Retten könnte uns die MusikArtistin

Musikarbeiter unterwegs … zwischen Afghanistan und Simmering

«feat respect» heißt eine im Herbst erscheinende Compilation mit Musiker_innen, die aus ihren Heimaten flüchten mussten und hiesigen Kolleg_innen. Von Rainer Krispel.

Foto: Mario Lang

«Respekt»: kein unproblematischer oder eindeutiger Begriff. Oft wird er aus falschen Ideologien heraus mit kaum verhüllter manipulativer Absicht im Mund geführt. Oder als Wischi-Waschi-Platzhalter und Totschläger-Argument zum widerspruchslosen Einfordern einseitiger Unterwerfungsgesten gegenüber der jeweiligen Leitkultur verwendet. Dabei ist er längst bedeutungsbefreit wie ein gedankenloses Amen in einem auswendig gelernten Gebet. Doublespeak in full effect. So wie Zwangsarbeit heute als 1-Euro-Job daherkommt, und sich Verschleierungsverbot als Befreiung vermarktet. Ein Höhepunkt der jüngeren Musikgeschichte in diesem Zusammenhang: «Respekt?» der Fehlfarben. Sänger/Texter Janie J Jones (der mit Family 5 und «Was zählt» gerade einen aktuellen musikalischen Höhepunkt geliefert hat) ereifert sich dermaßen erhellend zum Thema, dass ich dem Lied die sofortige Zerschlagung der F zutraute – wenn sie es nur hören täte!

Nicht meinen, nicht klagen, nicht

wissen – zuhören!

Leitwolf Strache der genannten Ungeist-Vereinigung klagte den Musiker (Turm & Strang) und Produzenten Christoph Hahn wegen Beleidigung. Geballte Lawyer-Power erreichte ein vielsagendes Urteil – 88 Euro (sic!) Geldstrafe, dazu einige tausende Euro Gerichts- und Anwaltskosten. Immerhin war diese leidvolle Erfahrung ein Impuls, dem Ungeist anders entgegenzutreten. Mit den Produzenten Alexander Lausch und Zebo Adam of Bilderbuch fame initierte Hahn die Compilation «feat. Respect», Respekt dabei als ein tatsächliches Anliegen gleichberechtigter Kommunikation zwischen Menschen im Titel geführt. Das im November 2016 erhältliche Vol. 1 soll im Idealfall der Auftakt einer jährlich erscheinenden Serie sein, bei der hiesige (heuer: Sofa Surfers, Bauchklang mit Yasmo, Mono & Nikitaman, Steaming Satelites …) und hierher geflüchtete Musiker_innen Instrumente und Stimmen für einen guten Zweck klingen lassen, der Verkaufserlös – vertreiben wird Universal – kommt dem Haus Arjan in Mistelbach zugute. Eine gute Sache (das Crowdfunding des Projekts läuft noch, siehe Adresse Infokasten) meinen die Musikarbeiter Lang und Krispel nicht erst bei der Begegnung mit Sohail Karimi.

Der 25-jährige aus Afghanistan geflüchtete Sohail ist mit der Formation Musafer auf der Compilation vertreten. Bei Musafer – er macht auch in anderen Konstellationen Musik – spielt er Tabla und singt gelegentlich. Mayid Ayobi singt und spielt Harmonium, Mansour Karimi spielt Dholak, Zamani die Rubab und Amin Delyar Percussion. Die traditionelle Musik, die das Quintett gemeinsam macht, beschreibt uns Sohail als, wenn ich den Notizen trauen darf, Ghazal, Musik, die in Indien, Pakistan und Afghanistan verbreitet ist. Ausgehend von Rhythmus und Melodie hat diese Musik eine klare Grundstruktur, die frei ausgelegt wird. Sie teilt einige Grundrhythmen mit «unserer» Musik, der 4/4 heißt Keharwa. Wichtig ist es aufeinander zu hören, gemeinsam zu spielen. Eine naheliegende Assoziation ist wohl, in aller glorreichen Ungenauigkeit «Sufi-Musik», um den werten Leser_innen eine ungefähre Ahnung zu vermitteln. Sohail Karimi, seit 1 ½ Jahren in Österreich und nach einiger Zeit in Salzburg glücklich in Wien-Simmering gelandet, von seinem legalen Status in A so angekommen und gesichert, dass er demnächst einen Job antritt, spricht, neben fünf anderen Sprachen, ein Deutsch, bei dem sich Lang und ich nur wundern, wie es nach einem solchen Zeitraum in umgekehrter Lebenssituation wohl mit unserem Farsi aussehen würde. Wie oft bei vergleichbaren Gesprächen, wundere ich mich, wie wenig ich leider weiß, von Afghanistan, das Sohail verlassen musste, weil er als ehemaliger Übersetzer zwischen amerikanischen Truppen und Einheimischen nicht mehr sicher war, oder vom Leben der Geflüchteten hier in «meiner» Stadt. Bei deren Hochzeiten und Festen Sohail mit Musafer und anderen Projekten spielt. Wir reden davon, dass Sohail Karimi Muslim ist. Wie er das ist und erzählt, erinnert, bei allem Respekt (!), an die Gewohnheits-Katholik_innen und -Protestant_innen im Bekanntenkreis, die Religion so in ihrem Leben haben, nicht selten, weil Mama und Papa halt auch … Wir sprechen von Poesie, die in seiner Kultur einen ungleich größeren Stellenwert hat als hierzulande, von seiner privaten, jahrelangen Ausbildung an der zu stimmenden Tabla, von wiederholten Versuchen, die Musik sein zu lassen. Aber: «Muss man spielen.»

Als er davon spricht, wie er mit seinem musikalischen Background mit hiesigen Musiker_innen spielen kann, meint er, dass er halt, und dabei lacht mir das Herz, die Eins gezeigt braucht, den ersten Takt. Fragen wir doch alle öfter nach der Eins und lassen sie uns auch zeigen. Zum gemeinsamen Weiterspielen.