Kinos außerhalb von Wien (2): Volkskino und Kinomuseum Klagenfurt
Als Kinoland ist Kärnten von eher bescheidener Gestalt. Zwei Highlights, nämlich das Volkskino und ein Kinomuseum, sind in Klagenfurt zu Hause. Chris Haderer (Text und Fotos) hat sich an den Wörthersee begeben, um das dortige Licht auf der Leinwand zu inspizieren.
Als Filmland hat Kärnten schon bessere Zeiten erlebt, früher, als der Wörther See nicht komplett verbaut war und sich Franz Antel von Udo Jürgens noch einen Bademantel ausborgen konnte. Die staatlichen Infusionen ins Kärntner Filmbusiness spülen laut der Carinthian Film Commission jährlich mehr als eine Million Euro zurück ins bankrotte Ländle. Es sind in erster Linie Fernsehproduktionen, die hier stattfinden, einige österreichische Kinofilme, die auch woanders spielen könnten (und es trotz der Kulisse oft auch tun) und gelegentlich eine internationale Produktion – allen zusammen gelingt es aber nicht wirklich, den kanaltalwärts wandernden Tourismus auf Dobratschhöhen umzulenken. Immerhin war James Bond auch schon da: als Timothy Dalton verkleidet in «Der Hauch des Todes».
Dass Kärnten also ein Filmland ist, wie die Kärntner Landes-Kulturgazette «Die Brücke» im Frühjahr selbstbewusst und ohne Fragezeichen titelte, kann man daher gerade noch durchgehen lassen. Ein Kinoland ist Kärnten mit insgesamt sechs Lichtspielstätten (lt. «Standard») allerdings definitiv nicht. Selbst im kleinen Vorarlberg gibt es sieben Kinos und in Tirol sensationelle elf. Mit drei Kinos – zwei Multiplexen und einem liebenswerten Programmkino – ist Klagenfurt sozusagen das Leuchtfeuer der Szene und befindet sich damit auf Augenhöhe mit dem Burgenland. Zwei weitere Kinos sind knapp 50 Kilometer weiter in Villach zu finden, und eines versteckt sich in Spittal an der Drau. Der Rest von Kärnten ist eine cineastische Wüste, in der Fernsehen, Internet-Streaming und DVDs dafür sorgen, dass Alien & Co. ihre Klientel finden. «Die Brücken von Sarajevo» werden hier aber kaum geschlagen.
Das reduzierte Kino.
Egal. Wir sind jetzt in Klagenfurt. Der Bahnhof ist genauso scheußlich wie alles andere, was die ÖBB nach dem Jahr 2000 gebaut hat. Kultur beginnt schon gegenüber dem Bahnhof: Dort steht das Robert-Musil-Museum, in dem auch die Grazer Autorenversammlung gelegentlich herumsitzt. Knappe 500 Meter vom Bahnhof entfernt, in St. Ruprecht, befindet sich das Volkskino. Es sieht nicht aus wie ein Kino, sondern eher wie eine evangelische Kapelle. Die Adresse hilft weiter: Kinoplatz 3. Früher war hier ein wirklich großes Kino, aber jetzt ist das Volkskino nur noch «das ehemalige Foyer des alten Kinos», erzählt Bernhard Gutschier, der heutige Betreiber. In den 90er-Jahren wurde das alte Volkskino in ein Gemeindezentrum umgebaut, was den Platz für einen Kinosaal drastisch reduzierte. Ein großes Foyer, daneben ein kleines Lokal mit Filmzeitschriften und ein eher intimer Saal, der Studioatmosphäre vermittelt. Seine historischen Qualitäten hat das Volkskino durch den Umbau leider verloren, einen Eindruck vermittelt nur ein Foto des großen Saals, das im Foyer auf einem alten Kino-Projektor steht. «Genau genommen machen wir hier Programmkino ohne Kinosaal», spöttelt Gutschier über die aktuelle Raumnot. Ursprünglich erbaut wurde das Volkskino im Jahr 1926 als «sogenanntes Stadtteilkino – damals hatte jeder Stadtteil sein eigenes Kino, weil die Mobilität nicht so groß war