SchachmattDichter Innenteil

Die Augustin-Leute trauern um Christa Preslicka

Christa.jpgChrista war eine besondere Menschin. Sie hat versucht, mir den Begriff Nekrolog folgendermaßen zu erklären: I schüda (schildere), du schreibst.

Vor etwa einem halben Jahr saßen wir zusammen vor dem Computer, und Christa begann, mir ihren eigenen Nachruf zu diktieren. Irgendwie hatte sie die Lust am Leben verloren. Nekrolog war ihrer Meinung nach ein selbstverfasster Nachruf, wie er eigentlich nur Persönlichkeiten zusteht. Und damit hatte sie Recht: eine Persönlichkeit war sie zweifelsfrei!

Christa hat sich niemals von ihrem Weg abbringen lassen, auch wenn er meist steinig war. Eine Schönheit war sie nie, das darf ich in ihrem Namen schreiben, ihre schiefen Zähne waren ihr Stolz. Erst als der letzte Zahn das Zeitliche segnete oder besser Christas Obhut aufgab, erklärte sie sich bereit, einen Teil ihrer Persönlichkeit aufzugeben. Nämlich ihr neues gerades Gebiss zu dulden. Dulden war ansonsten nicht gerade ihre Lebensphilosophie. Erdulden schon eher. Die 18-Quadratmeter-Wohnung, die sie zeitweise mit zwei Mitbewohnern teilen musste, entsprach in keiner Weise dem Bedarf an Lagerraum für ihre Bücher. 800, hat sie mal gesagt, lagern irgendwo im Keller. Oder mehr?

Gespräche mit Christa führen kam durchaus einem Risiko nahe. Denn hatte sie Recht, hatte sie Recht. Hatte sie nicht Recht na ja, das musste man dann erst beweisen …

Nachruf? Ja! Sie hat es selbst geschüdat! Schach haben wir gespielt. Im Sommer. Im betreuten Wohnen. Sie hat sechs von sieben Spielen gewonnen. In der Augustin-Theatergruppe hat sie einige Jahre Disziplin von ihren MitspielerInnen gefordert. Disziplin hat sie gefordert und ihre MitspielerInnen mit diesem Wort unterbrochen. Christa.

Oft war sie traurig und schweigsam. Meist aber präsent. Jedenfalls niemals opportunistisch. Streithaut haben wir sie genannt, und damit konnte sie bestens umgehen. Schien ihr sogar gefallen zu haben. Im Kontern war sie allerdings auch sehr kreativ. Christa hat etwas geschafft, was wir uns vielleicht alle wünschen: Sie war etwas ganz Besonderes.

Schreibwerkstatt: Zehn Menschen sitzen und lesen ihre mitgebrachten Texte. Christa fordert Disziplin. Zehn Menschen sitzen und schreiben einen neuen Text, 15 Minuten sind vorgegeben, und alle sind fertig außer Christa. Wenn man sie jetzt anspricht, wird sie wütend: FERTIG IST, WENN ICH DEN STIFT WEGLEGE!

Und, alte Ratte, wie ich dich nennen durfte, nein, ich habe keine Disziplin, wenn ich heule, weil du den Stift für immer weggelegt hast!

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