Schleich di, du Oaschloch – ein KommentarDichter Innenteil

Das war zunächst der angebliche Ausruf eines Augenzeugen, der den Attentäter von Wien weglaufen sah. Unmittelbar nachdem dieses Attentat stattgefunden hat, fand der Spruch rasend schnell Verbreitung in Sozialen Medien. Hintergrund- und Profilbilder wurden damit versehen, oft mit dem Zusatz «Wir lassen uns nicht spalten», als gelte es Spaltung zu vermeiden statt sie zu überwinden. Mittlerweile ist der Spruch über die Landesgrenzen hinaus bekannt, wurde Thema in Fernsehsendungen und auch als T-Shirt-Aufdruck vermarktet.

Die Wienerinnen und Wiener scheinen sich kollektiv eine eigene (neue?) Identität verpasst zu haben.

Ich selbst kann nachvollziehen, dass dies aus psychohygienischen Gründen unmittelbar nach dem grauenvollen Abend befreiend war, aber in zunehmend zeitlicher Entfernung wird mir dieses Statement immer fremder.

Der Attentäter wurde erschossen. So gesehen hat er sich schon geschlichen, sodass diese Aufforderung sich nur an Gefährder und lebende Terroristen richten kann. «Schleich di, du Oaschloch» würde ich vielleicht zu jemandem sagen, der in mein Bier spuckt, aber ist es passend, diese Worte an einen Menschen zu richten, der Menschen getötet hat oder beabsichtigt zu töten? Und wohin soll er sich denn schleichen? Nach dem Florianiprinzip «wurscht wohin, Hauptsache nicht bei uns». Das wäre wohl eine genauso typisch wienerische Haltung. Also irgendwo in der Welt darf er dann weiter morden, egal ob in Afghanistan, Irak, Libyen, Ägypten, weil «dort unten gehört es halt auch irgendwo zu deren Kultur». Das selbe Prinzip liegt der geplanten Aberkennung der Staatsbürgerschaft als Teil des Anti-Terrorpakets zugrunde. Interessieren tut es uns nur, wenn Terroristen Touristen in Luxor ermorden.

Beschäftigt uns eventuell auch die Frage, wie es denn sein kann, dass sich junge Menschen, die in Österreich, Frankreich, Belgien … leben, derartig radikalisieren, dass sie sich gewaltbereiten und terroristischen Gruppen anschließen? Und ja, diese Frage stelle ich mir genauso hinsichtlich Jugendlicher, die mit den Grauen Wölfen sympathisieren und auch im Bezug auf junge Neonazis. Was für einen Befund stellt das der Gesellschaft aus? Kann es sein, dass einiger dieser jungen Menschen einmal zu oft «Schleich di, du Oaschloch» gehört haben? Kann es sein, dass «Schleich di, du Oaschloch» mehr Teil des Problems als die richtige Antwort ist?