und die Leute vor Ort versorgt werden wollten». Im Jahr 1987 wurde der Betrieb für vier Jahre eingestellt. Nach der Wiedereröffnung im Jahr 1991 zog zuerst die Programmkino-Initiative ins Volkskino ein, die vom Autor und Filmjournalisten Horst Dieter Sihler (aktuelles Buch: «Mein Kino des 20. Jahrhunderts», Wieser Verlag, Klagenfurt) geleitet wurde. «Vor dem Umbau hatte das Volkskino zwei Säle», erinnert sich Sihler. «Einen großen Saal und einen kleinen. Der große wurde in ein Theater umgebaut, das aber nie wirklich ausgenützt wurde. Ich hätte ihn gerne übernommen und als kommerzielles Kino geführt, um damit gutes Programmkino im kleinen Saal zu finanzieren.» Es kam anders, und so wurde das geschrumpfte Volkskino 1991 mit dem Filmklassiker «Panzerkreuzer Potemkin» wiedereröffnet. «Sergei Eisensteins Film wurde auch bei der Ersteröffnung im Jahr 1926 gezeigt. Damals war das ein Kampffilm der Sozialisten», sagt Sihler, der die Programmierung des Volkskinos 1998 aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste.
Im Kampf gegen die Großen.
Der aktuelle Stand der Dinge bietet viel Luft nach oben: «Mittlerweile ist es auch bei Programmkinos üblich, dass sie mehrere Säle haben. Durch unseren kleinen Saal ist die Programmierung schwieriger, man kann oft nicht mit anderen Kinos mithalten», sagt Bernhard Gutschier. Die beiden anderen Klagenfurter Großkinos, das CineCity (acht Säle) und das Wulfenia-Kinozentrum (sechs Säle), gehören einem Betreiber und bringen es insgesamt auf über dreieinhalbtausend Sitzplätze – das Volkskino hingegen bietet nur Platz für 70 Gäste: «Wir können überleben, weil wir viele Stammgäste haben. Das hilft uns weiter – und natürlich unser Programm, mit dem wir uns von anderen unterscheiden wollen. Bei uns gibt es kein stures Herunterbeten von Startfilmen. Mindestens einmal im Monat haben wir ein themenbezogenes Sonderprogramm, beispielsweise Menschenrechte, Frauenfilme oder Umwelt.» Es gibt außerdem einen Klassiker des Monats sowie Sonderveranstaltungen mit verschiedenen Einrichtungen bei teilweise freiem Eintritt. «Zwei bis drei Mal im Monat gibt es zusätzlich ein Filmfrühstück, das sehr gut ankommt.» Im Sommer wächst das Volkskino über sich hinaus und wird im Burghof in der Klagenfurter Innenstadt zum Open-Air-Kino: «Dann wird aus der kleinsten Leinwand die größte von Kärnten – mit 140 Quadratmeter Projektionsfläche», sagt Gutschier.
Kinogeschichte en bloc.
Szenenwechsel: «Kärnten war einmal von einem recht dichten Netz an Kinos überzogen», sagt Klaus Pertl, der das Kinomuseum Klagenfurt betreibt. «Es gab mehr als 50 Kinos. In fast jeder größeren Stadt war eines.» Die Lage des Kinomuseums könnte malerischer nicht sein, am Lendkanal, kurz bevor die künstliche Wasserstraße beim Schloss Maria Loretto in den Wörthersee mündet. Das Gebäude selbst ist etwas weniger frohsinnig: Untergebracht ist das Kinomuseum nämlich im aufgelassenen Mittelwellensender des ORF. Ein flacher, unauffälliger Bau, ohne jeglichen Charme. Das ist der erste Eindruck von außen. Von innen sieht die Sache völlig anders aus, denn es zeigen sich mehrere liebevoll gestaltete Räume, die sich das Kinomuseum mit dem ebenfalls hier ansässigen Stadtverkehrs-Museum teilt. Pertl, der das Museum aus Leidenschaft betreibt, dokumentiert dort «die Geschichte des Kinos, die sich fast überall in Europa gleich abgespielt hat, mit einem speziellen Fokus auf Klagenfurt».
