie Talent hatte.»
Schwierig wurde es erst, als sich die Geschwister in den Kopf setzten, ein Frauen-Fußballspiel zu organisieren. Nach einer langwierigen Meniskus-Operation und dem ärztlichen Rat, nie wieder Fußball zu spielen, fügte sich der gelernte Elektromechaniker allmählich in die Rolle des begleitenden Motivators und Ermöglichers.
Die 1C tritt neuerdings als Austria Ladies an, so wie die anderen Teams in violetten Dressen. Erzählt Traxler dann. Möglich macht dies eine Kooperation mit der Wiener Austria, die den Landhaus-Frauen erstmals eine gediegene Aus- und Weiterbildung ermöglicht. Ein Schritt in die richtige Richtung, wie Fußballfachleute mit Blick auf Vorbilder in England, Frankreich oder Deutschland betonen.
Obmann Traxler reibt sich unter einem Flutlichtmasten stehend die Augen. Er erinnert sich an ganz andere Zeiten: Als er mit seiner Schwester und deren Freundinnen in Wiener Parks Ausschau nach interessierten Fußballerinnen hielt. Als man mit dem Bus in die damalige Tschechoslowakei fuhr, um dort die ersten ernsthaften Spiele auszutragen. Als Platzwarte Tornetze wegräumten und Kabinen unzugänglich machten, weil man gedroht hatte, sofort die Förderungen für ihren Verein zu streichen, sollte auch nur eine Frau ihren Fußballplatz betreten. Als ihn, den Initiator der österreichischen Frauen-Bundesliga und der Schülerliga für Mädchen, leitende Funktionäre des Fußballbundes nicht einmal ignorierten. Als seine Spielerinnen regelmäßig den wüsten Beschimpfungen einer aufgegeilten Zuseherschaft ausgesetzt waren.
Traxler beobachtet die von der Austria entsandten Trainer, die mit Ambition einen Draht zu den Spielerinnen suchen, mit einer gewissen Genugtuung. Ja, endlich wird der Frauen-Fußball auch hierorts ernst genommen. Auch über das neue Wiener Ball-Gymnasium für die Primaballerinas von morgen freut er sich. «Doch das kommt um Jahre zu spät», fügt er hinzu. Im Wissen, dass solche Ausbildungsstätten in anderen Ländern längst etabliert sind.
Anderes zieht ebenso Sorgenfalten in das Gesicht des 78-jährigen Pioniers. Er zeigt nach oben, zum Flutlicht: «Wenn uns morgen eine Leuchte eingeht oder ein Heizkessel oder eine Pumpe, dann reißt das wieder ein Loch in unser knapp kalkuliertes Vereinsbudget.»
Gerhard Traxler weiß das nur zu gut: Er dreht hier nicht nur das Licht auf und ordnet den Spielbetrieb, er führt auch die Buchhaltung. Er hat über die Jahre gelernt, aus wenigem ein Maximum herauszuholen. Anders als er jetzt öfters zu hören bekommt, lässt die Austria-Führung keine Scheibtruhen voll mit Geldscheinen nach Transdanubien bringen.
Hat sich sein persönliches Engagement über all die Jahre gelohnt? Wird der langjährige und nun pensionierte Mitarbeiter des Stadtschulrats gefragt. Er steht nach dem Training wieder bei seiner Frau, die ihn seit Anbeginn begleitet, auch damals, als er noch mit der Tram, nach Floridsdorf pendelte, oft mit einem Koffer Fußballdressen in der Hand.
Der Obmann überlegt kurz, sagt dann: «Es gab schon Zeiten, da haben wir beide einen Hänger gehabt. Nicht wegen sportlicher Misserfolge, wir werden ja weiterhin als Rekordmeister vor Neulengbach geführt. Mehr, weil man kritisiert hat, dass wir zu wenig tun. Dabei bekommen wir für unseren Einsatz kein Geld.»
Mehr Infos: www.usclandhaus.at