Chilip in Druk Yul (8)
Trotzig-traurige Augen eines jungen Mönchs, vielleicht gerade sieben, acht Jahre alt, auf der Rückbank des Sammeltaxis weg von der letzten Stadt im Distrikt. Den Kopf über den Rahmen des offenen Fensters gelehnt schläft er auf halbem Weg ein. Wohin er reist, weiß er nicht genau, das Fahrzeug bringt ihn in ein neues Kloster, alleine.
Foto: © Namgay Tshering
Zwei Maskierte vollführen den rituellen Tanz zur Reinigung von bösen Geistern, wild wirbeln sie um die eigene Achse, die brennenden Stäbe kreisen ohne Unterlass, Funken lassen die Ehrengäste der Einweihungsfeier respektvoll zurückweichen. Ein Mönch, der die Zeremonie betend, singend und trommelnd mitgestaltet, zückt aus den tiefen Falten seiner Tracht sein Telefon und filmt die rasenden Bewegungen.
Widerwillig, aber höflich schenkt uns ein junger Mönch Tee ein und verzieht sich alsbald wieder. Am nächsten Morgen treffe ich ihn mit zwei Freunden. Zu viert üben wir Torschießen. Er ist zehn Jahre alt, erst seit kurzem in diesem idyllischen Kloster, das man nach circa zwei Stunden Fußmarsch von Thimphu aus erreicht. Sein Englisch ist sehr gut – von der Schule in der Stadt. Seine Geschwister sind alle noch gemeinsam in Thimphu, nur er ist im Kloster. Er spricht selbstbewusst und scheint niemandem gefällig sein zu wollen. Ich hätte früher manchmal mit meinem Vater gespielt, antworte ich lächelnd auf sein Staunen nach einem hübschen Tor. «Ist dein Vater tot?» Ich verneine erleichtert. Er zuckt desinteressiert mit den Schultern.
Bei Mühle gegen einen Mönch gewonnen und ihm spielend die Überlegungen und Tricks erklärt. Bei der Revanche gewinne ich nicht mehr.
Lippen gleich Blüten, zartrosa, sanft geschwungen, jedem Mädchen zur Ehre gereichend, zieren das Gesicht eines jungen Mannes in roter Mönchstracht, der die schönen Lippen um das große, weiße Muschelhorn legt und mit seinem durchdringenden Klang die Anwesenden aus ihrem tiefen Schlummer der Unwissenheit erweckt.
Den Rückweg etwas spät angetreten, versuchen sich meine Freundin und ich im Autostoppen. Drei junge Männer mit roten Schildkappen winken uns lächelnd zu. Wir springen auf und ab, bis sie verstehen, dass wir mitkommen wollen. Nach dem Einsteigen erkennen wir unter den FC-Arsenal-Jacken die Mönchstracht. Woher das Rot kommt, scheint wohl nicht so streng zu sein.
Fünf Mönche glänzen mit Zurückhaltung in der aufgeregten Menge am K-Pop-Konzert.
Marisa Kröpfl schreibt aus Druk Yul (Königreich Bhutan) von ihren Eindrücken als Chilip, wie Ausländer_innen im Land des Donnerdrachen genannt werden.