… röchelnde Sandlertun & lassen

Nach Hofer-Biotonnen-Skandal: Jetzt bräuchten die Quotenjäger ...

Hofer.jpgGegen die Iden des März hat sich der Himmel zwischen Simmering und Sattledt bedrohlich verdunkelt so viel Staub hat unsere Recherche über die vergifteten Lebensmittelabfälle beim Hofer aufgewirbelt. Im Folgenden ein Bericht, was nach der Augustin-Veröffentlichung über die gefährlichen Obdachlosenfallen in Wien geschah.

In Simmering, hinter dem Einkaufszentrum, ist der Tatort, wo kreative Leute im Dienste der Hofer-Supermärkte intakte Lebensmittel in der Biotonne mit Putzmitteln kontaminiert haben, weil sie wussten, das Bedürftige sich da gerne ein Packerl Semmeln oder ein Kilo Brot herausholen. Sattledt ist in Oberösterreich und dort ist die Hofer-Zentrale des deutschen Aldi-Ablegers. Sehr viele Augustin-Leser haben ihrem Unmut über diese Zustände per Leserbrief Luft gemacht und viele dürften auch der Hofer-Firmenleitung ihre Empörung mitgeteilt haben.

In Medienkreisen ist bekannt, dass Hofer nicht kommuniziert. Deshalb konnten ja auch wir keine Stellungnahme der Direktion einholen. In diesem Falle kam sie letztlich um ein Statement nicht herum zu sehr, im wahrsten Sinne des Wortes, stinkt der Skandal.

Zuerst wurde der prominenteste Lobbyist des Landes, man leistet sich ja sonst nichts, Wolfgang Rosam, von Hofer beauftragt, Troubleshooting zu veranstalten. Von Rosams Agentur erfuhren wir, dass der in Ausgabe 247 beschriebene Vorfall natürlich ein Einzelfall sei und keine Hofer-Mitarbeiter daran schuld seien. Weil, so die Schilderung, ein Hofer-Dienstnehmer die aussortierten Lebensmittel irgendwo hinlegt, dann kommt eine Fremdfirma in der Person einer Frau, die diese Früchte, Konservendosen und das Brot durch die Hintertüre zu den Biotonnen schiebt und in diesen versenkt. Die gute Frau hat die Anweisungen der Filialleitung aber offenbar falsch verstanden, hat ein paar Wasch- oder Putzmittelbehälter eingekauft und diese dann über den bis dahin genießbaren Lebensmitteln vergossen. Keine Frage, dass die Schuldige ausgeforscht und in der Person einer Putzfrau identifiziert wurde. Ebenso keine Frage, dass die eigeninitiative Frau oder die Fremdfirma oder beide sofort gekündigt wurden. Alle, die an Hofer schrieben, erhielten denselben Text, der schon im letzten Augustin auf Seite 4 (Fanpost) zu lesen war, von Die Geschäftsleitung von Hofer ist über den aktuellen Vorfall in unserer Filiale zutiefst erschüttert bis Die Dame wird in Zukunft nicht mehr für Hofer tätig werden.

Für Standard, Falter, Profil uninteressant

Eine 80-jährige Rentnerin, die auch großes Interesse an der Hoferschen Wegwerfgesellschaft hatte, erzählt, dass sie von einem Mann, der sich in der Begleitung dieser Fremdfirmen-Putzfrau, angeblich eine Hausbesorgerin aus der Gatteredergasse, befand, mit Prügel bedroht wurde, sollte sie sich nicht von den Biotonnen entfernen.

Das Schlimmste an diesem Skandal ist eigentlich, dass die Reportage über die kontaminierten Lebensmittel (in dieser Reihenfolge) sowohl dem Standard, dem Falter, dem Profil und der Wiener Zeitung angeboten wurde. Für keine von diesen war der Lebensmittelskandal auch nur eine Mailantwort, geschweige denn eine Zeile im Blatt wert. Bedürftige inserieren nicht und kaufen eher wenige Zeitungen.

Nach der Augustin-Veröffentlichung konnte eine in Wien tätige RTL-Fernseh-Redakteurin um diese Skandalgeschichte zuerst nicht mehr herum, dann aber doch. Weil sie hören musste, dass man die Frau mit den Spülmittelflaschen nicht mehr filmen kann und auch keinen Sandler, der sich röchelnd oder zumindest mit Magenkrämpfen am Boden windet, war die Geschichte für RTL nicht interessant. Hingegen machte das ORF-Fernsehen aufgrund des Augustin-Berichts eine ausführliche Reportage und ein Studio-Gespräch über den Skandal, was auch schon in Konkret ausgestrahlt wurde.

Der Beschwichtigungs-Hofer-Rat

Kurz nachdem der ORF-Beitrag abgedreht war, hatte sich dann der Herr Robert Karl telefonisch beim Bildhauer und einem der Kronzeugen, Christoph Exler, gemeldet. Der Herr Karl ist im Hofer-Konzern für den Weg der weggeworfenen Lebensmittel zur Saubermacher-Biotonne zuständig, darüber wollte er mit Exler Erfahrungen austauschen. Er wollte Sachen besprechen, die man am Telefon nicht besprechen kann. Zu dem Expertengespräch kam es, und zwar im Hawelka, wo Exler den Heimvorteil genießt, jedoch nicht viel dabei heraus. Exler leistete heftige Überzeugungsarbeit, dass die Vergiftungen nicht bloß einmal vorkamen, und der Hofer-Mann lobte die Zivilcourage Exlers Dann kam ein Augustinverkäufer an den Tisch. Die Zeitung hatte den Covertitel Die Biotonnenvergifter. Hofer-Container als Obdachlosenfallen. Robert Karl vom Hofer-Konzern kaufte dem Kolporteur keine Zeitung ab.

