Schäferhund würfelig schneidentun & lassen

Die Straßenzeitung Uhudla feiert den «linken Boulevardstil» - also sich

Der Uhudler, ein so genannter Direkträgerwein, war bis Mitte der 90er Jahre verboten. Dass sein Genuss zu Blindheit und/oder zur Raserei führe, konnte nicht länger aufrechterhalten werden. Was Wiens älteste Straßenzeitung, der Uhudla, mit dem Fall der Uhudler-Prohibition, und was andrerseits der Augustin mit dem Uhudla zu tun hat, erklärt folgender Artikel.Man/frau nehme einen gut abgehangenen zwei- bis dreijährigen Schäferhund. Zu bekommen bei der einschlägig bekannten Jägerschaft des Burgenlandes, der Steiermark und Niederösterreichs (sie killt streunende Hunde in Wald und Flur, am liebsten die von zugereisten Zweitwohnungsbesitzern). Löse das Fleisch von den Knochen und schneide es würfelförmig. Die gleiche Menge wie Fleisch, werden Schalotten geschnitten und mit reichlich Schweinschmalz gedünstet. Dann kommt das Schäferhundfleisch hinein. Mit hellem Bier aufgießen …

Walter Eckharts Kochkolumne «Querbraten» zählte für mich zu den unique selling points des Uhudlas der ersten Phase. Das Grandiose dieser Rubrik, am Beispiel des Kapitels «Hundegulasch» gut zu demonstrieren, bestand in der Synthese von hemmungsloser Provokation, unbekümmerter politischer Unkorrektheit, widerstädtischem Agrarkult, inszeniertem Boulevardjournalismus und raffiniert dosierter Analyse der immer veränderungswürdigen Realität (in diesem Falle der Hinweis auf den sozialen Hauptkonflikt vieler ländlicher Gemeinden, die Spaltung von Dörflern und Neodörflern).

Diese nie formulierte und auch nie debattierte Kolumnen-Philosophie («Wir machen den Uhudla aus dem Bauch heraus, weil unsere Köpfe noch voller zugerichteter Disziplin sind», erklärte ich damals einem Interviewer) war für das gesamte Blatt prägend. Mir ist nicht ganz klar, ob der Uhudla trotz der Verquickung von Surrealismus und Bodenständigkeit oder aufgrund dieser Verquickung in fast allen Gemeinden des Burgenlands bekannt war; vielen war er der bunte Hund in einer regionalen Medienlandschaft, die von den beiden «letzten Parteizentralorganen Europas» dominiert war: von den Wochenzeitungen der «Roten» und der «Schwarzen», die in ihrem Eifer, den jeweiligen Landesparteiobmannsaurier aus nahezu jeder Seite blicken zu lassen, den nordkoreanischen Medien Konkurrenz machten.

Eine Grenzlandinstitution

Eine Person und zwei gesellschaftspolitische Intermezzi zur rechten Zeit beförderten die Karriere der Alternativzeitschrift in Richtung einer burgenländischen Institution. Die Person ist Max Wachter, «Mister Uhudla». Ich kann bezeugen: Es gab kein burgenländisches Dorf zwischen Apetlon und Bildein, in dem nicht zumindest einer lebte, der den «Kummerl mit der weißen Mähne» nicht schon von weitem erkannte. Wo immer ich ihn als Uhudla-Koredakteur begleitete, hatte Max bereits Spuren hinterlassen – als Agitator gegen den Neofeudalismus des Landesbosses Theodor Kery, als Kritiker der Kroaten-Assimilierungs-Politik, die ausgerechnet von assimilierten SP-Kroaten ausging, als großer Freund der fast ausgerotteten burgenländischen Roma, als Schrecken der regionalen Sondermüllmafia, als heiliger Prekario des Heanzenlandes (imaginärer Hero des Prekariats, ein damals nicht nur im Burgenland unbekannter Begriff).

Das politische Intermezzo, das die Gründung des Uhudla ermöglichte, war der Zusammenbruch der kommunistischen Bewegung, auch des Burgenlands, nach dem Ende des «Realsozialismus». Der Legende nach soll die Idee des Uhudla in einem der großen Räusche entstanden sein, in denen die plötzlich schwerelos gewordenen KP-Aktivisten (die weibliche Form ist in diesem Fall unangebracht) ihr Scheitern verarbeiteten. Die Konkursmasse der KPÖ Burgenland stellte sich als groß genug heraus, die Rauschidee zu realisieren. (Post-)kommunistische Schillinge finanzierten den Start, und ein auserwählter Kreis der Schwerelosen rettete sich vor der Versagensdepression, weil der Uhudla eine Kontinuität des linken Aktivismus ermöglichte.

