Schlachtruftun & lassen

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Die Schauspieler Albert Fortell und Barbara Wussov bezogen zwischen ihren Drehs Notstandshilfe. Was eine große Empörung auslöste, weil viele wissen, wie schwierig es ist, Notstandshilfe zu bekommen: Partneranrechnung, jeden Job annehmen, alle Einkommen angeben etc. Und wenn man Notstandshilfe bezieht, dann ist das für die meisten ein Hungereinkommen. Die durchschnittliche Notstandshilfe von Frauen liegt bei 475.-. Viele haben weniger als 200 .

Die zunehmenden Billigjobs und prekären Arbeitsverhältnisse machen eine Risikoabsicherung in den Phasen von Erwerbslosigkeit immer notwendiger. Im Gegensatz zu Fortell und Wussov ist eine zunehmende Zahl von Menschen unfreiwillig selbständig. Diese erzwungen ICH-AGs und Elendsunternehmer leben als working poor unter der Armutsgrenze, in Österreich laut Sozialbericht bereits 57.000 Menschen. Wer nichtexistenzsichernde Jobs hat, hat auch nicht existenzsichernde Leitungen im Arbeitslosengeld oder in der Pension. Ein Teufelskreis, der durch die Förderung eines Niedriglohnmarktes erst so richtig zum Leben erwacht. Da werden vorher besser bezahlte Jobs in schlechter bezahlte umgewandelt. Der Schlachtruf nach niedrigeren Löhnen, was gleichzeitig auch niedrigere Sozialleistungen bedeutet, ist kein wirtschaftliches Wundermittel. Sonst müsste der Osten Deutschlands blühen, denn die Löhne sind niedriger als im Westen. Es sind nämlich nicht die Einkommen, sondern die Lohnstückkosten, also die Arbeitskosten im Verhältnis zur Produktivität, die der echte Maßstab für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes sind.

Seit Sigmund Freud wissen wir, dass die Lösung eines Problems nicht dort zu finden sein muss, wo das Problem sichtbar wird. Auch das Arbeitslosenversicherungssystem erklärt nur einen Bruchteil der Arbeitslosigkeit, während andere Faktoren wie Bildungs-, Finanz- und Wirtschaftspolitik eine wichtigere Rolle spielen

Sowohl Sozialhilfe als auch die Notstandshilfe wirken weder armutsbekämpfend noch armutsvermeidend. Armutsvermeidend wäre es, die Notstandshilfe in ein verbessertes existenzsicherndes Arbeitslosengeld umzuwandeln, gleichzeitig aber die Sozialhilfe zu einer Mindestsicherungsleistung umzubauen.

Die Lebenssitutation und die Zukunftschancen der Betroffenen würden sich aber massiv verschlechtern, wenn die Schwächen der Sozialhilfe in die Notstandshilfe importiert werden: Keine Pensionszeiten, Bedarfsprüfungen, Regress, keine automatische Krankenversicherung Almosencharakter statt Grundrechtsorientierung. Es liegen Vorschläge auf dem Tisch, die in diese Richtung gehen. Die Notstandshilfe in die Sozialhilfe überführen. Und beim Arbeitslosengeld weiter kürzen.

Besser die andere Richtung: die Notstandshilfe zu einer verbesserten Arbeitslosenleistung machen. Österreich liegt mit der Höhe der Arbeitslosenleistungen mit vergleichbaren OECD-Ländern im unteren Drittel. Die Notstandshilfe trägt auch einen missverständlichen Namen. Sie ist eine Versicherungsleistung und kein Almosen.

Die Sozialhilfe wiederum braucht eine moderne Orientierung an sozialen Grundrechten, die für alle gelten und Existenzsicherung garantieren. Die Sozialhilfe muss den Charakter des Gnadenrechts ablegen und zu einer bürgerfreundlichen, transparenten und mit Rechtsansprüchen versehenen Sozialleistung werden.

Martin Schenk

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