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Da hätten wir als erstes den Ökonomismus. Ergebnisse der Werteforschung zeigen, dass die kolportierte Vermutung, nur »Modernisierungsverlierer« würden dumpfe Ressentiments entwickeln, selbst nicht viel mehr als ein Vorurteil ist. Besonders anfällig für Ideologien des Ausschlusses sind diejenigen, die sich mit den herrschenden Werten Geld, Karriere und Erfolg überidentifi¬zieren, die das Leistungsprinzip verabsolutieren und die zwi¬schenmenschlichen Beziehungen auf ihre Funktionalität für das Eigeninteresse reduzieren.
Diese ökonomistischen Einstellun¬gen stehen im Zusammenhang mit der Abwertung von »Über-flüssigen« und »Nutzlosen«. Der Sozialwissenschafter Wilhelm Heitmeyer nennt den zentralen Satz dieser Ideologie: Jeder schafft es, wenn er nur will. Die Personen sagen Ja zu den Aussagen: „Wer sich nicht selbst motivieren kann, ist selber schuld, wenn er scheitert“ Und: „Wer sich nicht verkaufen kann, ist selber schuld, wenn er scheitert.“ Dabei handelt es sich zunehmend um ein Elitenproblem. Die Abwertung von Langzeitarbeitslosen ist in Deutschland seit 2008 am stärksten bei den obersten Einkommensschichten gestiegen. Heitmeyer spricht von »elitär motivierter Menschenfeindlich¬keit«. Ein »eiskalter Jargon der Verachtung« sei da entstanden, ein konsequent vorgetragener »Klassenkampf von oben«.
Das zweite ist die Naturalisierung sozialer Verhältnisse. Soziale Ungleichheit, so die Botschaft des Sozialdarwinismus, hat nichts mit entstandenen Machtverhältnissen zu tun, sie darf auch nicht als Problem begriffen werden, sondern sie ist etwas ganz Natürliches. Arm und Reich sind dann nämlich nichts anderes als die gesellschaftliche Widerspiegelung der biologischen Ungleichheit von Menschen. Eine praktische Ideologie für die, die wollen, dass alle Ungerechtigkeiten so bleiben, wie sie sind. Argumentiert wird dann mit schlechtem Charakter, kulturellem Verfall und Faulheit – natürlich der anderen. Diese Debatte ist kulturversessen und verhältnisvergessen. Für Großbritannien beschreibt der Historiker und Journalist Owen Jones in seinem Buch „Prolls“ diese Geschichte der Verachtung von Einkommensarmen. In Österreich ist die Debatte lang noch nicht so vergiftet, aber auch hierzulande zeigen sich Symptome wie die alte Idee aus dem Klassenfeudalismus, „Proleten“ das Wahlrecht zu entziehen, gefunden in „Prolokratie“ von Christian Ortner.
Das dritte ist die Pferdeäpfeltheorie. Danach muss man, um den Spatzen etwas Gutes zu tun, die Pferde mit dem besten Hafer füttern, damit die Spatzen dessen Körner aus dem Kot herauspicken können. Eine praktische Ideologie: Alles, was den Reichsten nützt, nützt irgendwann denen da unten. Wann das „irgendwann“ kommt, ist das große Geheimnis. Bei steigendem Reichtum ganz oben kam es in ganz Europa in den letzten 10 Jahren trotzdem zur Erhöhung der Ungleichheit. In den USA sind die Steuererleichterungen bei den Vermögenden mit steigender Armut einhergegangen.
Das vierte ist die Tendenz zur Mitte. Eine Linie. Am einen Ende stehen die Ärmsten, am anderen die Reichsten. Wenn man nun fragt, auf welcher Position dieser Linie sich die Reicheren einschätzen würden, dann zeigen sie auf die Mitte. 99,4 % der Reichsten in Österreich zählen sich zur Mittelschicht. Fragt man die Ärmeren, wo sie sich selbst sehen, ordnen sie sich ebenfalls Richtung Mitte ein. Das ist der Grund, warum sich die Figur der Mitte so gut eignet, die wahren Verhältnisse zu ver¬nebeln.