Die Geschichte des Kinos beginnt im Jahr 1895 mit der ersten Vorstellung in Paris. «Genau elf Monate später, am 29. November, kam das Kino bereits nach Klagenfurt», sagt Pertl. Die Bandbreite seiner Artefakte ist recht groß: Teile des ersten Wanderkinos von Kärnten sind zu sehen; in einem kleinen Vorführsaal werden Filme zur Kinogeschichte gezeigt sowie ein Film aus dem Jahr 1911, der Erzherzog Karl bei einem Besuch in Klagenfurt festhält. «Es ist der älteste noch erhaltene Film, der in Klagenfurt gedreht wurde.» Zu den großen Kalibern der Sammlung gehören unter anderem auch ein alter, aber noch funktionstüchtiger Kino-Projektor, diverse Kameras sowie eine Dokumentation jener Kinos, die es heute längst nicht mehr gibt. Es gibt viel zu schauen: alte Fotos, Zeitungsausschnitte, eine alte Kinokasse. Kärnten als Filmland wird ebenso festgehalten wie die Amateurfilmszene.
Nabel- und Rückschau.
Mit dem heurigen Sommerprogramm will Klaus Pertl «ein bisschen Nabelschau betreiben», denn das Kinomuseum feiert seinen zehnten Geburtstag. «Wir wollen an etwas erinnern, das sich im Oktober 1977 ereignet hat. Damals haben sich Filmemacher in Velden zum ersten österreichischen Kinotag getroffen. Das war der Beginn einer langen Reise, die vorerst im Graz des Jahres 2017 mit der Diagonale endet.» Organisator der Filmtage war übrigens der spätere Volkskino-Direktor Horst Dieter Sihler. In Velden waren sozusagen die Held_innen der Branche vertreten, von Axel Corti über Kitty Kino (die damals noch Judith Gschöpf hieß) bis zu Valie Export mit ihrem Vorzeigestück «Unsichtbare Gegner»; Dieter Berner, Titus Lehner, Käthe Kratz, Wolfgang Lesowsky, Lukas Stephanik, Karin Brandauer, Reinhard Schwabenitzky und Mansur Madavy sind nur einige Namen auf einer langen Gästeliste. «Damals wurden 50 oder 60 Filme gezeigt», erinnert sich Klaus Pertl an ein Festival, auf dem viele Weichen für die Zukunft des Österreichischen Films gestellt wurden. Die verschlungenen Wege der Kinotage führten aber weg von Velden, weil die Kärntner Politik Film bis heute nicht als Kulturgut begreift, zuerst nach Kapfenberg und über Wels und Salzburg letztlich nach Graz. Deshalb ist aus Kärnten trotz James Bond und Wörthersee-Filmen nie ein echtes Filmland geworden.
1977 verteilten sich 21 Millionen Kinobesucher_innen auf 500 österreichische Kinos. Die Ironie dabei: Schon damals bezeichnete die «Frankfurter Allgemeine» die alpenländische Kinoszene als «dekorativen Leichnam». Heute würde vielleicht ein Vergleich mit «The Walking Dead» naheliegen.
Volkskino Klagenfurt
Kinoplatz 3, 9020 Klagenfurt
www.volkskino.net
Kinomuseum Klagenfurt
Wilsonstraße 37, 9020 Klagenfurt
Geöffnet ab 1. Juli
www.kinogeschichte.at