Ruhezustand (Aus!)Artistin

Musikarbeiter unterwegs … von Mekongg zum Delta zur Bosna

Bosna ist der Name eines Duos, das kurz vor kalendarischem Sommerbeginn auf Numavi Records sein Debüt You Know Too Much veröffentlicht.

TEXT: RAINER KRISPEL
FOTO: MARIO LANG

Die Musikarbeiter treffen Pete (Prison IV) und Sticky Lenz aka Lena von Bosna just an jenem Tag, als die Gastronomie endlich wieder Gastronomie sein darf. Das ekstatische Potenzial eines vor einem auf einen Tisch hingestellten Biers ist unmittelbar kaum zu fassen. Das spätere Ernüchterungspotenzial ob dieser – kurzen – Ekstase im Gesamtkontext der Rundum- und Bedingungsblödheiten wiegt dann ungleich schwerer. Diesbezüglich kommen auf «die Kultur» und «die Musik» harte Zeiten zu. Das «es geht uns ja eigentlich immer und grundsätzlich nur um uns», das qua Veranstaltungsankündigungsfluten mit eingetretenem Lockup einen gleich wieder kirre macht, als wäre nichts gewesen und als wäre einfach weiterzumachen das Leiwandste von der Welt, lässt mich wieder verstehen, warum «die Kultur», die sich als solche gebärden möchte, keinen Auftrag hat in dieser Gesellschaft und für «die Politik» irgendwo beim Kasperl rangiert, was das Ernst- und Wahrnehmen anbelangt (und ja, natürlich ist es super, dass …, aber …). Viel schöner noch als das erwähnte Bier das Treffen und Sprechen mit echten und so lässigen Menschen und Musiker_innen wie Pete und Sticky, die als Bosna seit Sommer 2019 zusammenspielen und mit You Know Too Much ziemlich umwerfende 5 Songs gesammelt als erstes Bosna-Tonträger-Statement in die Welt entlassen, erarbeitet im Lockdown, samt musikalischem Zusammenwachsen.

Schijndood.

«To see that silence is contagious, it made me cry inside, but I was always playing dead to stay alive», singt Pete in Schijndood. Hibernation, der Single-Vorbote des (Mini-)Albums, kann einen mit dem schönen, zugleich argen Satz «don’t you remember the cold puts out our wrath» länger zu denken geben und in Kombination mit der auf ihre eigene Art sehr, sehr schönen, dichten Musik länger beschäftigen und (willig!) gefangen nehmen. Begonnen als paralleles, in den Mitteln «mehr im Akustikbereich» anderes Solo-Projekt zu mekongg delta, aus dem das Trio Mekongg wurde, dessen 2018er-Album eines der zu wenig gepriesenen jüngeren Highlights hiesiger Musikhervorbringung ist, traten Bosna bei einem Konzert im EKH, wo Sticky Lenz mit einer ihrer anderen Bands, Just Friends And Lovers, spielte, nach Petes Frage, ob wer bei einer Nummer Drums übernehmen könnte, erstmals als Duo in Erscheinung. Lena: «Da wusste ich aber noch nicht, was auf mich zukommt.» Und spricht weiter von der Herausforderung, ihr «ungeschultes Musikerhirn» mit der Metrik von Petes Stücken in einen rhythmischen Dialog/Diskurs zu bringen. Der «Hirnknoten» wurde aber im Verlauf der gemeinsamen Probenarbeit nachdrücklich gelöst. Was für Pete solo in der eigenen Reflexion «zu steif und zu trocken» war, klingt nun, anders kann mensch es nicht sagen, vollständig. Entwickelt etwa bei Miasma einen ungeheuer fesselnden Sog, wobei jeder der 5 Songs – wir hören noch Crunchy Lips und Tanzverbot – seinen eigenen Charakter hat, die vermeintliche postpunkige Sperrigkeit große sinnliche und intellektuelle Logik kombiniert. Großes Qualitätskriterium – dieser Hörer wünscht sich jedes Stück länger, ausufernder.

Life, Promises Of Sweet Lullabies.

Pete, der weiter das Solo-Projekt Vereter (check it out!) betreibt, spielt bei Bosna E-Gitarre und nutzt einen Looper, singt. Der Name Bosna kommt unter anderem daher, dass Pete 2015 bei der Akademie (der Bildenden Künste) einen Würstelstand betrieb und «vegane Würstel gebrutzelt und verkauft» hat. Wobei «die Bosna» in der Recherche viel hergibt, unter anderem einen der lustigsten Sätze, der auf Wikipedia zu lesen ist. Folgt mensch der Spur, dass, phonetisch naheliegend, die Speise «bosnisch» sei, weil «würzig», ist mensch nicht ganz weit weg von Themen, die Pete in den Lyrics immer wieder auf- und umrührt, zwischen Erfahrung und Abstraktion, wie mit der Musik an etwas interessiert, was uns als Hörer_innen verstehen lässt, dass sich das Verweigern von allzu Eindeutigem nicht im Vagen ergehen muss, sondern ganz im Gegenteil: «My male friends, they never stand up for me, they rather do some male bonding behind doors secretly, but oh, they think they are so feminist, so left, so correct, and all they know about privilege is it’s spelled with one L.» (Tanzverbot).

Bosna: You Know Too Much
(Numavi Records)
Live: 17. Juni, Fluc Wanne
www.bosnanowa.com