«Respektvoller mit den Kindern»vorstadt

Lokalmatadorin

Adrijana Markon Jurcˇic´ lehrt Schulkinder Weltoffenheit, wenn man sie lehren lässt.

Text: Uwe Mauch, Foto: Mario Lang

Fischer Palunko und seine Frau, Regotsch und Kosjenka, Der Striborwald – die Märchen von Ivana Brlić-Mažuranić kennt in ihrer Heimat jedes Kind. Und auch im Kroatischen Zentrum in der Schwindgasse auf der Wieden sorgen sie an Freitagnachmittagen für große Kinderaugen.
Wahrscheinlich auch deshalb, weil sich ihre Sprachlehrerin immer wieder etwas Neues einfällen lässt, um die unterschiedlich alten Volksschüler_innen bei Laune zu halten.

Kinderspiel.

Für Adrijana Markon Jurčić ist dieser Kurs, den sie im Zentrum der Burgenlandkroat_innen vor zwei Jahren ins Leben gerufen hat, eine große Herausforderung, aber auch ein Kinderspiel.
Sie hat an der Universität in Zagreb Kroatische Sprache und Literatur sowie Vergleichende Literaturwissenschaft studiert, war anschließend sieben Jahre in einer Zeitungsredaktion als Lektorin beschäftigt und weitere sieben Jahre als Lehrerin an einem angesehenen Gymnasium in der kroatischen Hauptstadt.
Seit September 2014 lebt die Pädagogin mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihren beiden Söhnen in Wien. Das Ehepaar Jurčić ist Teil einer großen Welle der Desillusionierten, die Kroatien seit dem EU-Beitritt am
1. Juli 2013 verlassen hat und intellektuell weiter ausdünnt.
So wie die beiden haben viele gut Ausgebildete ihrem Land den Rücken gekehrt, tief enttäuscht bis hin zu angewidert, weil sie sich von der nicht enden wollenden Vetternwirtschaft und dem damit verbundenen ökonomischen und gesellschaftspolitischen Stillstand in ihrer persönlichen und ihrer beruflichen Entwicklung ausgebremst fühlen.
Adrijana Markon Jurčić ist folgende Präzisierung wichtig: «Wir haben unsere Heimat nicht verlassen, um im Ausland mehr Geld zu verdienen. Wir haben uns schweren Herzens zu diesem Schritt entschieden, weil wir alle schon sehr früh in unserem Leben einen Plafond erreicht haben, der für Menschen, die etwas bewirken wollen, undurchdringbar ist.»
Mit dem Ende der siebenjährigen Übergangsbestimmung am 1. Juli dürfen ihre Landsleute nun auch in Österreich uneingeschränkt arbeiten. Es zeichnet sich schon seit Längerem ab, dass der Exodus noch intensiver wird.

Kinderleicht.

Eine Stadt wie Wien profitiert erneut ohne eigenes Zutun von dieser modernen Form von vertriebener Vernunft. Auch wenn man hier noch immer nicht das kreative Potenzial der Wanderbewegung erkannt hat. Anders ist es nicht zu erklären, dass sich eine sprachgewandte Lehrerin wie Adrijana Markon Jurčić noch immer auf Jobsuche befindet.
Zwar ist sie nicht unter finanziellem Zugzwang, denn ihr Mann Hrvoje hat vor sechs Jahren als Geologe eine gut dotierte Stelle bei der OMV angenommen, verwundert zeigt sie sich dennoch: «Ganz ehrlich, aufgrund meiner Ausbildung, meiner Berufserfahrung und der Nostrifizierungen hatte ich mir die Jobsuche in Wien schon etwas einfacher vorgestellt.»
Als Lehrerin und Mutter besitzt die gebürtige Kroatin inzwischen auch einen direkten Vergleich der beiden Bildungssysteme. Ihre Bewertung fällt eindeutig zugunsten von Wien aus: «Hier geht man respektvoller mit den Kindern um, auch mit Kindern aus anderen Kulturen.»
Dies sei wohl auch der Tatsache geschuldet, dass Wien viel mehr Weltstadt ist als Zagreb. Gleichzeitig beobachtet Adrijana Markon Jurčić, dass auf den hiesigen Kindern weit weniger Leistungsdruck lastet. Was sich allerdings – gerne von den Hiesigen mit Vehemenz bestritten – in einer geringeren Allgemeinbildung manifestiert.

Kinderlachen.

Noch immer zeigt sich die Pä­dagogin überrascht: «Ich konnte es am Anfang gar nicht glauben, dass die Schulen hier nach der Notenkonferenz ungezwungene Ausflüge organisieren. In Zagreb hatten wir immer die Panik, bis zum letzten Schultag den vorgegebenen Stoff durchzubringen.»
In ihrer «Kreativen Werkstatt der kroatischen Sprache und Kultur» im Kroatischen Zentrum muss sie sich diesen Druck nicht machen. Und das ist wohl auch gut so: Ihre Kinder sind am Ende einer langen Schulwoche noch voll bei der Sache, lernen ihre zweite Muttersprache gerne spielerisch, etwa wenn sie eine Performance einüben oder auf ihren Mobiltelefonen zauberhafte Animationen erstellen.
Wo sieht sie eigentlich die Zukunft der Kinder? Die Lehrerin denkt kurz nach, dann sagt sie wohlüberlegt: «Ich hoffe, dass sie mit ihrer Mehrsprachigkeit dazu beitragen können, die Nachbarschaft in der Mitte Europas zu verbessern. Damit wir mehr voneinander lernen können und wollen, damit wir uns gegenseitig nicht nach unten nivellieren, aber auch darauf achten, dass kein Kind und kein Land auf der Strecke bleiben muss.»

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