Gottfrieds Tagebuch
28. 6.
Manchmal verstören oder verwirren mich Wörter, die mir gelegentlich unter die Augen kommen. Oder vor die Augen, je nachdem. Heute erhielt ich Kenntnis von einer Schleierfahndung.
Innenminister Benito Sobotka ist ja immer für eine negative Überraschung gut. Ein wahrhaft heikles Thema, worüber schon seit geraumer Zeit sehr kontrovers diskutiert wird. Ich für meinen Teil finde es ja merkwürdig, wenn jetzt nach Schleiern gefahndet werden soll, oder habe ich da etwas falsch verstanden? Andererseits wird aber auch vieles verschleiert, zum Beispiel in der hohen Politik, oder bei Spitzenmanagern der Autoindustrie. Die sind übrigens nur spitze beim Verhandeln ihrer unmoralisch hohen Gagen. Siehe Abgasskandal Teil 1 bis … Also worum geht es bei der Schleierfahndung wirklich? Das fragt sich auch meine teilweise verschleierte Kassierin im türkischen Supermarkt.
1. 7.
Mit großer Besorgnis sitze ich vor dem elektronischen Nachrichtenportal und weiß nicht, ob ich es wagen soll, irgendeine Nachrichtenseite aufzurufen. Dürre hier, Waldbrände dort – und unter anderem war der verwichene Juni der trockenste seit 1955. Dabei fällt mir ein, dass der Klimawandel laut dem Donald aus den USA in Wahrheit gar nicht stattfindet. Bitte nicht schockiert sein, aber damit hat er ganz recht. Denn es ist eine Klimakatastrophe, in der wir uns befinden. Das mit dem Wandel ist die verschleiernde politische Sprache, denn merke, es hört sich natürlich viel harmloser an, wenn man von Personalfreistellungen, anstatt von Entlassungen spricht. Oder von einem Minuswachstum statt von einem Defizit. In den Nachrichten erfahre ich übrigens, dass sich Hamburg schon sehr intensiv auf das bevorstehende G20-Treffen «freut».
«G20-Treffen … ein völlig wertloses Schaulaufen»
9. 7.
Es ist viel zu viel passiert in Hamburg, als dass ich es im bescheidenen Rahmen meines Tagebuches kommentieren könnte. Aber abgesehen von der Tatsache, dass das Leben der G20-Teilnehmer offensichtlich wertvoller war als das der Hamburger Einwohnerschaft, bin ich echt angewidert vom Umstand, dass aus dem zweitgrößten Kontinent mit 53 Ländern, nämlich Afrika, nur Südafrika bei den Großen 20 mitreden darf. Aber andererseits war ja China vertreten, und denen gehört ohnehin bald halb Afrika. Langer Rede, kurzer Sinn, ein völlig wertloses Schaulaufen von tausenden Leuten, von denen niemand weiß, was sie eigentlich beruflich machen.
13. 7.
!»§$%&/!» Insektenkundler Mucki jagt eine landesübliche Stubenfliege. Derzeit steht es 3:0. Für die Fliege. Während ich das Ganze interessiert beobachte, begeben sich meine Gedanken wieder einmal auf Wanderschaft. Was fällt denen ein, da kann ja jeder kommen und einfach wandern gehen! Da Fliegenjagd, dort Bilder im Kopf. Wo kommen die plötzlich her?! Wo Bilder sind, da kann man auch seltsame Gedanken vorfinden und die wiederum fragen sich, ob man die Bilder im Dorotheum schätzen lassen sollte. Schön langsam beginnt es, skurril zu werden. Jägermeister Mucki kämpft indessen gegen die glatten Bodenverhältnisse, die immer wieder zu durchdrehenden Beinen führen. Die Fliege wirkt völlig entspannt. Ich komme zur Erkenntnis, besser den Spatz in der Hand als keine Hose an. Mucki ist entrüstet.
17. 7.
Ich sehe gerne historische Dokumentationen. Manchmal führt aber Kater Mucki zu verminderter Aufmerksamkeit meinerseits. So vermeine ich heute in etwa Folgendes vernommen zu haben: «Forscher haben herausgefunden und sind dann wieder hineingegangen.» Ich kann mich aber auch verhört haben, ich habe aber nicht gestanden. Glaube ich zumindest.
25. 7.
«Pilz tritt mit verschiedenen Persönlichkeiten an», informiert mich eine Nachrichtensprecherin. Das wirft einige Fragen auf. Wo tritt er an, und sollte der Mann nicht eher einen Facharzt aufsuchen? Diese Verkürzung von Nachrichten kann Leute wie mich durchaus an ihre geistigen Grenzen bringen. Dabei fällt mir ein, dass unser «Tanzender Stern» Martin Ferdiny zwar scheinbar gut zu tanzen versteht, aber seine Kernkompetenz sollte das verständliche Übermitteln von Nachrichten sein. Aber leider stolpert er aufgrund seiner hektischen Sprache ständig über das eine oder andere Wort. «Talking Star» wird er so nicht.
26. 7.
Ich schlendere zum Tabakfachgeschäft meines Vertrauens. Natürlich ist mir bekannt, dass Rauchen tödlich sein kann. Nichtrauchen allerdings auch, und würden sämtliche rauchenden Menschen unseres Landes auf der Stelle damit aufhören, könnte es zu gröberen budgetären Problemen kommen. Die Tabaksteuer bringt jährlich – ich weiß nicht genau, wie viel –, aber auf jeden Fall mehrere Milliarden. Übrigens sterben auch Nichtraucher_innen. Schockierend! Friedrich Torberg meinte zu dieser Thematik: «Ich übe den Beruf des Schriftstellers seit 50 Jahren aus und habe ihn von Anfang an rauchend ausgeübt. Ich bin auf diese Weise 70 Jahre alt geworden. Vielleicht wäre ich bei gesünderer Lebensweise heute schon 75 oder 80, das lässt sich schwer feststellen.»