Rossini fährt über die großen TeichArtistin

«Weiß nie genau, wohin sich der Text entwickelt» - Gespräch mit Kurt Palm

Der umtriebige Regisseur und Autor Kurt Palm (geb. 1955) hat mit seinem neuen Buch «Bringt mir die Nudel des Gioachino Rossini» nur vordergründig eine witzige Persiflage auf das Western-Genre vorgelegt. Zwischen den Zeilen beschäftigt sich Palm in der mit historischen Details geschmückten Story ironisch und kritisch auch mit Themen wie Globalisierung, Ökologie und Verteilungsge-rechtigkeit. Im aktuellen AUGUSTIN spricht er darüber, wie die Indianer zu Wollsocken kamen und warum er gerne tote Tiere fotografiert.

Foto: Mario Lang

Nimmt der Titel von «Bringt mir die Nudel von Gioachino Rossini» Bezug auf den berühmten Film aus dem Jahr 1974 von US-Regisseur Sam Peckinpah («Bring Me The Head of Alfredo Garcia»)?

Nicht unbedingt. Ich habe da eher an das Stück «Bringt mir die Hörner von Wilmingtons Kuh» gedacht, das ich 1994 in der ehemaligen «Remise» im 2. Bezirk gemacht habe. Das war auch ein Western. Die Entscheidung für diesen Titel hatte natürlich damit zu tun, dass ich auf bestimmte Genres verweisen wollte. Durch den Untertitel «Kein Spaghetti-Western» und der naheliegenden Assoziation von Nudel zu Spaghetti wollte ich gleichzeitig das Genre auch ein wenig in Frage stellen. «Bringt mir die Nudel …» ist irgendwie ein Western und dann auch wieder nicht. Man könnte es aber auch einfach als Buch sehen, das im Jahre 1852 spielt, und deshalb notgedrungen mit den Versatzstücken des Western-Genres arbeiten muss.

Die Western-Anspielungen im Buch waren also gar nicht unbedingt geplant, sondern sind eher zufällig passiert?

Genau, das war ursprünglich nicht so geplant, aber zumindest bei mir passiert es oft, dass sich die Bücher beim Schreiben in eine andere Richtung entwickeln. Das ist eigentlich eine sehr angenehme Sache, weil sonst wäre einem ja unglaublich fad beim Schreiben, wenn ich schon im Vorhinein ganz genau wüsste, wie die gerade begonnene Seite enden wird! Gerade das macht das Schreiben so spannend, dass man nie genau weiß, wohin sich der Text letztendlich entwickelt.

Da steckt also nicht unbedingt ein Masterplan dahinter, dass Sie ihre Bücher in so unterschiedlichen Genres wie Krimi oder Sience-Fiction ansiedeln?

Das mit den unterschiedlichen Genres war nicht geplant. «Bad Fucking» war z. B. jetzt zwar auch kein klassischer Krimi, aber ich könnte mir schon vorstellen, wieder einen zu schreiben, wenn der Stoff passt. Es ist der Reiz des Neuen, der mich herausfordert. Weil damit auch immer ein gewisses Risiko verbunden ist. Das neue Buch zu schreiben, und damit in die Western-Tradition, also für mich unbekanntes Gebiet einzutauchen, war eine große Herausforderung für mich. Auch weil ich schnell gemerkt habe, dass mein ursprünglicher Plan, eine komplett fiktive Story zu schreiben, die außerhalb jeglicher Geschichtsschreibung spielt, gar nicht funktioniert.

Was sprach gegen eine rein fiktive Geschichte?

So eine Story ist vielleicht lustig oder skurril, aber wenn das nicht historisch verankert ist, fehlt einfach ein wichtiges Element bzw. es fehlt sozusagen der Unterbau. Beim Schreiben wurde mir schon nach den ersten zwanzig Seiten bald klar, dass ich da was ändern muss. Deshalb begann ich zu recherchieren, und deswegen steht die Story jetzt auf einem guten historischen Fundament und ist «nicht auf Sand gebaut». Natürlich habe ich einige Ereignisse der damaligen Zeit leicht verändert bzw. in der Abfolge näher zusammengerückt, aber von der Beschreibung der allgemeinen Lage der Zeit Ende des 18 Jahrhunderts in den USA her stimmt das Buch ziemlich genau. Wenn das Fundament einmal passt, ist auch Platz für alle möglichen anderen Ideen. Wie der Umstand, dass in einem Buch, das mit dem Genre Spaghetti-Western flirtet, der italienische Opernkomponist Rossini die Hauptrolle spielt. Rossini, der Komponist, u. a. von «Der Barbier von Sevilla» ist ja eine historische Figur, die ich sehr bewundere.

Zu Beginn von «Bringt mir die Nudel …» steht die Überfahrt von Rossini nach Amerika per Schiff, die wie auch viele andere Stellen im Buch sehr detailgenau beschrieben ist. Wie und wo recherchieren Sie da, um zu solchen Informationen zu gelangen?

