Giebelkreuzcasino in der argentinischen Pampa
Der Raiffeisenkonzern ist zu gut einem Drittel Eigentümer der Casino Austria AG (CASAG). Aufsichtsratpräsident ist Raiffeisen Zentralbank Generaldirektor Walter Rothensteiner. Die CASAG ist wiederum zu 100 Prozent Gesellschafter der Casino Austria International Holding GmbH (CAI). Und die hat eine argentinische Casino-Tochter, die Entretenimientos y Juegos de Azar S.A. Jetzt macht die Verwandtschaft in Südamerika Troubles: Die Konzession wurde entzogen, die Justiz spricht von Geldwäschevorwürfen.Die CAI ist im Glückspielgeschäft international eine große Nummer: In 17 Ländern rollt in 57 Casinos die Roulettekugel und rattern die Automaten, so auch in Südamerika. Die Tochter in Argentinien, kurz ENJASA genannt, musste nunmehr ihren Spielbetrieb einstellen. Bereits im August wurde von den lokalen Behörden die Konzession entzogen, die ENJASA hat dagegen berufen, die Berufung wurde abgewiesen, ein weiterer Rechtsgang von der ENJASA beschritten. Die konkreten Vorwürfe, die den Konzessionsentzug auslösten, betreffen unterstellte unschöne Verhaltensweisen wie etwa Geldwäsche. Bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung.
Die Behörden in Argentinien verweisen darauf, dass Spielgewinne über 1200 Euro prizipiell per Scheck und nicht bar ausbezahlt werden müssen. Der Konzernsprecher der CASAG, Martin Himmelbauer, erklärte der APA, die Gesellschaft habe dies «in ein paar Fällen» nicht getan. Was der Konzernsprecher harmlos beschreibt, spießt sich mit dem Unternehmensleitbild, das im Geschäftsbericht der CASAG veröffentlicht wird: «Absolute Seriosität ist die tragende Basis des Unternehmens, dessen Engagement dabei weit über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeht.» Aufmerksame Leser dieser Serie haben jetzt ein Déjà-vu-Erlebnis: Unternehmensleitbilder, Codes of Conduct und andere Regelwerke sind geduldig, die Gremien, die Dividenden sehen wollen, offenbar nicht. Auch das Engagement der STRABAG-Tochter in Mohovce oder der Besitz an Anteilen afrikanischer Minen – der Augustin berichtete – entsprechen nicht den konzerninternen Verhaltensregeln.
In Argentinien wird die Causa anders gesehen: Von systematischen Verletzungen der Vorschriften gegen Geldwäscherei wird gesprochen. Für Seriosität haben CASAG und CAI reichlich Gelegenheit: In Österreich werden 233, international 268 Spieltische betrieben. 2,3 Millionen Gäste brachten in Österreich ihr Geld dem Raiffeisenunternehmen, im Ausland waren es stolze 5,8 Millionen, einige Tausend schickten ihre Kohle von Spieltischen auf diversen Kreuzfahrtschiffen in Richtung Unternehmenszentrale in Wien. In Österreich betreibt das Unternehmen 1955 Spielautomaten, im Ausland sind es 3679.
Den wenigsten Genossenschafter_innen der Primärbanken der Raiffeisengruppe ist bewusst, dass sie – wenn auch durch entfernte Verwandtschaft – als Spielcasinobetreiber_innen weltweit agieren. Und de facto haben sie auf die Geschäftsgebarung der diversen Gesellschaften keinen Einfluss: Die Raiffeisen-Beteiligung an der CASAG ist in der Medial Beteiligungs GmbH gebündelt. Die größten Gesellschafter dieser Firma sind: Leipnik-Lundenburger (eine Beteiligungsgesellschaft der Raiffeisenholding NÖ – Wien) und die UNIQA Versicherungs AG (mehrheitlich im Eigentum der Raiffeisengruppe). Insgesamt hält die Medial 38,29 Prozent am Kapital der CASAG und die CASAG wiederum 100 Prozent an der Auslandsholding CAI. Die CAI besitzt 90 Prozent der Anteile an der argentinischen ENJASA. Bis vor kurzem hörte man aus der Raiffeisenzentrale, dass dieser Anteil auf 100 Prozent aufgestockt werden solle.
Die Leipnik-Lundenburger Invest Beiteiligungs AG hat tatsächlich u. a. mit Bauern zu tun: Der «Rübenbauernbund für Niederösterreich & Wien, reg. Gen. m. b. H.» besitzt 6,9 Prozent des Aktienkapitals der Leipnik-Lundenburger.
Beim Stichwort CAI und den beschriebenen Vorgängen in Argentinien darf der Aspekt «Gruppenbesteuerung» nicht fehlen. (Der Vollständigkeit halber: Sämtliche Raiffeisenabgeordnete im österreichischen Nationalrat stimmten seinerzeit pro Gruppenbesteuerung.) Sollten durch die ENJASA Verluste in Argentinien auftreten, so kann der Eigentümer CAI sich getrost entspannt zurücklehnen, denn mögliche Verluste im Ausland verringern die Steuerlast hier im Inland. Die fehlenden Steuereinnahmen in Österreich dürfen dann durch hiesiges Geld, beispielsweise aus dem Titel der Massensteuern, ersetzt werden.