Republikseigentum wird Luxusbleibe für Reichetun & lassen

Immospekulation in der Josefstadt

Wien, 8. Bezirk, Hamerlingplatz: Die Liegenschaft des ehemaligen Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen im Eigentum der Republik Österreich wird privatisiert. Immo-Investor_innen profitieren, und SP-Bezirksrat Sternfeld (beruflich auch als Berater von Kanzler Faymann tätig) spricht von «sozialer Nutzung»: Ulli Gladik und Clemens Staudinger haben stattdessen Luxuswohnungen für Senior_innen vorgefunden, die ab mindestens 3000 Euro monatlich zu haben sind.Eine Alltagsgeschichte in der neoliberalen Immobilienwelt: 2007 wurde die Liegenschaft des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen im 8. Wiener Gemeindebezirk bestandsfrei und konnte einer neuen Nutzung zugeführt werden. Bald waren die so genannten «Immoexperten» zur Stelle und wollten eines: Geld verdienen. Der Plan: Im sanierten Gründerzeitgebäude sollten Eigentumswohnungen und Penthouses errichtet werden. Die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) brachte ihre Tochterfirma ARE (Austrian Real Estate) in Stellung, und ein Deal mit den Gebrüdern Soravia, besser gesagt mit deren Firmen, wurde eingefädelt. Die Republik gab die Liegenschaft, die privaten Investor_innen sanierten, und der erwirtschaftete Ertrag durch den Verkauf der Eigentumswohnungen wurde aufgeteilt.

Unsoziale Nutzung

Das Projekt wurde spruchreif, als Rot-Grün bereits im Amt war. Der Wiener Gemeinderat beschloss auf Antrag der Josefstädter Bezirksvertretung, das Projekt möge eine «50 % soziale Nutzung» aufweisen. Wer sich nun auf den Weg macht und erfahren will, was «50 % soziale Nutzung» bedeuten, darf sich auf eine lange Reise einstellen. Zwar sind im beschlossenen Flächenwidmungsplan die «50 % soziale Nutzung» vermerkt, wie diese jedoch exakt zu definieren seien, kann uns weder das grüne Planungsressort noch die Wiener Baupolizei beantworten.

Auffallend: Der SP-Bezirksrat Raphael Sternfeld setzte sich in der Planungsphase für die zitierte «soziale Nutzung» ein und trumpfte gar mit einer Presseaussendung auf: «Ehemaliges Eichamt soll wirklich sozial genutzt werden!» Heute sieht er seine Forderung allerdings erfüllt und meint damit den sogenannten Indoor-Spielplatz, der im Gebäude angelegt wurde.

Werden neue Wohnungen errichtet, müssen auch Kinderspielflächen gebaut werden. Da die Bauherren die Freiflächen dafür nicht opfern wollten, wurde der Kinderspielplatz, bewilligt vom Josefstädter Bauausschuss, ins Souterrain des Gebäudes verlegt. Wer nun glaubt, dass das ein Platz zum «Turnen und Toben» für die Josefstädter Kinder sei, hat sich getäuscht. Dafür müsste der Bezirk mehr als 110.000 Euro jährlich an KIWI, eine ÖVP-nahe Kindergarten-Firma, für die Betreuung des Spielplatzes zahlen.

15.000/m2 und Sie sind dabei!

Auch der älteren Josefstädter Bevölkerung hat man in der Planungsphase eine Karotte vor die Nase gehalten – das Projekt enthalte auch ein Seniorenheim. Bereits 2011 gab es laut Protokoll der Bezirksratssitzung «schon zahlreiche Anfragen aus der Bevölkerung bezüglich eines Vormerksystems». Damals war wohl noch nicht durchgedrungen, wie teuer Wohnen am Hamerlingpark sein wird: Die Mietpreise für ein Zimmer mit Verpflegung in der «Seniorenresidenz» beginnen bei 3000 Euro. Auch «sie internationale Spitzenklasse», die nun «endlich in Wien angekommen ist», wie die Projektbetreiber kurz vor Fertigstellung die «23 High-End-Penthouses» um schlanke 15 bis 20.000 Euro/m2 anpreisen, werden sich mehr als 90 % der Pensionist_innen wohl nicht leisten können. Und die darunter liegenden Eigentumswohnungen um 4000 Euro/m2 sind ebenfalls nicht günstig.

Wer sich jetzt ärgert und überprüfen möchte, wo genau die versprochenen «50 % soziale Nutzung» in diesem Haus versteckt sind, braucht besondere Beziehungen: Denn laut Baupolizei haben nur die Bezirksvorsteherin und die Eigentümer_innen Einblick in die Bebauungspläne. Auch drängt sich der Verdacht auf, die 2011 gemeinderätlich beschlossene «soziale Nutzung» war als eine reine PR-Maßnahme gedacht, denn die gesetzliche Grundlage für derartige Widmungen mag zwar im Flächenwidmungsplan stehen, gilt aber nur für Neubauten. Und wir dürfen davon ausgehen, dass die abstimmenden Gemeinderäte dies auch wussten.

Ein Lehrstück über neoliberale Sprache bietet übrigens die BIG mit ihrer Tochter ARE. Ist im Namen «Bundesimmobiliengesellschaft» der Zusammenhang mit der Republik klar ersichtlich, soll mit der Wortschöpfung «Austrian Real Estate» (ARE) wohl maskiert werden, dass dies ein staatliches Unternehmen ist, das mit Volkseigentum dealt.

Seit Jahren ist zu beobachten: Liegenschaften der Republik werden privatisiert, gleichzeitig werden Gebäude, die von öffentlichen Ämtern benötigt werden, um teures Geld von Privaten gemietet. Exemplarisches Beispiel: Die Gerichte zogen ins Justizzentrum Wien-Mitte, die Steuerzahler_innen der Republik zahlen die Miete, die private Immofinanz kassiert.

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