Das politische Intermezzo, das den regionalen Gebrauchswert des Uhudla schlagartig evident machte und das die Zeitung mit der ungewohnten Renitenz temporär zu einer Plattform empörter Bäuerinnen und Bauern machte, war der Widerstand südburgenländischer Kleinbauern und -bäuerinnen gegen die kafkaeske staatliche Unterdrückung einer regionalen Spezialität, des Uhudler-Weines. Die Prohibitionspolitik ließ sich nicht mehr rechtfertigen, und der Uhudla (der sich deshalb auch diesen Namen gab) war Teil des Lobbyismus, der schließlich zur Legalisierung von Anbau und Verzehr der regionaltypischen Weinsorte führten. Eines der schönsten Feste, an das ich mich erinnere, war das «Gipfeltreffen» zwischen dem Uhudla-Herausgeberverein und dem Verein der Freunde des Uhudler, in dem die beiden Obmänner, Max Wachter aus Piringsdorf und Johann Schmidt aus Heiligenbrunn, mühelos einen «cultural gap» überwanden.

Der Augustin geht in die Lehre

Wien geriet immer mehr in den Mittelpunkt der Lebensinteressen Max Wachters, und so verlor auch der Uhudla die Verankerung im östlichsten Bundesland. Was einerseits schade war, denn das Experiment eines avancierten Provinzialismus, eines Schulterschlusses zwischen Bauernschläue und großstädtischem Nonkonformismus hätte eine Fortsetzung verdient. Andererseits gäbe es ohne die Hinwendung nach Wien keinen Augustin.

Es war der Uhudla, der die Idee der Straßenzeitungen – das heißt, Vertrieb der Zeitung im öffentlichen Raum und in Beiseln durch marginalisierte und einkommensschwache Menschen, Fifty-fifty-Teilung der Einnahmen, Integration der Betroffenen in die Textarbeit etc. – erstmals nach Wien verpflanzte. Obdachlose, die einerseits für die Uhudla-Straßenkolportage, andererseits für die Schreibwerkstatt gewonnen werden konnten, bildeten die Pools, die später dem Augustin zur Verfügung standen. Die Urgesteine des Augustin waren sozusagen beim Uhudla in die Lehre gegangen; als sie erstmals «Der neue Augustin!» schrien, wussten sie schon aus Uhudla-Erfahrungen, wie und wo sie ihren Schmäh zu dosieren oder zu kultivieren hatten.

Dass sich 1995 aus dem Uhudla heraus der Augustin als eigenständige Straßenzeitung entwickelte, erweist sich aus heutiger Perspektive als überraschend gelungene Entscheidung notorischer Improvisateure. Es brauchte ein neues Medium, weil die Zweigleisigkeit (die Parallelität von sozialem und medialem Anspruch) nach einer Partnerschaft der Blattmacher_innen mit Profis und Dilettierenden der sozialen Arbeit auf gleicher Augenhöhe verlangte. Die Konzentration des Augustin-Projekts auf die Entwicklung einer maximal niederschwelligen Sozialarbeit, seine Selbststilisierung als das «soziale Gewissen Wiens», nicht zuletzt die schon durch den Blattnamen ausgedrückte Wienerlichkeit des neuen Mediums sicherten dem Augustin eine Reichweite, für die die Mutterzeitung Uhudla gar nicht angelegt war/ist. Dieser versteht sich heute laut Max Wachter als Versuch einer «linken Boulevardzeitung»; spürbar ist auch seine integrale Funktion, die Gräben zwischen den auseinanderdriftenden Erben der kommunistischen Bewegung im Lande zuzuschütten.

Eine weitere Lebensmittelpunktverlagerung – der Protagonist lebt seit sieben Jahren hauptsächlich in Südportugal – verleiht dem Uhudla ein globalistisches Flair. «Jetzt ist der Uhudla zum Teil portugiesisch. Das ist eine inhaltliche Bereicherung für die Zeitung. Denn was in dem verarmten EU-Land derzeit abgeht, trifft schneller als uns lieb ist in Österreich ein», meint Max Wachter.

Das Hundegulasch-Rezept werde in diesem Fall erneut gefragt sein. Als Lebenshilfe für die Krisenopfer. Krise hin, Krise her, der Veganismus kommt mit Sicherheit auf. Dann würde Max ein Hundegulasch-Rezept erfinden, wenn er nicht schon eines hätte.