Runde und offene Ruinen der ModerneArtistin

Ausstellung zum billigen Baumittel Beton

Zwei Lehrer von der HTL für Bautechnik schauen sich mit lauter Jungs die Ausstellung «Beton» in der Kunsthalle Wien an. Von «Zug pro Quadratmeter» ist die Rede, dass man rechnen muss, weil Beton praktisch kein Volumen hat und sich verflüssigt.

Foto: Courtesy of Ingrid Martens

«Hochgeheim ist die Rezeptur, unglaublich», sagt ein Lehrer. Die jungen Männer schauen sich Fotos von verfallenen Mietskasernen an, «Add Elegance to your Property» hat jemand auf die Betonmauer vor den leerstehenden Häusern gesprüht. Es geht viel um Architektur und Wohnen, um Beton als Baumittel der 60er, 70er Jahre – in der Italo-Moderne zum Beispiel, in der man eine weltoffene Gestaltung haben wollte. Viele Bauwerke sind rund und offen, durchlässig. Die Bautechniker fassen alles an, klopfen überall auf die Kunstwerke und hauen sich ab über ein blaues Plexiglas mit Loch drin. Völlig unauffällig steht ein Betonwerk der Bildhauerin Isa Genzken im Raum, ein Betonquader mit einem kleinen Loch, der «Luke» (1986) heißt.

Verlassene Gebäude aus der Zeit vor dem Sturz Mubaraks in Ägypten, verlassene Checkpoints und öffentliche Schutzräume aus Israel, eine leere Betonuhr mit Pendel – die Ruinen der Moderne erinnern an das alte Punk-Lied «Zurück zum Beton»: «Ekel, Ekel. Ich will nicht mehr Natur, Natur, ich will nur noch Beton pur.» Aber manche Beton-Ruinen sind noch bewohnt: So zeigt ein Film von Ingrid Martens einen sehr hohen, schmalen, komplett runden Betonbau aus Südafrika. Der Turm heißt «Ponte». Martens machte Interviews in den Aufzügen des Gebäudes. Fahrt zum Stockwerk 38. Seltsam wirken die fremdenfeindlichen Aussagen, wenn sie von Südafrikanern kommen, die sich mit altbekannten Klischees über Menschen aus Zimbabwe oder Mosambique beschweren. «Das Haus gehört den Neuzugezogenen, aber sie passen nicht darauf auf», kritisiert ein Mann. Andere Ponte-Bewohner_innen wehren genau diese Einstellungen ab. Eine schöne kühle Ausstellung für heiße Sommertage.

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