RuheDichter Innenteil

Ich hatte einmal so etwas wie eine kurze und heftige Karriere als Geschäftsmann. Das

war ein furchtbarer Flop für alle Beteiligten. Manche Wege muss man eben gehen,

um herauszufinden, dass sie für einen falsch sind.

Aus dieser Zeit habe ich eine Menge Lehren gezogen, daher kann man nicht einmal

sagen, dass der Weg falsch war. Aus irgendeinem Grund war er offensichtlich

notwendig.

 

So erinnere ich mich zum Beispiel, dass ich mit meinem damaligen Co-

Geschäftsführer in einem Seminar gesessen bin. Ich habe mich unendlich gelangweilt,

wie meistens, wenn es um wirtschaftliche Themen gegangen ist. Aus diesem Grund

habe ich meine Aufmerksamkeit mehr auf die Beteiligten gerichtet, als auf den

Vortragenden. Da gab es zum Beispiel einen Herren, dem läutete dauernd das

Mobiltelefon. Höflicherweise hatte er das Handy auf lautlos geschaltet, aber es

vibrierte dauernd und in regelmäßigen Abständen sprang er auf, um auf dem Gang

lautstarke Gespräche zu führen.

 

Mein Co-Geschäftsführer zeigte auf den Herren und flüsterte mir ins Ohr: «Das muss

ein wirklich unwichtiger Mensch sein, wenn ihn dauernd jemand belästigen kann.»

Ich lachte.

 

Das mag wie ein Witz klingen, aber an der Aussage war was dran. In Ruhe gelassen

zu werden, ist ein Luxus, den man sich aufgrund seiner Stellung erlauben kann oder

sich zumindest ab und zu gönnen sollte.

 

 

Die Menschen auf der Strasse oder in öffentlichen Verkehrsmitteln sind fast

ausnahmslos in ihre Pods, Handys, Tablets und Notebooks vertieft. Sie lesen, tippen

oder reden mit virtuellen Gesprächspartnern. Ich frage mich da oft: Mit wem

kommunizieren diese Menschen dauernd? Warum muss man dauernd mit jemandem

reden? Wird die Kommunikation dadurch besser? Fühlt man sich dann weniger

einsam? Kaum.

 

Als ich meine zukünftige Frau kennen gelernt hatte und wir zum ersten Mal in einem

Cafe saßen, beeindruckte sie mich mit folgender Geste: Sie nahm ihr Handy heraus,

schaltete es aus und legte es demonstrativ auf den Tisch. Das gefiel mir. Damit

signalisierte sie mir: «Du bist mir wichtig. Ich will jetzt nicht gestört werden.» Ich tat

dasselbe und wir lächelten. Es war eine erste Annäherung.

 

Ich verwende das Handy nicht so oft, aber selbst bei mir hat die Benützung schon eine

gewisse Suchtform entwickelt, wie folgendes Beispiel zeigen wird. Ich pendle

regelmäßig zwischen zwei weit voneinander entfernten Städten hin und her und so

geschah es, dass ich das Ladegerät vergessen hatte. Zunächst erfasste mich Panik.

Was mache ich jetzt ohne Mobiltelefon? Dann beruhigte ich mich wieder. Es war voll

aufgeladen und wenn ich es nur einmal am Tag einschaltete, um zu schauen, ob mich

jemand angerufen hatte, würde die Batterie mühelos zwei Wochen durchhalten.

Diese Entwöhnungskur tat mir gut. Kein nervendes Klingeln mehr in Liften,

Supermärkten oder wenn ich gerade in der Badewanne saß. Einmal am Tag tätigte ich

Rückrufe, falls notwendig und das war es. Ich hatte endlich Ruhe und es war

großartig.

 

Dieses Erlebnis war befreiend. Ich hatte mir bewiesen, dass ich überleben kann, ohne

immer ein Mobiltelefon eingesteckt zu haben.

Goldrausch

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