Die Bio-Container der betreffenden Hofer-Filiale sind zunächst mit Eisenketten verschlossen und zuletzt überhaupt unerreichbar gemacht worden für Obdachlose oder AktivistInnen der angewandten Konsumkritik, die sich bisher, gestützt auf die Hofer-Wegwerfgesellschaft, ihr Überleben sichern konnten.

Tafel statt Tonne

Im Anschluss an die Interviews mit Augustin-Autor Erich Félix Mautner und mit dem Kronzeugen Christoph Exler brachte das ORF-2-Servicemagazin Konkret (13. März 2009) ein Gespräch mit Martin Haiderer von der Wiener Tafel. Im Folgenden Auszüge aus dem Gespräch zwischen Martina Rupp (ORF) und Martin Haiderer.

Sie sammeln überschüssige Lebensmittel ein und geben Sie an Bedürftige. Wie funktioniert das?

Lassen Sie mich vielleicht zuerst sagen, dass Beiträge wie der jetzige sehr erschütternd sind, weil sie für mich Symbol einer Entfremdung unserer Gesellschaft vom Leben sind. Und zwar in zweierlei Hinsicht zum einen ist das Leben anderer Menschen gemeint, das Leben der Bedürftigen. Niemand kramt aus Jux und Tollerei in Mülltonnen. Zum anderen gibt es die Entfremdung vom Lebensmittel als Mittel zum Leben. Es gibt eine sehr einfache und simple Alternative, und die ist die Wiener Tafel. Die Tafel bildet eine Verbindungsbrücke zwischen den Überschüssen einer Gesellschaft und dem Bedarf. Wir sammeln Lebensmittel von Industrie und Handel ein, als ehrenamtlicher Wohltätigkeitsverein, und versorgen damit Menschen am Rande der Gesellschaft in Obdachlosenherbergen, Flüchtlingsheimen oder Mutter-Kind-Häusern.

Sachen, die noch nicht abgelaufen sind?

Sachen, die noch völlig in Ordnung sind, die vielleicht kleine optische Mängel haben oder kurz vorm Erreichen der Mindesthaltbarkeitsdauer sind, Saisonware oder Produkte mit Verpackungsschäden. All diese Produkte holen wir selbst von den Firmen ab und versorgen damit rund siebeneinhalbtausend Menschen in Wien.

Wenn Sie sagen, Sie bekämen die Lebensmittel eher von den Erzeugern, bedeutet das, dass Sie bei Supermärkten derzeit kaum zugange sind?

Wir haben sehr großes Interesse an der Zusammenarbeit mit Supermärkten, und bei manchen Filialen und bei manchen Firmen funktioniert das. Sehr gut arbeiten wir mit der Wiener Industrie zusammen. Beim Handel würde ich mir das wünschen, damit Geschichten wie dieser Beitrag, den wir jetzt gesehen haben, nicht mehr vorkommen.

Wie könnte das denn funktionieren? Denn die Handelsangestellten, die eh notorisch überlastet sind, werden sagen: Na gut, jetzt muss ich nach meiner langen Schicht auch noch die Sachen herrichten, irgendwo schlichten. Wäre das dann so?

Die Zusammenarbeit mit der Wiener Tafel ist ganz einfach und unbürokratisch. Es reicht ein einfacher Anruf von der jeweiligen Handelskette, und die Mitarbeiterinnen der Wiener Tafel kommen zu einem vereinbarten Zeitpunkt und holen die Waren ab. Das heißt, es entstehen keinerlei Mehraufwand, keinerlei Mehrkosten, ganz im Gegenteil. Die Unternehmen sparen sich die Entsorgungskosten und können die hochwertigen Produkte auch einer sinnvollen Verwendung zuführen. Denn Essen gehört in den Magen und nicht in den Müll. Und so soll es auch für die Bedürftigen da sein und nicht für den Müllberg.

Wie spüren Sie denn die Krise?

Wir spüren die Krise sehr stark, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen haben noch nie so viele Menschen und auch Mittelschichtsangehörige bei uns angefragt wegen unserer Produkte, um unsere Produktspenden zu bekommen, und zum anderen wir es aber auch, was die Spenden betrifft. Und ich kann da eine berührende Geschichte zum Besten geben. Mich hat vor einiger Zeit eine ältere Dame angerufen, die uns monatlich um 15 Euro unterstützt. Fast unter Tränen hat sie uns gesagt, sie wolle mir das jetzt persönlich mitteilen, sie müsse diesen Dauerauftrag stornieren, weil es sich bei ihr hinten und vorne mit der Mindestpension nicht ausgeht. Und sie hätte sich das vor ein paar Monaten nicht gedacht, dass sie vielleicht bald selbst um Produkte bei der Wiener Tafel anstehen muss.

Aber es muss etwas geschehen. Das Essen wir wissen es seit vielen Jahren gehört nicht mehr in den Müll.

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