Vieles habe ich aus Büchern. Ich habe schon relativ früh begonnen, Bücher zu sammeln, und darunter sind auch einige Standardwerke zu diesen Themen. Die Recherchen zur Überfahrt waren z. B. sehr zeitaufwändig, denn ich hatte in diesem Punkt echt null Ahnung. Es war zwar logisch, dass die Überfahrt in die USA damals nur per Schiff möglich war, aber sonst gab es jede Menge offene Fragen. Angefangen von: Welche Schiffstypen waren das? Wo sind diese Schiffe weggefahren? Wie war es von den sanitären Bedingungen her auf so einer Überfahrt etc.? Das waren damals ja auch wirklich riesige Massen von Emigranten, die in die USA ausgewandert sind! Innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne von 18 bis 20 Jahren sind da acht Millionen Europäer in die USA ausgewandert – also fast eine kleine Völkerwanderung!

Was uns zu der Frage bringt, warum manche Indianer Wollsocken trugen?

Das ist leicht erklärt. Ich habe ein altes Buch, in dem verschiedene Indianer aus Reservaten fotografiert wurden. Durch solche Bücher konnte ich viele Informationen gewinnen und so in Folge relativ genau beschreiben, welche Kleidung die Indianer in meinem Buch tragen. In oben erwähntem Buch ist ein Foto eines Apachen zu Pferd zu sehen, der Wollsocken anhat. Das fand ich so skurril, weil in den gängigen Western-Filmen die Indianer meistens Mokassins tragen. Solche kleinen Details habe ich dann gleich in die Geschichte eingebaut. Ich habe dann recherchiert, dass die Indianer durch Tauschhandel mit den Weißen, wo sie ja meistens über den Tisch gezogen wurden, zu den Wollsocken gekommen sind. Aber insgesamt es geht mir schon auch darum, daran zu erinnern, dass im Laufe der Besiedlung des Gebiets der heutigen USA die Indianer-Population ja fast komplett vernichtet wurde. Sei es durch eingeschleppte Krankheiten und Seuchen, Umsiedlung in Reservate, Zwangsarbeit oder durch Vernichtung im Krieg mit den Weißen.

Ist der Umstand, dass Sie in Ihrer Arbeit immer wieder neue Herausforderungen suchen, auch der Grund dafür, dass sie nicht nur als Autor, sondern auch in vielen anderen Bereichen (Film- und Theaterregisseur, ehemaliger «Standard»-Kolumnist, Autor von historischen Kochbüchern u. v. a.) tätig sind?

Ja, ich vermute, das ist so, denn oft bin ich selbst von mir überrascht, was ich gerade aktuell wieder mache (schmunzelt)! Demnächst wird ja z. B. auch eine Fotoausstellung von mir in Wien zu sehen sein. Da freue ich mich schon sehr darauf!

Welche Fotos zeigen sie da?

Ich fotografiere seit langem tote Tiere. Aber nicht geschlachtete Tiere, sondern Tiere, die in der Natur verendet sind oder überfahren wurden etc. Einige davon sind auch auf meiner Homepage zu sehen, und in der Ausstellung werden ca. 20 Motive zu sehen sein. Ich habe das Gefühl, dass diese Fotos von toten Tieren viel erzählen über unsere Gesellschaft bzw. über ein bestimmtes Land. Außerdem sind mir die lebenden Tiere, die ich fotografieren wollte, vor dem Abdrücken des Auslösers immer davongelaufen.

Am 9. Mai kommt Ihr neuer Film «Kafka, Kiffer und Chaoten» in die Kinos. Um was geht es da?

Der Film handelt von fünf eingekifften Studenten in Wien, die anstelle einer Seminararbeit über Kafkas Buch «Der Landarzt» beschließen, diese komplizierte Erzählung zu verfilmen. Aber nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, im Winter in Böhmen, sondern im Hochsommer in Sizilien, weil sie dort schon den Camping-Urlaub gebucht haben. Kafka selbst spielt auch mit, das ganze Projekt geht dann aber auf eine sehr charmante Weise gnadenlos schief. Die Hauptrollen spielen junge, unbekannte Schauspieler, die ich über Castings gefunden habe. In einer kleinen Nebenrolle ist Karl Ferdinand Kratzl zu sehen.

Was interessiert Sie an Franz Kafka?

Ich bin ein großer Fan seines Werks! Den einzigen Fehler, den ich vielleicht gemacht habe, war, seine Bücher schon mit 17 zu lesen, da ist man dann nachher eher verwirrt. Ich mag an Kafka über weite Strecken seine Skurrilität und bewundere sein unglaublich präzises Denken und die gnadenlose Weltsicht. Was er über die Verstrickungen des Individuums und diese gewisse Aussichtlosigkeit schreibt, finde ich großartig. Das ist aber auch das Schmerzhafte an seinen Büchern. Teilweise ist es beängstigend, wie genau er alles seziert.

Sie haben 2007 einen Film über Ihren alten Freund Hermes Phettberg gedreht, mit dem Sie u. a. in den 90er Jahren bei «Phettbergs Nette Leit Show» zusammengearbeitet haben. Haben sie noch Kontakt zu Hermes, und wie geht es Ihm aktuell?

Hermes geht es den Umständen entsprechend sehr gut, denn nach drei Schlaganfällen und einem Herzinfarkt könnte er ja eigentlich schon mehrmals tot sein. Aber er lebt noch, und deswegen kann ich da Entwarnung geben! So weit alles ok!

Interview: Robert Fischer




Vernissage: Dienstag, 29. April 2014 19 Uhr


«Tote Tiere»

Foto-Ausstellung

Galerie Lumina

Lindengasse 65