Retro ist uncooltun & lassen

Sachbuch: praktische Tipps zum Ausstieg aus der Retrofalle

«Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen», wusste schon Simone de Beauvoir. Ein Grund mehr, sich mit dem Buch der Philosophin Lisz Hirn wieder auf aktuellen Stand zu bringen, um für Diskussionen gute Argumente parat zu haben. Denn: Die Biedermänner und Biederfrauen sind am Vormarsch. Anhand von Max Frischs Lehrstück entlarvt die Autorin die Konservativen als die eigentliche Gefahr. Die nämlich, die sich «wehrlos gegenüber Verbrechern» geben und den Opportunismus hochleben lassen, sind in türkis-blauen Zeiten die wahre Bedrohung für die Rechte der Frau. Ob es da ein Zufall ist, dass die anschaulichen Beispiele, mit denen der Text unterlegt ist, von einem zarten Türkiston umrandet sind? Zusätzlich zum schon bekannten kleinen Einmaleins der Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen in unserer Gesellschaft – etwa die altbekannte Teilzeitfalle, die Tamponsteuer, oder die Doppelbelastung, der Frauen ausgesetzt sind und die sie erst recht mit dem konservativen Weltbild sympathisieren lässt – unterfüttert Lisz Hirn ihr Buch mit brisanten Details. Dass etwa der AMS-Algorithmus strukturell Frauen diskriminiert oder eine Taschengeld-App enthüllt, dass die Ungleichbezahlung für dieselbe Arbeit schon im Kindesalter ihren Anfang nimmt. Oder dass Ewald Stadler 2015 Abtreibungen mit dem Massenmord in KZs verglichen hat. Die Liste an Ungeheuerlichkeiten ist schier endlos. Bunt und frisch katapultiert Lisz Hirn die Frauenfrage in aktuelle österreichische Kontexte. Um am Ende auch sicher zu gehen, nicht selbst in die Konservativismus-Falle zu tappen, empfiehlt sich schließlich noch der Selbsttest: Wie viel Biedermann und Biederfrau steckt in dir? Retro ist nicht immer cool.

Lisz Hirn: Geht’s noch!
Warum die konservative Wende
für Frauen gefährlich ist
Molden 2019, 144 Seiten
20 Euro

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